Freiburg im Breisgau mit Elzach und Neustadt im Schwarzwald

Die Synagoge in Freiburg, vor 1938. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört und anschließend gesprengt. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 502]
Die Synagoge in Freiburg, vor 1938. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört und anschließend gesprengt. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 502]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Freiburg wurde 1120 von Herzog Konrad von Zähringen als Handelsstadt gegründet. Nach dem Aussterben der Zähringer mit Berthold V. kam die Stadtherrschaft an die Grafen von Urach, die sich seitdem Grafen von Freiburg nannten und auf der Burg residierten. 1368 begab sich die Stadt unter habsburgische Landeshoheit, nachdem die Bürger im Kampf gegen ihren Grafen das Freiburger Schloss zerstört hatten, im Felde jedoch von ihm geschlagen worden waren. 1651 siedelte die vorderösterreichische Regierung von Ensisheim im Elsass nach Freiburg über. Im Reichskrieg 1677 fiel die Stadt in französische Hände und wurde erst im Frieden von Ryswyk 1697 wieder an Österreich zurückgegeben. 1713/14 und 1796/1800 befand sich die Stadt erneut unter französischer Herrschaft. Im Frieden von Preßburg 1805 fiel Freiburg an Baden.

Vermutlich besuchten nicht lange nach der Gründung Freiburgs auch jüdische Kaufleute den neuen Markt- und Handelsplatz; denn im 12. Jahrhundert gehörten die Juden noch zu den „wagenden Kaufleuten", die am Welthandel teilnahmen und von den Märkten noch nicht vertrieben waren. Sichere Nachrichten aus der Zeit der Zähringer Herzöge sind weder über eine Handelstätigkeit noch über ein Sesshaftwerden von Juden in Freiburg erhalten. Die älteste Urkunde, die uns über ihre Anwesenheit bei Freiburg berichtet, stammt vom 13. August 1230.

Kaiser Friedrich II. weilte damals in Italien. Dieser Umstand mag Egino I. von Urach-Freiburg verleitet haben, von den kaiserlichen Schutzjuden in Freiburg für seine eigenen Zwecke Steuern und Zölle zu verlangen. Da die Juden als Kammerknechte des Kaisers ein solches Ansinnen ablehnten, ließ sie der Graf kurzerhand einkerkern. Obschon diese Eigenmächtigkeit einen Eingriff in die kaiserlichen Rechte bedeutete, verzieh der Reichsverweser Heinrich 1230 dem Grafen. Es ist nicht sicher geklärt, ob sich die Maßnahmen des Grafen gegen in Freiburg wohnende Juden richteten oder gegen durchreisende Händler. Nachweisbar sind Juden in der Stadt selbst erst seit 1281. Sie mussten in dieser Zeit dem Grafen Schutzgeld zahlen. Am 10. November 1282 verlieh König Rudolf I. Freiburg die Rechte und Freiheiten einer Reichsstadt. Bei dieser Gelegenheit ging auch das Judenregal vom Kaiser auf die Grafen von Freiburg über. 1309 bezog ein Freiburger Jude Einkünfte aus dem Münstertal, wo zeitweilig Silber gewonnen wurde. In wenigen Jahren vermehrte sich die Zahl der Juden, die bald eine eigene Gemeinde mit einem Bethaus bildeten. Von 1323 an traten sie als Getreidehändler und vor allem Geldgeber der Stadt und der stets verschuldeten Stadtherren in Erscheinung. Im Jahre 1323 zahlten sie an Graf Konrad für den Schutz in den nächsten sechs Jahren 400 Mark Steuern.

Die Konkurrenz, die sie für die in der Stadt einflussreichen Geschäftsleute bildeten, wurde auf die Dauer für sie gefährlich. Bei öffentlichen Theateraufführungen, besonders in Fastnachtsspielen, kam es häufig vor, dass die Juden verunglimpft wurden. Als 1338 die Privilegien der Freiburger Juden erneuert wurden, verlangten sie deshalb von Bürgermeister und Rat, dass „niemand ein Spiel machen solle, das den Juden zu Laster oder Schande gereichen möge". Schlimmere Auswirkungen als Fastnachtsspiele hatte das Gerede von Brunnenvergiftungen, das 1348 bei Ausbruch des Schwarzen Todes aufkam. In Freiburg legte der Jude Maiger Natze unter der Folter das Geständnis ab, dass er in die Brunnenstube der Stadt ein Säckchen mit Gift eingelegt und danach die ausgebrochenen Steine an der Brunnenstube wieder zusammengefügt habe. Der Jude Jokeli Jolieb gestand, ein Jude aus Basel mit Namen Swedewin habe 24 Gulden dafür erhalten, dass er Gift in die Brunnen lege. Das Gift hätten die Juden in Basel mit dem ausdrücklichen Verlangen geliefert, alle Brunnen zwischen Freiburg, Breisach und Endingen zu vergiften. Auch aus Waldkirch sollten die Freiburger Juden Brunnengift erhalten haben, das angeblich Anselm von Veringen aus Jerusalem mitgebracht hatte und das nur den Christen den Tod brächte, wenn sie von dem Wasser tränken, während es den Juden unschädlich sei. Im Grunde waren es die Schrecken der Pest, die die Menschen verwirrten, den neidischen Geschäftsleuten aber die Gelegenheit boten, sich die jüdischen Konkurrenten und Gläubiger vom Halse zu schaffen und sich an ihrem Vermögen zu bereichern. Deshalb wurden den Juden solche unmöglichen Taten angedichtet. Am 30. Januar 1349 wurden in Freiburg die Juden verbrannt. Als Ort der Hinrichtung wird die „Galgen und Rädle Matte" bei der Kapelle hinter der Basler Straße vermutet. Nur die zwölf reichsten Juden, die schwangeren Frauen und die Kinder wurden am Leben gelassen. Die Kinder wurden getauft, die Erwachsenen aber nach Eintreibung der Ausstände vertrieben. Die Juden wohnten zu dieser Zeit in etwa zehn Häusern in der Wasserstraße, wo sich ihre Synagoge befand, und in der benachbarten Weberstraße. Ihre Toten bestatteten sie in Sulzburg oder Breisach, vielleicht auch auf dem jüdischen Friedhof im Dettelbachtale bei Waldkirch, den 1504 die Herren von Staufen als Weideplatz erhielten, nachdem die Waldkircher Juden wegen einer Ritualmordbeschuldigung vertrieben worden waren. In der Judenschule und den anliegenden Wohnhäusern richtete man das bürgerliche Bräuhaus ein. Aber schon nach wenigen Jahren durften die Juden wieder zurückkommen. Am 16. August 1360 erhielt der Graf von Freiburg vom Kaiser ein Schutzprivileg über die Juden, die „in der Stadt wohnhaft werden oder sind".

Am 8. Mai 1368 kaufte sich die Stadt vom Grafen Egon los und begab sich unter die Herrschaft Österreichs. Der Graf verzichtete dabei auch auf die Münze und die Juden zu Freiburg. Österreich erhielt das Recht, in die Stadt Juden aufnehmen zu dürfen. Zu ihrem besseren Schutz sollten von ihren Abgaben zwei Teile die Herrschaft und einen Teil die Stadt erhalten. 1373 erhielt Meister Guotleben, der „Arzet", mit seinem Sohn Isaak und mit Mathias, Eberlins Sohn von Kolmar, Aufnahme für zwei Jahre. An Schutzgeld zahlte er der Herrschaft 20 und der Stadt 10 Gulden. Nach der Zahl der jüdischen Häuser befanden sich 1385 schätzungsweise 50 bis 60 Juden in Freiburg. Aus dem Gewerftbuch von 1385 ergibt sich weiter, dass sie wieder ihre alten Häuser in der Wasserstraße und ihre ehemalige Judenschule besaßen. Neben dem Arzt Guotleben wird 1399 auch ein Judenschulmeister Dodorus (Theodor) erwähnt.

Um das Zusammenleben zwischen Christen und Juden nach dem Wiederauftreten von ernsten Schwierigkeiten zu ordnen, erließ Erzherzog Leopold von Österreich 1394 für Freiburg eine Judenordnung, in die auch die von Papst Innozenz III. erlassenen Kleidervorschriften und die Anordnung der Osterklausur aufgenommen wurden. Die Juden mussten jetzt in der Karwoche vom Mittwoch bis zum Ostermontag in ihren Quartieren bleiben und zusätzlich die Fenster und Türen, die sich zu den Christenhäusern öffneten, verschlossen halten. Ein Jude, welcher einem Priester beim Versehgang begegnete, musste augenblicklich fliehen und sich verbergen. Sie hatten Mäntel und hohe Gugelhüte zu tragen; Kleider von roter oder grüner Farbe waren ihnen verboten. Für Darlehen durften sie keine willkürlichen Zinsen fordern. Wer die Stadt verlassen wollte, musste es zwei Monate vorher in der Kirche von der Kanzel verkündigen lassen, damit die Pfänder eingelöst werden konnten.

Obwohl diese Ordnung die Freiheit der Juden sehr beschnitt, waren die Freiburger Bürger damit noch keineswegs zufriedengestellt. Erzherzog Leopold musste sich schließlich ihrem Wunsche fügen und die Juden aus der Stadt vertreiben. Gegen eine Abfindungssumme einigte er sich am 4. Juli 1401 mit der Stadt, dass weder die ortsangehörigen Juden noch andere wieder bis in Ewigkeit in Freiburg sein dürften. Diese „Ewigkeit" dauerte nur bis zum 28. Juni 1411. An diesem Tag gestattete Herzog Friedrich dem Juden Salomon und zwei anderen, welche dieser benennen wollte, mit ihrem Hausgesinde in Freiburg unbehelligt in drei Häusern zu wohnen und bei den alten Freiheiten ihr Gewerbe zu treiben. Durch Sparsamkeit und klugen Handel kamen sie bald wieder zu Vermögen. Als sie aber anfingen, ihre Ausstände bei den Christen gerichtlich einzutreiben, wurde der Hass gegen sie erneut geweckt. Am 22. Februar 1424 gab Kaiser Sigismund, der die Lande des Erzherzogs Friedrich während dessen Acht von 1415-1425 verwaltete, Freiburg die Zustimmung zur Austreibung der Juden unter der Bedingung, dass ihnen kein Schaden an Leib oder Gut zugefügt werde. Auch aus den übrigen Breisgaustädten wurden in diesem Jahre die Juden ausgewiesen. Erzherzog Friedrich verpflichtete sich bei der Wiederübernahme seiner Lande den Breisgaustädten gegenüber, dass er sie nicht nötigen werde, Juden aufzunehmen. Die Synagoge und die Judenhäuser in Freiburg gingen endgültig in den Besitz der Stadt über. Die Vertriebenen fanden Aufnahme in den Dörfern der oberen badischen Markgrafschaft und des Hochstifts Basel (Sulzburg, Schliengen, Weil). Seit 1446 durften sie sich auch wieder in den Freiburg benachbarten Orten Breisach, Krozingen, Gottenheim und Neuershausen niederlassen. Nach Freiburg selbst durften sie nicht zurückkehren, doch hielten sie ihre Beziehungen zu der Stadt aufrecht. Ließen sie sich jedoch dort blicken, wurden sie verhöhnt und nicht selten blutig geschlagen. 1520 nahm Freiburg die Judenordnung, die König Ferdinand 1516 für ganz Österreich erlassen hatte, in die „Neuen Stadtrechte" auf, die allen Einwohnern bei empfindlicher Strafe, im Wiederholungsfalle Stadtverweisung, verbot, mit Juden zu handeln, etwas von ihnen auszuleihen oder anzunehmen oder sonstwie „Gemeinschaft" mit ihnen zu haben. Juden, die in die Stadt kamen, mussten sich vom Stadtknecht begleiten lassen und ihm für jede Stunde einen Schilling zahlen. Noch 1559 bot der Jude Nathan Ulmus aus Staufen der Stadt Freiburg vergeblich eine beliebige Summe Geldes an, wenn er ohne Begleitung des Stadtknechtes frei in der Stadt seinem Gewerbe, dem Handel, nachgehen dürfe. 1523 setzte es die Stadt mittels einer Beschwerde bei Erzherzog Ferdinand sogar durch, dass die außerhalb Freiburgs begüterten Grundherren von Krozingen (Stoffel von Neuenfels) und Gottenheim (Konrad Schnewlin) die in ihre Dörfer aufgenommenen Juden ausweisen mussten. 1552 erzwang die vorderösterreichische Regierung, dass die durchreisenden Juden wenigstens beim „Ziegler" in der Vorstadt Wiehre übernachten durften. Vergeblich sträubte sich die Stadt, als in den Jahren 1700 und 1732 die Armeelieferanten Oppenheimer und Sintzenheimb aus Mannheim ihre Kontore in der Stadt eröffneten und jüdische Schreiber hielten, zu denen dann auch jüdische Kaufleute kamen. Den Interessen des Krieges mussten sich die Interessen der Stadt beugen. Auch das Toleranzedikt Josefs II. änderte nichts in Freiburg an der ablehnenden Haltung den Juden gegenüber. Am 17. Februar 1791 erhielt an der Freiburger Universität als erster Jude Simeon Hochheimer von Veitshöchheim die medizinische Doktorwürde. Dass er mehrere Monate „bey H. Hagenbuch, Schwerdtwirth bei Oberlinden im Quartier" war, hat der städtische Chronist wohl deshalb besonders vermerkt, weil Simeon Bürger der Universität war. Die Stadt selber suchte sich weiterhin von Juden frei zu halten. Gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts hatte allerdings eine hebräische Druckerei in Freiburg bestanden.

Selbst unter badischer Herrschaft verweigerte Freiburg 1809 im Widerspruch zur damaligen badischen Verfassung den Juden, sich als Bürger in der Stadt niederzulassen. Die Karlsruher Regierung musste es dabei bewenden lassen und verlangte nur den freien Verkehr und zeitweiligen ungehinderten Aufenthalt auswärtiger Juden in Freiburg. Zu diesem Zweck erhielt der Schildwirt „Zum Geist", Lorenz Steiert, 1809 auf Lebenszeit das Recht, in seinem Privathaus in der Grünwälderstraße eine Judenwirtschaft einzurichten und jüdische Bedienstete anzustellen, die ihre Glaubensgenossen mit koscherer Kost und Getränken versorgen konnten.

Steiert verpachtete die Lizenz an den Eichstettener Juden Heinrich Weil, der als erster Judenwirt auch gleichzeitig der erste in Freiburg sesshafte Jude geworden ist. 27 Jahre blieb er Freiburger Judenwirt. Seine 1824 in Freiburg geborene Tochter ist die erste jüdische Freiburgerin genau 400 Jahre nach der letzten Vertreibung der Freiburger Juden geworden. Weil zahlte pünktlich seinen Pachtzins an die Stadt, die inzwischen die Verpachtung wieder selbst übernommen hatte, beachtete sorgfältig alle Pflichten als Wirt, lebte zurückgezogen und schickte seine Kinder in die Freiburger Volksschule. Sein korrektes Verhalten beseitigte das tiefeingewurzelte Misstrauen der Stadtverwaltung gegen die Juden und ermöglichte weiteren Glaubensgenossen den Zuzug. 1846 lebten bereits 20 Juden in Freiburg. Max Weil aus Eichstetten war als Musiker und Skribent am Freiburger Theater angestellt. 1849 erhielt der Rechtsanwalt Naphtali Näf aus Wangen das volle Bürgerrecht. Sofort erhob sich eine heftige Kampagne gegen diesen Beschluss des Bürgerausschusses. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung entzog der Gemeinderat wegen geringfügiger Formfehler 1850 Näf wieder das Bürgerrecht. Im gleichen Jahr ernannte ihn die Regierung zum Advokaten und Prokurator beim Hofgericht Freiburg. Zwanzig Jahre später zog er als nationalliberaler Abgeordneter für den Wahlbezirk Freiburg in die Zweite Kammer des badischen Landtags ein.

Das Gleichstellungsgesetz von 1862 öffnete auch die Tore Freiburgs endgültig für die Juden. Im Februar 1863 schlossen sich die Freiburger Juden unter dem Vorsitz von Heinrich Zivi-Lang zur „Israelitischen Religionsgesellschaft Freiburg" zusammen. Die badische Regierung bestätigte sie am 14. Oktober 1864 als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Am 11. Januar 1865 wurde aus 35 wahlfähigen Juden der Synagogenrat gewählt. Die neue Gemeinde, in der die Mannheimer Gottesdienstordnung eingeführt worden war, wurde der Bezirkssynagoge Breisach unterstellt, deren Sitz im Dezember 1885 nach Freiburg verlegt wurde. Erster Rabbiner war Adolf Lewin, der die erste Geschichte der badischen Juden geschrieben hat. Der Rabbinatsbezirk Freiburg umfasste die Gemeinden Breisach, Eichstetten, Ihringen, Emmendingen und Freiburg im Breisgau.

Die neu gegründete Gemeinde mietete 1863 zunächst einen Betsaal im Haus Nr. 838 (heute Hinterhaus zu Schusterstraße 27). 1869/70 wurde mit finanzieller Unterstützung durch die Mannheimer Gemeinde nach dem Entwurf des Gewerbeschulhauptlehrers Jakob Schneider in der Werderstraße eine Synagoge erbaut, die um 1925 vergrößert und renoviert wurde. Im 19. Jahrhundert wurden die Toten zunächst in Emmendingen oder Schmieheim beigesetzt. 1870 legte die Gemeinde an der Hugstetter Straße einen eigenen Friedhof an. Die jüdischen Kinder wurden seit 1867 in einem Klassenzimmer in der evangelischen Schule neben der Ludwigskirche unterrichtet. Als die Schülerzahl zunahm, mussten bald größere Räume in der katholischen Volksschule im Breisacher Tor und 1875 in der früheren Lateinschule in der Herrenstraße bezogen werden. Die Aufhebung der Konfessionsschulen löste im Jahre darauf die Schulraumfrage von selbst.

Die Zahl der jüdischen Einwohner war bis 1875 auf 559 angewachsen. 1900 zählte Freiburg 1.013 und 1925 1.399 Juden, rund 1,6 Prozent der Einwohner. 1933 war die Zahl schon auf 1.138 zurückgegangen. Die Freiburger Juden kämpften als Soldaten im deutsch-französischen Krieg 1870. Rabbiner Dr. Lewin war damals einer der beiden jüdischen Feldgeistlichen des deutschen Heeres. Im Ersten Weltkrieg befanden sich unter den 3.388 Freiburger Gefallenen 36 jüdische Soldaten. In den wenigen Jahren, die die jüdische Gemeinde Freiburg bestanden hat, haben ihre Mitglieder eine stattliche Zahl z. T. bedeutender wirtschaftlicher Unternehmen gegründet.

Neben Textilgeschäften wie z. B. den Firmen Gehr. Gros, Guggenheimer & Neumetzger, Josef Plaut, Tobias Lippman, betrieben die Juden Eisenwarenhandlungen (Gebr. Günzburger oHG, Simon Epstein, B. Roeder u. a.), Leder- und Lederwarenhandlungen (Heinrich Bloch Nachf., Leser & Mayer, P. I. Demuth Nachf.), Schuhgeschäfte (Wiener Schuhhalle, Schuhhaus Hansa, Schuhhaus Rosenberger), Häute-, Darm- und Metzgereibedarfsartikelhandlungen, Mehl-, Getreide- und Futtermittelgeschäfte, Tabakwarengroßhandlungen, Möbelgeschäfte sowie Maschinenhandlungen. Erwähnt werden müssen auch noch das 1879 gegründete Bankhaus Elias Mayer oHG und das Warenhaus Knopf oHG.

Außer den Handelsbetrieben gab es in Freiburg eine ganze Reihe jüdischer Produktionsbetriebe, von denen hier ebenfalls nur einige genannt seien: Sterna Nährmittelfabrik (Gehr. Epstein oHG), Freiburger Möbelfabrik (Gehr. Springer oHG), Sägewerk und Holzhandlung Simon Veit oHG, Kartonagenfabrik Sternweiler, Spielwarenfabrik Jacks & Co. GmbH., Zigarrenfabrik Gebr. Kahn, Bürstenfabrik Rotatra und Eugen Nelson & Cie., Pharmazeutische Fabrik F. Rosenberg, Hosenträger- und Gürtelfabrik A. Braun & Cie., Gold- und Silberscheideanstalt Dr. J. Braun & Co. GmbH., die Brennereien „Oberbadische Branntweinbrennerei oHG", Samuel Bloch & Co. sowie die Breisgaubrennerei Greilsamer & Dreifuß.

Etwa ein Dutzend jüdischer Ärzte praktizierte vor 1933 in Freiburg. Jüdische Zahnärzte und Rechtsanwälte waren ähnlich zahlreich vertreten. Juden waren ferner ein Apotheker, zwei Ingenieure, ein Geologe, ein Architekt, sowie mehrere Gymnasial- und Volksschullehrer. Am Freiburger Schauspielhaus wirkten Lilly Conrad und Boris Freudenberg als Opernsänger. Dr. Therese Charlotte Edelstein, Dr. Selma Fliess und Dr. Josef Wallach betätigten sich als Schriftsteller.

An der Freiburger Universität waren 1933 57 sogenannte Volljuden und 78 Halbjuden immatrikuliert, der größte Teil - insgesamt 91 - in der medizinischen Fakultät; weitere 18 studierten Jura. Im wissenschaftlichen Lehrkörper waren 1933 6 ordentliche Professoren, 7 außerordentliche Professoren und 8 Privatdozenten jüdischer Konfession vertreten. Von den Privatdozenten sei nur der verheißungsvolle Biochemiker Hans Adolf Krebs genannt, der 1953 in England zusammen mit Fritz Albert Lippmann den Nobelpreis für Medizin und Physiologie erhielt. In Kiechlinsbergen im Kaiserstuhl wohnte bis zu seiner Emigration der bedeutende Germanist Karl Wolfskehl, aus dessen Feder grundlegende Werke etwa über Goethe stammen. Er starb 1948 in Neuseeland.

1916-1928 lehrte an der Freiburger Universität der Begründer der phänomenologischen Philosophie Edmund Husserl (1859-1938), dessen begabteste, ebenfalls jüdische Schülerin Edith Stein als Karmeliterordensfrau während der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Holland verhaftet und in Auschwitz ermordet wurde. Vor dem Dritten Reich lehrten an der Freiburger Universität die jüdischen Professoren Heinrich Rosin (1855-1927) als Ordinarius für Staatsrecht; Otto Lenel (1849-1935), der Arbeiten zur Wiederherstellung römischer Rechtsquellen schrieb; Hermann Ulrich Kantorowicz, der sich 1908 für Strafrecht, Rechtsphilosophie und Geschichte der Rechtswissenschaft habilitierte und 1927 nach Kiel berufen wurde. Edwin Goldmann (1862-1913) hat sich als Krebsforscher, Emil Bloch (1847-1920) um die Ohrenheilkunde verdient gemacht.

In der verhältnismäßig kurzen Zeitspanne seit 1863 hatte sich eine Vielzahl von Vereinen in der jungen Gemeinde gebildet. Die Wohlfahrtspflege unterstand dem Fürsorgeausschuss. Um hilfsbedürftige Frauen kümmerte sich besonders der Frauenverein, während der Kranken- und Sterbeverein die Sorge um Lebende und Tote als Aufgabe ansah. Außerdem gab es eine Darlehenskasse und mehrere Stiftungen wie den Waisenfonds oder die Gustav-und-Dr.-Robert-Weil-Stiftung, die Tuberkulosekranken Kuren ermöglichte.

Die Anhänger der verschiedenen Richtungen des Judentums hatten sich im liberalen und im orthodoxen Verein zusammengeschlossen. Die zionistische Ortsgruppe umfaßte 1936 55 Mitglieder. Auch der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, der Centralverein und die Agudas Jisroel waren in Ortsgruppen organisiert. Der Chorverein pflegte den Synagogengesang. Der Präsident der Breisgau-Loge im Unabhängigen Orden B'ne B'rith hatte seinen Sitz in Freiburg.

Die hoffnungsvolle Entwicklung der jüdischen Gemeinde Freiburg fand nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein rasches Ende. Den jüdischen Universitätsprofessoren wurde 1933-1935 die venia legendi entzogen, die Zahl der jüdischen Studenten begrenzt, so dass ihr prozentualer Anteil an der Studentenschaft dem Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung entsprach. Ein entsprechender Antrag war 1930 vom Studentenausschuss bei der ersten Abstimmung mit 22 gegen 3 Stimmen abgelehnt worden und ein zweiter Antrag, durch den die Korporationen die Situation im Sinne gemäßigter nationaler Einstellung zu retten versuchten, mit 15 gegen 10 Stimmen ebenfalls der Ablehnung verfallen.

Die jüdischen Geschäfte erlitten durch den Boykott am 1. April 1933 starke Einbußen. 1935 forderte die NS-Frauenschaftsführerin alle deutschen Frauen Freiburgs auf, jüdische Geschäfte zu meiden. Beim Räumungsverkauf jüdischer Geschäfte spielten sich wüste Szenen ab, wenn Naziabteilungen den Käufern den Zutritt zu verwehren suchten. 1934 erzwang die Hitlerjugend die Entfernung des Buches mit den Predigten Kardinal Faulhabers über „Judentum, Christentum und Germanentum" aus den Schaufenstern. Im Sommer 1935 verbot man den Juden den Besuch der öffentlichen Schwimmbäder und drohte ihnen in der Presse üble Behandlung an, wenn sie sich dennoch sehen ließen. Für die jüdischen Kinder musste 1935/36 eine eigene Schule eingerichtet werden. In dieser Zeit trat der langjährige Rabbiner Dr. Julius Zimels in den Ruhestand und wanderte nach Palästina aus. Seine Stelle übernahm Dr. Siegfried Scheuermann.

In den frühen Morgenstunden des 9. November 1938 sprengten SA- und SS-Leute die Freiburger Synagoge. Der Rabbiner wurde aus dem Bett geholt und musste die Vernichtung seines Gotteshauses mit ansehen. Über 100 Freiburger Juden wurden nach Dachau abtransportiert. Prof. Dr. Ernst Beck und der Apotheker Julius Friedberg kamen im KZ Dachau um. Dr. Scheuermann erhielt die Auflage, innerhalb von 30 Tagen Deutschland zu verlassen und rettete sich nach den USA. Die jüdische Gemeinde musste für den Abbruch der Synagogenruine aufkommen. Gottesdienst konnte bald wieder im Betsaal der orthodoxen Juden im wenig beschädigten Gemeindehaus gefeiert werden.

Von den 1138 jüdischen Einwohnern, die 1933 in Freiburg wohnten, konnten 657 (57,7 Prozent) auswandern: 181 nach den USA, 106 nach Frankreich, 96 nach Palästina, 68 nach der Schweiz, 63 nach England und 143 in verschiedene andere Länder. 148 starben noch in Freiburg. Am 22. Oktober 1940 wurden aus Freiburg 350 Juden nach Gurs deportiert. Soweit man ihren weiteren Leidensweg noch verfolgen kann, sind von ihnen nur 77 befreit worden. 32 starben in den „Wartezimmern des Todes" Gurs, Noe, Recebedou und Drancy. Mindestens 58 wurden in Auschwitz ermordet. Wahrscheinlich ist auch der Großteil der 183 Vermissten in einem Vernichtungslager umgekommen.

Am 20. August 1942 wurden 44 jüdische Einwohner nach Theresienstadt deportiert. Von den ausgewanderten Juden gerieten etwa 30 wieder in die Arme der Häscher Eichmanns und gingen in den Lagern Westerbork, Auschwitz, Sobibor, Lublin-Maidanek, Theresienstadt, Mauthausen, Buchenwald und Flossenbürg zugrunde. Überlebt haben in Auschwitz Jakob Reichmann und sein Sohn David. Seine Tochter Erna diente ihren Leidensgenossen im Lager Bergen-Belsen als freiwillige Krankenschwester.

Bei der Einnahme des Lagers Theresienstadt durch die Russen am 9. Mai 1945 befanden sich darin 58 Freiburger Juden. Nur 12 von ihnen kehrten in ihre Heimatstadt zurück, während die anderen emigrierten. Zwischen 1942 und 1945 waren zwei Juden illegal in Freiburg zugewandert, die dort den Krieg überstanden. Aus Gurs und aus der Emigration kehrten ebenfalls einige wenige zurück, so dass 1945 die Zahl der jüdischen Einwohner wieder 45 betrug. Viele von ihnen verließen in den ersten Nachkriegsjahren wieder die Stadt und suchten sich eine neue Heimat in anderen Ländern.

1933 waren die Juden von Elzach und Neustadt im Schwarzwald der Freiburger Gemeinde als Filialen angegliedert. In Elzach lebte nur der jüdische Tierarzt Dr. Türkheimer mit seiner Familie. Sie wanderten nach der Kristallnacht in die USA aus. Der Bezirksarzt Dr. Mayer aus Neustadt wurde 1933 als Jude aus dem Staatsdienst entlassen und wanderte mit seiner Familie nach Palästina aus. Ein anderes Ehepaar suchte eine neue Heimat in den USA.

1960 zählte die neue jüdische Religionsgemeinde Freiburg wieder 111, 1963 120 Mitglieder. Als Erbe der von den Nationalsozialisten zerstörten Synagoge sind der neuen Judengemeinde die Thoraschilder bewahrt worden, die nach dem Kriege in einer Pappschachtel auf einer städtischen Dienststelle gefunden wurden. Die unter einem Holzhaufen verborgenen und ebenfalls geretteten Portalflügel der Freiburger Synagoge befinden sich als vorläufiger Beitrag für eine stadtgeschichtliche Ausstellung im Augustinermuseum. An die Synagoge erinnert ein Gedenkstein im Rasen vor dem neuen Kollegiengebäude der Universität.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • 500 Jahre Universität Freiburg, in: Mitt. Blatt des Oberrats 9, Nr. 7, 1957.
  • Laubenberger, Franz/Schwineköper, Berent, Geschichte und Schicksal der Freiburger Juden, in: Freiburger Stadthefte 6, 1963.
  • Lewin, Adolf, Die Juden in Freiburg i. Br., 1890.
  • Rösch, Josef, Die Juden in Freiburg, in: Freiburger Adress-Kalender für das Jahr 1850.
  • Rothschild, Lothar, Der erste Rabbiner in Freiburg. Zur Erinnerung an Dr. Adolf Lewin.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Freiburg im Breisgau, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

Freiburg

  • Badische Synagogen, hg. von Franz-Josef Ziwes, 1997, S. 42-43.
  • Behrend-Rosenfeld, Else R. (Elsbeth Rachel), Ich stand nicht allein. Erlebnisse einer Jüdin in Deutschland 1933-1944, 1979 (Erstauflage Zürich 1945).
  • Blod, Gabriele, Die Entstehung der israelitischen Gemeinde Freiburg 1849-1941, in: Stadt und Geschichte (Neue Reihe des Stadtarchives Freiburg 12), 1988.
  • Bräunche, Ernst Otto, Die „Reichskristallnacht“ in Freiburg, in: Schau-ins-Land 103 (1984).
  • Brucher-Lembach, Andrea, ...wie Hunde auf ein Stück Brot. Die Arisierung und der Versuch der Wiedergutmachung in Freiburg, hg. vom Arbeitskreis Regionalgeschichte Freiburg e.V. (Reihe Alltag und Provinz Bd. 12), 2004.
  • Clausing, Kathrin, Leben auf Abruf. Zur Geschichte der Freiburger Juden im Nationalsozialismus (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau), hg. von Ulrich P. Ecker/Christiane Pfanz-Sponagel/Hans-Peter Widmann, Freiburg 2005.
  • Das Schicksal der Freiburger Juden am Beispiel des Kaufmanns May Mayer und die Ereignisse des 9./10. November 1938. Mit Beiträgen von R. Böhme und H. Haumann, 1989.
  • Germania Judaica, Bd. 2, 1. Halbband, hg. von Zvi Avneri, Tübingen 1968, S. 253-257; III,1 S. 395ff.
  • Haehling von Lanzenauer, Reiner, Gertrud Luckner. Helferin der Bedrängten, in: Reinhold Schneider Blätter. Mitteilungen der Reinhold-Schneider-Gesellschaft, Heft 17 (Mai 2005), S. 35-57.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Hoppe, Andreas/Hoppe, Dorothee, Geowissenschaftler und ihr Judentum im deutschen Sprachraum des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, Bd. 169, Heft 1 (2018), S. 73-95.
  • Lewin, Adolf, Juden in Freiburg i. Br., Trier 1890.
  • Mauer, David, Geburtsort Freiburg. Erinnerungen eines deutsch-jüdischen Engländers, 2001.
  • Paepcke, Lotte, Ein kleiner Händler, der mein Vater war, Heilbronn 1972.
  • Paepcke, Lotte, „Ich wurde vergessen“. Bericht einer Jüdin, die das Dritte Reich überlebte, 1979.
  • Schwineköper, Berent/Laubenberger, Franz, Geschichte und Schicksal der Freiburger Juden. Aus Anlass des 100jährigen Bestehens der israelitischen Gemeinde in Freiburg. Freiburger Stadthefte 6 (1963).
  • Twiehaus, Christiane, Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien, (Schriften der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg), Heidelberg 2012, S. 75-89.

Kirchzarten

  • Althaus, Hermann, Der Markenhof in Kirchzarten und seine Synagoge, in: Badische Heimat, Heft 2 (2000).
  • Frankenstein, Ruben, Hachschara im Markenhof bei Freiburg. Eine Spurensuche, in: Alemannisches Judentum. Spuren einer verlorenen Kultur, hg. Manfred Bosch, Eggingen 2001.
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