Diersburg

Die Synagoge in Diersburg, um 1931. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört, das Gebäude verkauft. In den 1950er Jahren wurde das baufällig gewordene Haus grundlegend umgestaltet. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 309]
Die Synagoge in Diersburg, um 1931. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört, das Gebäude verkauft. In den 1950er Jahren wurde das baufällig gewordene Haus grundlegend umgestaltet. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 309]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Seit der Belehnung durch die Markgrafen von Baden 1455 befand sich das zum Ritterkanton Ortenau zählende Diersburg im Besitze der Familie von Röder, bis es 1806 an Baden fiel.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts ließen sich Juden im Diersburger Tale nieder. Schon 1766 war in Diersburg ein jüdischer Lehrer tätig. Die jüdische Gemeinde erwarb 1791 die „Strittmatt". Auf diesem Gelände entstand die sogenannte Judenstadt mit Synagoge, Bad, Schulhaus (1830-1877), Gasthaus und koscherer Metzgerei. Der jüdische Friedhof am Rande der Ortschaft wurde erst im 19. Jahrhundert angelegt. Zuvor begrub man die Toten auf dem Verbandsfriedhof in Schmieheim. Dort amtierte seit Ende des 18. Jahrhunderts der zuständige Rabbiner. Bei der Einteilung des Landes in Rabbinatsbezirke 1827 blieb Diersburg bei der Bezirkssynagoge Schmieheim, deren Sitz 1893 nach Offenburg verlegt wurde.

1809 wohnten in Diersburg 39 Judenfamilien, 1825 war die Zahl auf 190 (20,3% von 938 Einwohnern) angestiegen, 1842 auf 225. Seitdem ging die Zahl ständig zurück: 1875 130, 1900 80, 1925 43 (4,3 % von 996) und 1933 29 Juden. Im Ersten Weltkrieg opferten Emil Bruchsaler und Ferdinand Lehmann ihr Leben für das Vaterland. 1933 hatte die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder bereits so stark abgenommen, dass nicht mehr genügend Männer für den Gottesdienst da waren. An Feiertagen mussten daher Friesenheimer Juden am Gottesdienst mitwirken.

1885 stellte der aus Diersburg stammende Londoner Kaufmann Elias Jakob Loewe dem Oberrat einen Fonds von 8.000 Mark zur Errichtung freier Koststellen für die israelitischen Schullehrerseminaristen zur Verfügung mit der Bedingung, dass sich die badischen Israeliten ihrerseits bereit erklärten, die Sache zu fördern. Das war die Grundlage für das Isr. Landesstift.

Während im 19. Jahrhundert die Juden in Diersburg als Gewerbetreibende eine große Rolle spielten, verloren sie im 20. Jahrhundert durch Abwanderung vor allem nach Straßburg und Offenburg an Bedeutung. Um 1933 gab es in Diersburg an jüdischen Unternehmen nur noch sechs Handelsgeschäfte und das Gasthaus „Badischer Hof", die bis 1938 zum Erliegen kamen.

In der Kristallnacht im November 1938 wurde von SA-Leuten aus Offenburg die Inneneinrichtung der Synagoge demoliert, die männlichen Juden vorübergehend in Dachau interniert. Zu weiteren Ausschreitungen kam es nicht. Etwa die Hälfte der Diersburger Juden wanderte nach den USA, Frankreich oder Palästina aus. 11 Personen wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Von ihnen sind 2 in französischen Lagern gestorben, mindestens 6 wurden in einem Vernichtungslager des Ostens umgebracht. Rebekka Moch, die am 22. Oktober 1940 nicht transportfähig war, blieb in Diersburg zurück und starb 1941 in einem Krankenhaus in Offenburg.

In der ehemaligen Synagoge ist heute eine Schreinerei eingerichtet. Außer dem jüdischen Friedhof erinnern bisweilen auch noch Darstellungen segnender Hände und hebräische Schriftzeichen an Kellerbögen an die früheren jüdischen Mitbürger.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  •   Kähni, Otto, Zur Geschichte Diersburgs, in: Die Ortenau 39, 1959.

Ergänzung 2023:

In der ehemaligen Synagoge war zunächst eine Schreinerei eingerichtet. Heute ist das Gebäude nicht mehr erhalten. 
 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Diersburg, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Bamberger, Naftali Bar-Giora, Der jüdische Friedhof von Diersburg, in: Die Ortenau 65 (1985), S. 364-377.
  • „Die Juden in Diersburg“, in: Heimatbuch Hohberg-Diersburg, S. 56-65.
  • Diersburg. Die Geschichte einer jüdischen Landgemeinde 1738-1940, hg. von Historischer Verein Mittelbaden - Mitgliedergruppe Hohberg, Haigerloch 2000.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Schellinger, Uwe, Aus einer „anderen Welt“. Der jüdische Bäcker von Diersburg. Bilder aus dem Ortenauer Landjudentum. Dr. Kurt S. Maier zum 75. Geburtstag, in: Geroldsecker Land. Jahrbuch einer Landschaft 48 (2006), S. 141-152.
  • Schellinger, Uwe, Vom Land in die Stadt, oder: Vom Talmud zur Kreuzotter. Leben und Wirken des jüdischen Gelehrten Isaak Blum (1833-1903) aus Diersburg, in: Diersburg. Die Geschichte einer jüdischen Landgemeinde 1738-1940, hg. von Historischer Verein Mittelbaden - Mitgliedergruppe Hohberg, Haigerloch 2000, S. 200-208.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 216-217.
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