Jüdische Gemeinden bis 1945

In diesem Teil des Themenmoduls finden Sie Informationen zur Geschichte der einzelnen jüdischen Gemeinden in Baden und Württemberg bis 1945. Die Beiträge stammen aus zwei Studien, die in den 1960er-Jahren von der Archivdirektion Stuttgart herausgegeben wurden. Die Studien werden hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Jedem Beitrag wurde eine Literaturliste angefügt, die es ermöglicht, sich mit dem aktuellen Forschungsstand zur Geschichte des jeweiligen Ortes vertraut zu machen. Im Folgenden finden Sie Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studien.

Die Texte zu den einzelnen Gemeinden können Sie über das Dropdown-Menü in der Themennavigation rechts direkt ansteuern. Klicken Sie auf den Pfeil neben „Baden“, „Hohenzollern“ oder „Württemberg“, dann öffnet sich eine alphabetische Liste der Gemeinden. Falls Sie LEO-BW über ein mobiles Gerät nutzen, finden Sie die Themennavigation ganz unten.

 

Dokumentationsstelle zur Erforschung der Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs in der NS-Zeit 1933-1945

 „Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern“ von Paul Sauer aus dem Jahr 1966 [Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg]  
„Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern“ von Paul Sauer aus dem Jahr 1966 [Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg]

Die Archivdirektion Stuttgart gab in den 1960er-Jahren zwei Überblickswerke zur Geschichte der jüdischen Gemeinden in Baden, Württemberg und Hohenzollern heraus: Paul Sauers Studie „Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern: Denkmale, Geschichte, Schicksale“ erschien 1966 als Band 18 in den Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg. 1968 folgte Band 19: „Die Jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale“ von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey. Die Autoren fassten in diesen Veröffentlichungen Informationen zur Geschichte von über 200 jüdischen Gemeinden in Baden, knapp 100 jüdischen Gemeinden in Württemberg und drei jüdischen Gemeinden in Hohenzollern zusammen.

Die Studien von Paul Sauer, Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey gingen aus der Arbeit der „Dokumentationsstelle zur Erforschung der Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der NS-Zeit 1933-1945“ hervor. Die Dokumentationsstelle war 1962 aufgrund eines Beschlusses des Landtags von Baden-Württemberg eingerichtet worden. Die Archivare um Paul Sauer trugen sechs Jahre lang verschiedene Quellen staatlicher und kommunaler Dienststellen zusammen, sammelten aber auch Erlebnisberichte von Betroffenen, sowie Fotos und Zeitungsartikel. Mit Hilfe eines Erhebungsbogens dokumentierten sie die Verfolgungsgeschichten zahlreicher Jüdinnen und Juden aus Baden-Württemberg sortiert nach Orten.

Das umfangreiche Material, das die Dokumentationsstelle zusammengetragen hatte, mündete in Bestand EA 99/001 „Dokumentationsstelle zur Erforschung der Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der NS-Zeit 1933-1945“ des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Dieser Bestand ist mittlerweile digitalisiert und im Onlineangebot des Landesarchivs abrufbar: Dokumente und Fotos zu einem bestimmten Ort können also jederzeit online recherchiert und direkt eingesehen werden. Zur Einführung in die Recherche in diesem und anderen digitalisierten Beständen zur jüdischen Geschichte Baden-Württembergs empfehlen wir die Recherche-Tipps im Themenmodul.

Überblicks-Studien als Volltext

 Titel der Studie „Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale“ von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey aus dem Jahr 1968 [Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg]  
Titel der Studie „Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale“ von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey aus dem Jahr 1968 [Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg]

In den Überblicksstudien zu den jüdischen Gemeinden in Baden, Württemberg und Hohenzollern beschränkten sich die Autoren nicht auf die von der Dokumentationsstelle schwerpunktmäßig untersuchte NS-Zeit, sondern gingen auch ausführlich auf die in vielen Fällen mehrere Jahrhunderte zurückreichende Geschichte der jüdischen Gemeinden ein. Dieser epochenübergreifende Ansatz und die breite Quellenbasis machen die Studien von Sauer, Hundsnurscher und Taddey auch für die jüngere Forschung zur Geschichte jüdischer Gemeinden in Baden-Württemberg so ergiebig, dass sie weiterhin häufig zitiert werden.

Das Landesarchiv hat sich daher entschieden, die bislang nur gedruckt zugänglichen Studien als Volltext zugänglich zu machen. Zur besseren Lesbarkeit wurde der Text an die geltende Rechtschreibung angepasst. Der Inhalt, sprachliche Formulierungen und sämtliche im Text angegebenen Zahlen wurden nicht aktualisiert - sie geben den Stand der Forschung von 1966 (Sauer) und 1968 (Hundesnurscher/Taddey) wider.

Heute, über 50 Jahre später, entsprechen die Texte nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand. Sie sind daher als historische Quelle zu betrachten und bilden eine erste Phase der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in der deutschen Erinnerungskultur ab. [1] Um dies deutlich zu machen, ist jedem Text ein Hinweis auf den Entstehungskontext vorangestellt.

Aus heutiger Perspektive sticht bei der Lektüre der Studien aus den 1960er-Jahren der zeittypische Sprachgebrauch ins Auge. So verwenden Sauer, Hundsnurscher und Taddey immer wieder Begrifflichkeiten der Nationalsozialisten – wie etwa den Begriff „Kristallnacht“ als Bezeichnung für die organisierten Brandanschläge auf Synagogen in ganz Deutschland am 9. November 1938, die vielerorts mit Misshandlungen jüdischer Menschen, Plünderungen jüdischer Geschäfte und der Deportation jüdischer Männer in Konzentrationslager verbunden waren. [2] Um den Quellencharakter der Studien zu erhalten, sind auch aus heutiger Sicht problematische Begriffe beibehalten und nicht an den heutigen Sprachgebrauch (beispielsweise Ersetzung von „Kristallnacht“ durch „Novemberpogrom“ oder „Novemberterror“) angepasst worden.

Seit dem Erscheinen der Studien von Paul Sauer, Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey sind zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen zu jüdischen Gemeinden in Baden und Württemberg erschienen. Bürgerschaftliche Initiativen haben vielerorts durch Recherchen, den Aufbau von Kontakten zu Überlebenden, den Einsatz für eine Restaurierung ehemaliger Synagogen, den Aufbau von Gedenkstätten und die Verlegung von Stolpersteinen einen großen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der jüdischen Gemeinden und der Verfolgung jüdischer Menschen in der NS-Zeit geleistet. Die kritische Geschichtskultur, die aus diesem bürgerschaftlichen Engagement hervorging, hat auch dazu beigetragen, dass sich Sprachgewohnheiten geändert haben.

Eine Literaturliste bietet einen schnellen Einstieg für alle Interessierten, um sich mit dem aktuellen Forschungsstand zur jeweiligen Gemeinde vertraut zu machen. Aufgrund der Vielzahl der Neuerscheinungen sind wir dankbar für Hinweise auf fehlende Literatur über die Kommentarfunktion.

Ältere Überblicksdarstellungen von jüdischen Autoren

Diese grundlegenden Arbeiten zur Geschichte der Juden im Südwesten wurden von jüdischen Historikern bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert veröffentlicht:

  • Tänzer, Aron, Die Geschichte der Juden in Württemberg, Frankfurt a.M. 1937.
  • Löwenstein, Leopold, Geschichte der Juden in der Kurpfalz. Beiträge zur Geschichte der Juden in Deutschland, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1895. [Online zugänglich über die Universitätsbibliothek Heidelberg: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/loewenstein1895bd1]
  • Rosenthal, Berthold, Heimatgeschichte der Badischen Juden, Bühl (Baden) 1927. [Online zugänglich gemacht von der Goethe Universität Frankfurt auf europeana.eu]
  • Rieger, Paul, Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg, hg. von Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Stuttgart 1932.

Aktuelle Überblicksdarstellungen

Hier finden Sie eine Auswahl besonders relevanter, aktueller Literatur (Stand März 2023):

  • Ausgrenzung. Raub. Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, hg. von Heinz Högerle/Peter Müller/Martin Ulmer, Stuttgart 2019.
  • Baumann, Ulrich: Zerstörte Nachbarschaften. Christen und Juden in badischen Landgemeinden 1862-1940, Hamburg 2000.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus“ Synagogen in Baden-Württemberg, hg. von Rüdiger Schmidt/Meier Schwarz, Stuttgart 2007.
  • Jüdisches Leben in Baden 1809 bis 2009. 200 Jahre Oberrat der Israeliten Badens, hg. von Oberrat der Israeliten Badens, Ostfildern 2009.
  • Kaufmann, Uri, Kleine Geschichte der Juden in Baden, Karlsruhe 2007.
  • Mohr, Günther, „Neben, mit Undt bey Catholischen“. Jüdische Lebenswelten in der Markgrafschaft Baden-Baden 1648-1771, Köln u.a. 2011.
  • Nebeneinander, Miteinander, Gegeneinander? Zur Koexistenz von Juden und Katholiken in Süddeutschland im 19. und 20. Jahrhundert, hg. von Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Laupheimer Gespräche 2000, Gerlingen 2002.
  • Sauer, Paul/Hosseinzadeh, Sonja, Jüdisches Leben im Wandel der Zeit. 170 Jahre Israelitische Religionsgemeinschaft. 50 Jahre neue Synagoge in Stuttgart, hg. von Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs KdöR, Gerlingen 2002.

Anmerkungen

[1] Zum Begriff „Kristallnacht“ Christoph Kreutzmüller und Bjoern Weigel: Kristallnacht? Bilder der Novemberpogrome 1938 in Berlin, Berlin 2013, S. 4-6 und Ulrich Baumann, Wie wird man diesen Tag in der Geschichte nennen?, Werkstattbericht Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, 18. November 2018, URL: https://www.stiftung-denkmal.de/aktuelles/werkstattbericht/vortrag-wie-wird-man-diesen-tag-in-der-geschichte-nennen-der-terror-im-november-1938-im-deutschen-reich-ereignisse-und-erinnerung-im-schweriner-dokumentationszentrum-des/ (aufgerufen am 13.12.2022).
[2] Zur Aufarbeitung der NS-Geschichte in Deutschland: Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Ein Kompendium, hg. von Magnus Brechtken/Frank Bajohr/Andrea Bambi/Arnd Bauerkämper, Göttingen 2021.

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