Eberstadt mit Sindolsheim

Susanna Stern, geboren am 13. April 1857 in Albisheim in der Pfalz, heiratete den Viehhändler Moses Stern. Sie wurde während der Pogrome im November 1938 erschossen, weil sie sich weigerte ihr Haus in Eberstadt zu verlassen. Der verantwortliche NS-Ortsgruppenleiter tauchte 1945 unter und starb 1951 durch Suizid. [Quelle: Bezirksmuseum Buchen, Bildarchiv Karl Weiß]
Susanna Stern, geboren am 13. April 1857 in Albisheim in der Pfalz, heiratete den Viehhändler Moses Stern. Sie wurde während der Pogrome im November 1938 erschossen, weil sie sich weigerte ihr Haus in Eberstadt zu verlassen. Der verantwortliche NS-Ortsgruppenleiter tauchte 1945 unter und starb 1951 durch Suizid. [Quelle: Bezirksmuseum Buchen, Bildarchiv Karl Weiß]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das zum Ritterkanton Odenwald zählende Eberstadt gehörte der Familie Rüdt von Collenberg. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde es der Eberstadter Linie der Familie zugeteilt. 1806 fiel es an Baden.

Im 18. Jahrhundert lebten in Eberstadt bereits zahlreiche Juden. 1825 waren es 90 (15,8 Prozent von 569 Einwohnern). Mit der Zahl der Einwohner sank seitdem auch die der Juden ständig: 1875 46, 1900 30, 1925 18 und 1933 12. Im Ersten Weltkrieg starben Hermann Stern und Simon Rothschild für ihr deutsches Vaterland.

Seit 1827 gehörte die israelitische Gemeinde Eberstadt zum Rabbinatsbezirk Merchingen. Am 23. Dezember 1936 wurde die Gemeinde Eberstadt aufgelöst, da sie nur noch drei männliche Mitglieder zählte. Die noch vorhandenen Juden wies der Oberrat der Gemeinde Buchen zu. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Synagoge, die mitten im Ort neben dem Gasthaus zur Krone stand, kaufte 1937 ein Privatmann. Einen eigenen Friedhof besaß die Gemeinde nicht. Die Toten wurden auf dem Verbandsfriedhof in Bödigheim bestattet.

1933 gab es unter den Juden in Eberstadt nur noch kleine Geschäftsleute, die zum Teil neben ihrem Ladengeschäft eine kleine Landwirtschaft betrieben. Abraham Steinhardt war vor 1933 Mitglied im Bürgerausschuss. Er besaß eine Landwirtschaft von 6 bis 7 ha und betrieb bis 1937 eine Branntweinbrennerei und einen Branntweinhandel. Auch eine jüdische Gaststätte gab es am Ort. Da auf dem Dorf außer der Landwirtschaft wenig Erwerbsmöglichkeiten vorhanden waren, sind die Kinder der meisten jüdischen Einwohner schon vor 1933 in die Städte verzogen oder ausgewandert. 1933 gab es keine schulpflichtigen jüdischen Kinder mehr in Eberstadt.

Am 10. November 1938 kam es in Eberstadt zu einer grausamen Bluttat. Auf Befehl der Kreisleitung der NSDAP wurden die Juden im Spritzenhaus eingesperrt. Als letzte wollte man die 81jährige Witwe Susanna Stern, die allein in einem Häuschen wohnte, abholen. Da sie sich dem Ortsgruppenleiter gegenüber beharrlich weigerte, sich anzuziehen und mitzukommen, tötete dieser die Greisin durch drei Pistolenschüsse aus nächster Nähe. Das Verfahren der Staatsanwaltschaft Mosbach gegen den Mörder wurde durch den Reichsjustizminister 1940 niedergeschlagen.

Von den Juden, die 1933 in Eberstadt wohnten, starben 4 in ihrem Heimatdorf, 2 zogen um, 4 wanderten aus und 4 wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Dort überlebte Ida Haugewitz, die sich seit 1945 in einer Nervenheilanstalt in Frankreich befindet. Ihr Ehemann Abraham sowie die Eheleute Abraham und Jeanette Steinhardt wurden wahrscheinlich in Auschwitz ermordet.

Das ehemalige Synagogengebäude befindet sich heute im Eigentum der Gemeinde. Juden leben nicht mehr in Eberstadt.

Sindolsheim gehörte zum Ritterkanton Odenwald und war eine Besitzung der Familie Rüdt von Collenberg-Eberstadt. 1806 fiel es an Baden.

Die im 18. Jahrhundert dort entstandene jüdische Gemeinde wuchs bis 1825 auf 53 Seelen an. 1875 zählte sie nur noch 45 Seelen, 1900 26, 1925 14 und 1933 9. Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert besaß die Gemeinde eine eigene Synagoge. Als Begräbnisplatz wurde der Verbandsfriedhof Bödigheim benutzt. Die 1827 dem Bezirksrabbiner in Merchingen unterstellte israelitische Gemeinde wurde durch Beschluss des Badischen Staatsministeriums vom 4. Mai 1921 aufgelöst, da sie nur noch aus einem stimmberechtigten Mitglied bestand. Die wenigen vorhandenen Juden wurden der Gemeinde Adelsheim zugewiesen, wegen Unstimmigkeiten aber bereits ein Jahr später der Gemeinde Eberstadt angeschlossen. Die Synagoge, in der schon seit vielen Jahren kein Gottesdienst mehr stattgefunden hatte, verfiel und wurde schließlich abgebrochen.

1933 betrieb David Hecht mit seinem Sohn Walter eine Bäckerei mit einem Lebensmittel-, Kurz- und Gemischtwarenladen; Sannchen Schorsch hatte ein Gemischtwarengeschäft. Auch nach Hitlers Machtergreifung blieben die Ortsbewohner ihren jüdischen Mitbürgern wohlgesinnt. Die beiden Geschäfte konnten bis 1938 weitergeführt werden. Am 17. Juni 1938 wurde Walter Hecht aus unbekanntem Grund verhaftet und in das KZ Dachau eingeliefert. Am 12. Juli 1938 wurde er angeblich bei einem Fluchtversuch erschossen. In der Kristallnacht wurden zwei Jüdinnen von auswärtigen SA-Leuten verprügelt. Größere Ausschreitungen fanden nicht statt. David und Thekla Hecht starben noch in Sindolsheim.

2 Juden wanderten aus. Die letzten 6 - eine verwitwete und fünf ledige Frauen - wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Von ihnen starben Jette und Sannchen Schorsch im Lager Gurs, Klara Rothschild im Lager Recebedou. Elise Heimberger sowie Jettchen und Johanna Niedermann sind wahrscheinlich in einem Vernichtungslager im Osten ums Leben gekommen.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das nationalsozialistische Regime 1933-1945, Bd. 2 Nr. 300.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Eberstadt, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

Eberstadt

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Landauer, Rudolf/Lochmann, Reinhart, Spuren jüdischen Lebens im Neckar-Odenwald-Kreis, hg. von Landratsamt NOK, Buchen 2008.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 214-215.

Sindolsheim

  • Lochmann, Reinhart, Die Geschichte der Juden in Sindolsheim, in: Heimatbuch Sindolsheim (1999).
Suche