Ladenburg 

Bereich um das Haus mit dem Betsaal in der heutigen Kirchenstr. 45 auf dem Plan der Oberamts-Stadt Ladenburg, nicht geometrisch, sondern nur mit Schritten aufgenommen, um 1800. Die Räume wurden von der jüdischen Gemeinde wohl bis in die frühen 1830er Jahre genutzt. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H Landesburg 10]
Bereich um das Haus mit dem Betsaal in der heutigen Kirchenstr. 45 auf dem Plan der Oberamts-Stadt Ladenburg, nicht geometrisch, sondern nur mit Schritten aufgenommen, um 1800. Die Räume wurden von der jüdischen Gemeinde wohl bis in die frühen 1830er Jahre genutzt. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H Landesburg 10]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Ladenburg, der Hauptort des Lobdengaus, gehörte seit dem frühen Mittelalter zum Hochstift Worms. Während einer Verpfändung an Graf Walram von Spanheim eroberten einige mit diesem verfehdete Ritter die Stadt und verkauften sie 1370 zur Hälfte an Ruprecht I. von der Pfalz (1353-1390). Dieser einigte sich 1385mit dem Bischof von Worms über die Errichtung eines pfälzisch-wormsischen Kondominats, in dem die Pfalz das Übergewicht erhielt. 1705 trat deshalb das Hochstift Worms Ladenburg und andere rechtsrheinische Orte im Tausch an die Kurpfalz ab. 1803 fiel die Stadt an Baden.

1291 trat bei einem Kaufvertrag zwischen den Rittern von Strahlenberg und dem Pfalzgrafen der Jude Moyses von Luttenburgk, womit Ladenburg gemeint sein dürfte, als Zeuge auf. In einem Richtspruch zwischen Bischof Emerich von Worms und Rennewart von Strahlenberg wurde 1315 diesem das Judenregal in Ladenburg zugesprochen. 1330 wurden die Juden von Ladenburg von Kaiser Ludwig dem Bayern für ein Darlehen an Bischof Gerlach von Worms verpfändet. Die jährliche Gült, die sie zahlten, betrug 120 Pfund Heller. 1335 verpfändete derselbe Kaiser die Reichseinkünfte, damit auch die Zahlungen der Juden zu Speyer, Worms und Ladenburg, an den Pfalzgrafen. Die Judenverfolgung zur Zeit des Schwarzen Todes 1348/49 vernichtete die jüdische Gemeinde. 1380 sind wieder vier Judenfamilien in Ladenburg wohnhaft, vermutlich Flüchtlinge aus Worms und Speyer, denen Kurfürst Ruprecht I. (1353-1390) in seinem Lande Zuflucht gewährte. Doch schon unter dessen Nachfolger Ruprecht II. (1390-98) wurden sie 1391 vertrieben und ihre Güter eingezogen. In Ladenburg verkaufte der Kurfürst den halben Teil von Haus und Hof des Juden Mocke und die angrenzende Judenschule an einen Bürger der Stadt.

Nach der Vertreibung von 1391 haben in Ladenburg mehrere Jahrhunderte, wahrscheinlich bis zur Zeit des Kurfürsten Karl Ludwig (1649-1680), keine Juden mehr gewohnt. 1712 wurde die Versammlung der Pfälzer Juden, die alle drei Jahre stattfand, in Ladenburg abgehalten. 1722 wohnten 8 Judenfamilien in der Stadt, 1743 26, 1757 14. 1789 zählte Ladenburg unter seinen 1826 Einwohnern 75 Juden. Um 1700 war Herz von Ladenburg Vorsteher der Judenschaft des Amtes Heidelberg. Während des 19. und 20. Jahrhunderts blieb in Ladenburg die Zahl der Juden ziemlich konstant: 1825 93, 1875 99, 1900 105, 1925 91 und 1933 88. Im Ersten Weltkrieg fielen die jüdischen Einwohner Theodor Hauser und Arthur Kaufmann.

Das wohl um 1600 erbaute Haus Kirchstr. 45, in dem bis in die frühen 1830er Jahre ein Betsaal untergebracht war. [Quelle: Landauf, LandApp]
Das wohl um 1600 erbaute Haus Kirchstr. 45, in dem bis in die frühen 1830er Jahre ein Betsaal untergebracht war. [Quelle: Landauf, LandApp]

1827 wurde Ladenburg Sitz eines Bezirksrabbinats, dem die israelitischen Gemeinden (Mannheim-)Feudenheim, Ilvesheim, Ladenburg und Schriesheim, bis zu ihrer Auflösung auch Dossenheim und (Mannheim-)Seckenheim unterstellt wurden. Die Aufgaben des Bezirksrabbiners wurden später von Heidelberg aus wahrgenommen.

Eine Synagoge besaß bereits die mittelalterliche Judengemeinde. Im 18. und im Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Gottesdienst in einem Betsaal im Stick'schen Hause gegenüber der Galluskirche abgehalten. 1832 erwarb die jüdische Gemeinde von Moritz Löwenthal das Sellner'sche Haus und baute es zur Synagoge aus. Die feierliche Einweihung fand am 23. November 1832 statt. Um die gleiche Zeit wurde auch eine israelitische Volksschule eingerichtet. Gemeindehaus, Lehrerwohnung und Frauenbad waren im Synagogengebäude untergebracht. Die jüdische Gemeinde besaß auch einen eigenen Friedhof.

Für eine Landgemeinde vor 1933 waren die israelitischen Vereine verhältnismäßig zahlreich. Es gab einen Männer- und einen Frauenverein für die Armenpflege und Leichenbestattung. Die Wanderarmenkasse gewährte ortsfremden Armen Barunterstützungen, Verpflegung und Nachtquartier. Die Mittel wurden durch freiwillige Spenden der Gemeindemitglieder aufgebracht und überstiegen im Jahr 1.000 Mark. Ortsarme gab es in Ladenburg nicht zu versorgen, da die wirtschaftlichen Verhältnisse der Juden gut waren. Im 19. Jahrhundert entstanden mehrere Stiftungen zur Armenunterstützung ohne Ansehen der Religion, zur Abhaltung von Jahrzeiten für Verstorbene sowie zur Bestreitung der Kosten für Heizung und Beleuchtung der Synagoge. Vom Kirchensteuergesetz wurde dank der Opferbereitschaft der Gemeindemitglieder kein Gebrauch gemacht. Ein Beispiel dafür bieten zwei alte Juden, die sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hatten und infolgedessen zu einer geringeren Steuer veranlagt wurden; sie wünschten den bisherigen Beitrag weiter zu zahlen. Der Jüdische Verein veranstaltete gesellige Zusammenkünfte, Vorträge über jüdische Religion und Geisteswelt und gründete eine Leihbücherei. Die Ladenburger Chanukka- und Purimfeiern fanden sogar bei den Schwestergemeinden Mannheim und Heidelberg Beachtung. Der Synagogengesang wurde durch eine wöchentliche Singstunde gepflegt. Der Kaufmann Fritz Hirsch war Mitglied des Oberrats.

An jüdischen Gewerbebetrieben gab es 1933 drei Manufakturwarengeschäfte, eine Möbel- und Manufakturwarengroßhandlung, eine Schuhmacherei, eine mechanische Werkstätte für landwirtschaftliche Maschinen und eine Hautleimfabrik. Mehrere Juden waren als Reisende oder als Arbeiter in Zigarrenfabriken beschäftigt. Dr. Justin Vogel hatte eine Arztpraxis inne. Auch ein jüdischer Zahnarzt und ein Rechtsanwalt praktizierten früher hier.

Das Verhältnis zur christlichen Bevölkerung war bis zum Dritten Reich und darüber hinaus überaus gut. Den Judenhass schürte dann vor allem der damalige Gewerbeschuldirektor. Über den 10. November 1938 hinaus konnte sich auch hier kein jüdisches Geschäft mehr halten. In der Kristallnacht wurde von zum Teil einheimischen SS-Leuten die Inneneinrichtung der Synagoge und des jüdischen Gemeindehauses vollständig demoliert. Dabei wurden Bücher, Manuskripte, das Klavier, zwei alte Geigen sowie Wäsche und Kleidung des langjährigen Religionslehrers Rosenfelder, der im Gemeindehaus wohnte, zerschlagen und auf die Straße in den Schnee geworfen. Wegen der dichten Bebauung konnten die Gebäude nicht, wie geplant, angezündet werden. Mit Mühe konnte eine Sprengung verhindert werden. Die jüdischen Männer wurden einige Wochen im KZ Dachau festgehalten, kehrten aber alle wieder zurück. Bis 1940 war ungefähr die Hälfte der Ladenburger Juden vornehmlich nach den USA, einige auch nach Palästina, England und Australien ausgewandert. Die 27 Juden, die in Ladenburg geblieben waren, wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Soweit bekannt, wurden 6 davon befreit, mindestens 10 haben in der Deportation das Leben verloren.

Das ehemalige jüdische Gemeindehaus dient heute als Wohn- und Geschäftshaus. Die ehemalige Synagoge in der Hauptstraße hat bislang keine Verwendung gefunden und befindet sich deshalb noch in ruinösem Zustand. Der unbelegte Teil des jüdischen Friedhofs wurde nach 1945 an die politische Gemeinde, die dafür die Pflege der jüdischen Gräber besorgt, zur Vergrößerung des christlichen Friedhofs verkauft.

In Edingen lebte ein Jude mit seiner katholischen Familie. Er war dem jüdischen Gemeindehandbuch zufolge der Ladenburger Gemeinde angeschlossen, wurde 1945 noch nach Theresienstadt deportiert, konnte aber wieder in seinen Heimatort zurückkehren.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Schuch, Christian Theophil, Politische und Kirchengeschichte von Ladenburg und der Neckarpfalz, 1843. 
  • Sievert, Albert J., Lopodunum-Ladenburg 98 bis 1898, 1900.

Ergänzung 2023:

Die ehemalige Synagoge wurde 1967 aufgrund von Baufälligkeit abgerissen.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Ladenburg, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Die jüdischen Ladenburger. Ein Beitrag zur Stadtgeschichte, hg. von Arbeitskreis jüdische Geschichte, 1995.
  • Germania Judaica, Bd.2, 1. Halbband, hg. von Zvi Avneri, Tübingen 1968, S. 462.
  • Germania Judaica, Bd.3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 698.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Hoffmann, Karl, Die Juden in Ladenburg, in: Der Lobdengau 3 2 (1985).
  • Huth, Hans, Die Kunstdenkmäler des Landkreises Mannheim, in: Die Kunstdenkmäler Badens X,3 (1967), S. 212-213.
  • Kolb, Klaus, Historisches Ladenburg. Ein Führer zu den Sehenswürdigkeiten der Altstadt und der näheren Umgebung, 1998.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 349-361.
  • Zieher, Jürgen, „Die Gemeinde galt als Mustergemeinde im Musterländle“. Jüdisches Leben in Ladenburg von 1291 bis 1945, in: Ladenburg. Aus 1900 Jahren Stadtgeschichte, hg. von Hansjörg Probst, Ubstadt/Weiher 1998, S. 671-720.
  • Zieher, Jürgen, Spuren jüdischen Lebens in Ladenburg. Ein Rundgang, hg. von der Stadt Ladenburg, 2011.
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