Die Gemeinde heute
von Dr. Vadim Galperin, Vorstandsvorsitzender der JKG Heidelberg
Der Bau des neuen Gemeindezentrums, dessen 25-jähriges Bestehen wir feiern, und der Umzug der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg Anfang der 90er-Jahre fanden zeitgleich mit einer großen Immigrationswelle statt. Es waren Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die nach Deutschland auswanderten. Damit begann ein neuer Zeitabschnitt für das jüdische Leben im Land und in unserer Stadt. Bereits im Titel des bekannten Buches, das sich mit der jüdischen Immigration beschäftigt und im Jahre 1999 von J.H. Schöps, W. Jasper und B. Vogt herausgegeben wurde, wird die Frage gestellt: „Ein neues Judentum in Deutschland?“ [1]
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Die Jahre 1990 und 1991 markierten den Beginn der offiziellen jüdischen Immigration, und das aus der DDR heraus - was eigentlich bemerkenswert ist. Das Ende der 80er-Jahre und insbesondere der Anfang des Jahres 1990 waren Zeiten, in denen es Ausbrüche antisemitischer Gesinnungen und sogar Tendenzen zu Pogromen gab. (Ich selbst kann mich noch genau daran erinnern, wie wir jüdische Kollegen uns auf der Arbeit am Freitag, dem 23. Februar, bevor wir ins Wochenende gingen, mit großer Bange voneinander verabschiedet hatten, da sogar die Massenmedien verlauten ließen, dass es in jenen Tagen zu Pogromen kommen könnte.)
Nachdem in den ostdeutschen Zeitungen Artikel über die entstandene Situation erschienen waren, rief der Jüdische Kulturverein Berlin eine Initiative ins Leben, den Juden, die in der UdSSR diskriminiert und verfolgt wurden, Asyl zu gewähren. Anschließend veröffentlichte die Volkskammer der DDR eine Erklärung, in der die beiden deutschen Staaten die Verantwortung für den Genozid an den Juden während des Krieges übernehmen. Im Juli 1990 räumte die DDR-Regierung den verfolgten Juden die Möglichkeit auf einen „Anspruch auf ständige Wohnsitznahme in der DDR aus humanitären Gründen“ ein.
Im Auftrag des Ministerpräsidenten Lothar de Maizière begannen die Vorbereitungen, um die Grenzen für die sowjetischen Juden zu öffnen. Die Ankömmlinge, die dieses Recht nutzten, wurden auf Aufnahmelager oder Wohnheime verteilt, erhielten Verpflegung und ein Taschengeld sowie eine fünfjährige Aufenthaltserlaubnis mit dem Recht, einen DDR-Ausweis zu erhalten. Zu jener Zeit war es für die sowjetischen Juden deutlich schwieriger, in das westliche Deutschland zu gelangen. Im September stellte die westdeutsche Regierung die Annahme von Anträgen jüdischer Flüchtlinge vollständig ein. Nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde es dann völlig ungewiss, wie die gerade begonnene Immigration von Juden aus der UdSSR weitergehen würde. Viele bekannte Vertreter der Jüdischen Gemeinde Westberlin und einiger anderer jüdischer Gemeinden erhoben Einspruch gegen die Immigration. Sie sprachen über die sowjetischen Juden wie über Menschen, die keine Verbindung zum jüdischen Volk hätten und überhaupt nichts über die jüdische Religion sowie die jüdischen Traditionen wissen würden.
Der Vorstandsvorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, trug einen bedeutenden Teil dazu bei, dass die Immigration nicht aufgehört hat. Er war der Ansicht, dass dieser Prozess eine einmalige historische Chance ist, um das deutsche Judentum, das zu jener Zeit immer mehr abnahm, wieder aufblühen zu lassen. Galinski verhandelte mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl. Anschließend nahmen sich Bundestag und Bundesregierung dieser Frage an. Im Dezember 1990 wurde offiziell beschlossen, dass jüdische Flüchtlinge aus der UdSSR aufgenommen werden. Sie erhielten einen Aufenthaltsstatus, der dem Status „Kontingentflüchtlinge“ entsprach. Die Zahl der Flüchtlinge wurde nicht reglementiert, sie wurden anhand eines bestimmten Verfahrens auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Wie viele von ihnen man einem Bundesland zuweisen konnte, wurde jeweils anhand der Einwohnerzahl des betreffenden Bundeslandes bestimmt. So war zum Beispiel die Quote von Baden-Württemberg 12,2 Prozent.
Aufgrund der Bestimmungen der Halacha durften Juden, die nur väterlicherseits jüdisch waren, nicht Mitglieder einer jüdischen Gemeinde werden. Auch machten viele von denen, die eigentlich einen Anspruch auf Mitgliedschaft hatten, aus verschiedenen Gründen keinen Gebrauch von ihrem Recht. Laut einigen Einschätzungen belief sich der Anteil dieser Leute auf ungefähr 50 Prozent der Eingereisten. Daraus folgt, dass nur die Hälfte der jüdischen Immigranten Gemeindemitglieder wurden. Dies wird durch die folgenden Zahlen bekräftigt: Im Jahr 2002 zählte das Bundesverwaltungsamt 155.915 Neuankömmlinge. Laut der ZWST waren im Jahre 2002 in den jüdischen Gemeinden Deutschlands 98.335 Menschen registriert. In Anbetracht dessen, dass ungefähr 20 Prozent von ihnen in jenem Zeitraum einheimische Juden waren, machten also die übrigen 80.000 fast genau 50 Prozent des Anteils an neu eingereisten Juden aus. Im Jahre 2005 waren von 210.000 jüdischen Immigranten 108.000 Gemeindemitglieder, wobei 98.000 von ihnen russischsprachig waren.[2]
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Also, am 6. Januar 1994, nach vielen Umzügen in der Nachkriegszeit fand die Jüdische Kultusgemeinde Heidelberg im wunderschönen neuen Gebäude in der Häusserstraße ihr ständiges Heim. Anfang der 90er-Jahre begann, wie ich bereits erwähnt habe, der Zustrom jüdischer Emigranten aus der ehemaligen UdSSR nach Deutschland und so auch nach Heidelberg. Gerade sie bildeten 90 Prozent des Mitgliederanteils unserer Gemeinde, was in den vergangenen Jahren zweifelsohne auch Einfluss auf ihr Alltagsleben genommen hat. Der Werdegang der Wechselbeziehung in der Gemeinde hinsichtlich der sich anbahnenden demographischen Situation geschah unter schwierigen Umständen. Bei weitem nicht immer empfingen die Alteingesessenen die Neuankömmlinge mit offenen Armen, was auf Unverständnis bei den einen und auf Verschiedenheit der geistlichen Werte bei den anderen zurückzuführen war. Durch die Bewältigung von Interessenkonflikten gelangte man in der Gemeinde in unserer heutigen Zeit zu einem geistreichen, geduldsamen, respektvollen und taktvollen Umgang miteinander. Viele erinnern sich nur noch allzu gut daran, wie alles begonnen hat, und teilen ihre Erlebnisse auf den Seiten dieses Buches.
Ich möchte gerne noch kurz etwas zu den organisatorischen Tätigkeiten unserer Gemeinde sagen, gerade im Hinblick auf ihre grundsätzlichen Aufgaben: Die religiöse Erziehung und Einbeziehung von Juden in die geistlichen Werte und Traditionen ihres Volkes, die soziale und kulturelle Arbeit und die aus meiner Sicht wichtigsten Ereignisse der letzten Jahre.
Die Gemeinde wird von einem Vorstand geleitet, der aus fünf Personen besteht und in einer gemeinsamen Versammlung für einen Zeitraum von zwei Jahren gewählt wird. Seine Arbeit wird durch die IRG Baden koordiniert, in deren Vorstand wiederum auch Vertreter unseres Vorstandes präsent sind. Aus religiöser Sicht betrachtet, ist unsere Gemeinde orthodox, so wie die Mehrzahl aller Gemeinden in Deutschland. Der Gemeinderabbiner Herr Pawelczyk-Kissin ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, und somit ist auch unsere Gemeinde ein Teil dieser Struktur.
Die Gottesdienste in der Gemeinde werden gemäß der deutsch-aschkenasischen Tradition abgehalten und auf einem hohen Niveau durchgeführt, ebenso wie die Lesungen aus der Tora. Ein großes Anliegen ist für uns auch die Organisation des rituellen Bestandteils von Beerdigungen und die Arbeit daran, die vorgeschriebene Ordnung im Ritualsaal und auf dem jüdischen Friedhof zu halten. Genaueres über dieses Tätigkeitsfeld erzählt Rabbiner Pawelczyk-Kissin in seinem Artikel.
Heute zählt die Gemeinde 418 Mitglieder. Die Mehrheit von ihnen hat einen höheren Bildungsabschluss: Ingenieure, Ärzte, Lehrer. Einige von ihnen haben promoviert. Zum Großteil sind es Leute aus der Ukraine, Moldawien, Sankt Petersburg und Moskau. In 25 Jahren ist eine ganze neue Generation aufgewachsen. Kinder und Kindeskinder haben sich vollständig in die neue Gesellschaft integriert. Sie sind erwachsen und haben ihren Bildungsabschluss in Deutschland gemacht. Viele arbeiten bereits, und das mit Erfolg.
Zur Zeit gibt es deutlich weniger Leute, die die Gemeinde regelmäßig besuchen und aktiv am Gemeindeleben teilnehmen, als es Mitglieder in ihr gibt - es sind etwa 80 bis 100 Leute. An dieser Quote werden sowohl das hohe Alter der älteren Generation als auch der Zeitmangel der lernenden und arbeitenden Generation sichtbar. Leider muss die Mehrheit aller Gemeinden, und zwar nicht nur der jüdischen, mit diesem Problem zurechtkommen.
Das Personal der Gemeinde besteht aus Büromitarbeitern, einem Sozialarbeiter und Mitarbeitern, die für Sauberkeit und Ordnung in den Gebäuden der Gemeinde sowie auf dem jüdischen Friedhof zuständig sind. Die Mitarbeiter in der koscheren Küche sorgen an Freitagen und Samstagen für das leibliche Wohl, genauso wie an allen jüdischen Feiertagen und bei Veranstaltungen. In der Gemeinde gibt es eine Bibliothek, Gruppen zum Erlernen der deutschen Sprache, einen Chor, eine Interessengemeinschaft, in der man israelische Tänze lernt, eine Heilgymnastikgruppe und Computerkurse. Unser Seniorenklub ist bereits über 20 Jahre alt (für die, die schon über 60 sind). Unser Jugendzentrum „Simcha“ arbeitet sehr aktiv und zieht Kinder verschiedener Altersgruppen an. Bereits seit einigen Jahren gibt es in der Gemeinde eine Theatergruppe.
Ich möchte an dieser Stelle den großen Erfolg ihrer Aufführung des Musicals „Anatevka“ hervorheben, die beim „Heidelberger Präventionspreis 2015“ mit dem ersten Platz ausgezeichnet wurde. Auch die jüdische Heiratsvermittlung „Shidduch“ läuft erfolgreich. Ihre Tätigkeit hat mittlerweile nicht nur die Grenzen unserer Gemeinde, sondern auch die des Landes Baden gesprengt. Schon viele Jahre lang gibt es in der Gemeinde die „Jüdische Nachbarschaftshilfe“, einen Verein des Sportverbandes Makkabi mit dem Namen „SC Makkabi“, und die Gemeindezeitschrift „Schalom Heidelberg“, die regelmäßig herausgebracht wird.
Die religiöse Erziehung gehört in jeder jüdischen Gemeinde zu den Aufgaben mit der höchsten Priorität, die beste Grundlage für deren Umsetzung ist jedoch eine erfolgreiche Ausgestaltung interner Wechselbeziehungen innerhalb der Gemeinde. Damit meine ich menschlichen Kontakt, also die Erschaffung eines derartigen inneren Klimas, dass es die Leute in die Gemeinde hineinzieht und sie für diese zu einem zweiten Heim wird. Gerade in unserer derzeitigen Situation ist das wichtig: Ein unbekanntes Land, andere Prioritäten, schlechte Sprachkenntnisse... Wir geben uns Mühe, in der Gemeinde eine solche Atmosphäre zu erzeugen. Unser Sozialarbeiter berät die Menschen regelmäßig und hilft ihnen dabei, verschiedene Probleme zu lösen, angefangen bei der Bereitstellung der Dokumente für den Beitritt in die Gemeinde, bei der Anmeldung eines neuen Wohnsitzes, bei Antragsstellungen, bei der Suche nach einer Wohnung und schließlich auch bei alltäglichen Fragen, die Leben, Gesundheit oder Freizeit betreffen.
Die älteren Mitglieder, welche die Gemeinde, nebenbei bemerkt, am häufigsten besuchen, nehmen gerne die Hilfe unseres Sozialdienstes in Anspruch. Zusätzlich gibt es bei uns in der Gemeinde ein internes Sozialprojekt, das darauf ausgelegt ist, denjenigen Leuten zu helfen, die aus verschiedenen Gründen nicht das Hilfsangebot der Sozialdienste nutzen können. Ich unterstreiche dabei, dass wir die Sozialdienste dadurch nicht ersetzen oder mit ihnen in Konkurrenz treten wollen. Wir stellen diese zusätzlichen Hilfsangebote, die sehr gut für viele unserer älteren und kranken Mitglieder sind, kostenfrei bereit. Unter anderem geht es darum, den Menschen Begleitung und Hilfe bei Übersetzungen in die deutsche Sprache zu bieten, wenn sie medizinische Einrichtungen und diverse andere Ämter oder Behörden besuchen. Die Mitglieder unserer Gemeinde und ihre Familien können sich in allen möglichen Fragen von Anwälten direkt hier in der Gemeinde beraten lassen (wenn nötig, auch mit Übersetzung). Ältere und kranke Alleinstehende können Unterstützung bei kleineren Haushaltstätigkeiten erhalten, wie zum Beispiel die Wohnung zu putzen, Lebensmittel einzukaufen und Essen zuzubereiten. Außerdem werden Kranke besucht, die stationär behandelt werden, sowie Behinderte bei ihnen zu Hause.
Unseren Traditionen und Regeln gemäß begehen wir alle jüdischen Feiertage und Feste, wie unter anderem Hochzeiten und den Einzug in die Volljährigkeit. Wir ehren unsere Veteranen und Jubilare. Es gibt einen Religionsunterricht für Kinder, sowohl im Rahmen des Schulprogramms als auch in unserem Jugendzentrum. Es werden Synagogenführungen veranstaltet, und zwar für die Schüler und auch für alle weiteren Interessierten. Die Führungen verschaffen den Leuten die Möglichkeit, sich mit unserer Religion und unseren Traditionen vertraut zu machen. Oft laden wir professionelle Musiker und Darsteller zu Auftritten bei uns ein, darunter Sänger, Geiger, Pianisten und literarisch-musikalische Kollektive. Dank ihnen erfahren wir mittels künstlerischer Gestaltung mehr über die Traditionen, die Kultur und die Kunst des jüdischen Volkes. Wir machen Bekanntschaft mit dem künstlerischen Schaffen jüdischer Autoren und Künstler, die unter anderem aus Israel kommen.
Diese Auftritte werden nicht nur mit den jüdischen Feiertagen zeitlich abgestimmt, sie finden sogar praktisch jeden Monat statt. Für Gemeindemitglieder werden verschiedenartige Exkursionen und Ausflüge organisiert, zum Beispiel auch Besuche in anderen Gemeinden. Gerne nehmen wir auch bei uns Gäste auf. Seit vielen Jahren schon pflegt die Gemeinde mit Erfolg ihr gutes Verhältnis zur Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Heidelberg und dem Freundeskreis Heidelberg-Rechovot. Im Rahmen des Interreligiösen Dialogs pflegen wir Kontakte zu anderen Glaubensrichtungen.
Besonderes Augenmerk richten wir auf die ständige Arbeit mit Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen. Gut gelingt auch die Zusammenarbeit mit den jüdischen Studenten. Unsere erste gemeinsame Veranstaltung war ein Kiddusch für jüdische Studenten aus ganz Deutschland, den wir 2008 veranstaltet haben und zu dem an die 100 Studenten angereist sind. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden Vorträge zu verschiedenen religiösen Themen angeboten. Im Frühjahr desselben Jahres wurde bei uns in der Gemeinde ein Lehrprogramm für jüdische Jugendliche vorgestellt, dessen Ziel es ist, ein besseres Selbstverständnis zu schaffen. In der Folge kam es zu weiteren Begegnungen.
Wir unterstützten auch das Projekt des Vereines „Heidelberger Lupe“, das den Namen „Spurensuche: Heidelberg im Nationalsozialismus“ trägt. Das Ziel dieses Projektes ist eine vollständige und detailgetreue Beschreibung der Ereignisse, die in der Zeit des Nationalsozialismus in Heidelberg geschahen, und zwar anhand der regionalen dokumentarischen Quellen. Dieses Material kann nach Meinung der Heidelberger Lupe als eine Art zusätzliches Lehrbuch dienen, wenn man diese historische Periode im Schulunterricht behandelt. Es ist dadurch genauer und klarer zu beleuchten, mit welchen inhaltlichen, menschenverachtenden Methoden man die Jugend in die Vorstellungen des Nationalsozialismus indoktriniert hat. Es hat uns sehr gefreut und war ebenso wichtig für uns, dass sich die junge Generation diese Angelegenheit zur Aufgabe genommen hat. Sie war, wie sich uns zeigte, absolut nicht gleichgültig gegenüber derartigen Dingen aus längst vergangenen Tagen. 2016 wurde in der Gemeinde eine „Stolpersteinwand“ angebracht, die den Opfern der NS-Verfolgung gewidmet ist. Mit Erfolg nehmen wir auch an anderen interessanten und wichtigen Projekten teil.
Jede jüdische Gemeinde hat das Recht auf einen eigenen Friedhof. Auf dem jüdischen Teil des Bergfriedhofes gab es keinen Platz mehr für neue Beisetzungen. Wir brauchten dringend eine neue Bestattungsstätte. Unsere langjährigen Bemühungen um eine solche waren nicht vergebens. Wir haben diese Aufgabe gelöst, indem wir ein Grundstück auf dem Handschuhsheimer Friedhof erworben haben. Meines Erachtens ist das in den letzten Jahren eine der wichtigsten Errungenschaften unseres Gemeindevorstandes und unseres Rabbiners.
Was noch wichtig ist: Für eine Gemeinde wie die unsere ist es äußerst wichtig, Ansehen und einen guten Ruf in der Stadt zu haben. Meiner Ansicht nach haben wir das auch alle ganz gut gemeinsam geschafft. Unser Oberbürgermeister Prof. Dr. Würzner sagte in einer seiner Reden, dass es in Heidelberg eine lebendige jüdische Gemeinde gibt.
Nun sind 25 Jahre vergangen. Das neue Gebäude wird für viele von uns immer mehr zu einem zweiten Zuhause. Ein Zuhause, das vor allem ein geistliches Zuhause ist, in dem jeder alles finden kann, was er im religiösen Bereich des Judentums, der Traditionen seines Volkes und dessen Kultur zu finden hofft. Zur selben Zeit ist es auch ein Ort, zu dem die Leute kommen, um sich zu unterhalten, wo man in freundschaftlicher Atmosphäre seine Freuden und Leiden miteinander teilen kann. Wir sind eine jüdische, religiöse Gemeinde, aber wir sind offen für Kontakte mit allen Leuten, die unsere Werte achten und Verständnis für die Geschichte und das Schicksal des jüdischen Volkes haben. Wir leben in beunruhigenden Zeiten. Mal hier, mal dort entstehen internationale Konflikte, gegenseitiges Unverständnis, Misstrauen und Rassenhass. Immer öfter kommt es zu antisemitischen Ausbrüchen. Wir müssen alles, was uns an Kraft zur Verfügung steht, daransetzen, dass die Welle des Hasses nicht unsere Gesellschaft überschwemmt und der Holocaust sich nicht wiederholt. Das sind wir den Opfern des Holocaust, unseren Kindern und Kindeskindern schuldig.
Wir haben noch viele Pläne und interessante Projekte vor uns. Wir sind der IRG Baden und der Stadt Heidelberg dankbar für ihre Hilfe und Unterstützung. An diesem Jubiläumstag wünsche ich allen unseren Gemeindemitgliedern, sowie ihren Verwandten und Nahestehenden Gesundheit, Glück und Erfolg. Ich wünsche uns, dass unsere Gemeinde immer weiter gedeiht und wohlbehalten bleibt.
Anmerkungen
[1] Ein neues Judentum in Deutschland?, hg. von Julius H. Schoeps/Willi Jasper/Bernhard Vogt, (Neue Beiträge zur Geistesgeschichte 2), Potsdam 1999.
[2]Vgl. dazu: Mitgliederstatistiken der jüdischen Gemeinden und Landesverbände in Deutschland der Jahre 2007-2017, hg. von Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland 1955-2016, hg. von Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland.
[3] Dieser Text entstand im Jahr 2019 für die Publikation „25 Jahre. Neue Synagoge mit Gemeindezentrum Heidelberg“, herausgegeben von der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. An dieser Stelle findet sich im Artikel auf S. 54-60 ein ausführlicher Abschnitt zur Statistik, der hier in der Online-Veröffentlichung ausgespart wird.
Zitierhinweis: Vadim Galperin, Die Gemeinde heute, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.