Friesenheim

Auf der Judengass, heute Lahrgasse, Eintrag in der Badischen Gemarkungskarte von 1866. Die Synagoge befand sich im Bereich der Nummer 8. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 nicht beschädigt, 1940 an die Gemeinde Friesenheim verkauft und wenige Jahre später abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 515, 1]
Auf der Judengass, heute Lahrgasse, Eintrag in der Badischen Gemarkungskarte von 1866. Die Synagoge befand sich im Bereich der Nummer 8. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 nicht beschädigt, 1940 an die Gemeinde Friesenheim verkauft und wenige Jahre später abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 515, 1]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Bei der Teilung des lahr-mahlbergischen Gemeinschaftsbesitzes zwischen den baden-badischen Markgrafen und den Grafen von Nassau 1629 kam Friesenheim zusammen mit der Herrschaft Mahlberg an Baden-Baden. Seit 1771 gehörte es zur wiedervereinigten Markgrafschaft Baden.

Mindestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts saßen in Friesenheim einzelne Schutzjuden. 1739 wohnten fünf Judenfamilien im Dorf, von denen drei Häuser besaßen. Diese Hauseigentümer hatten außerordentliche Abgaben wie Türkensteuer, Kriegsgelder usw. zu zahlen, von denen die Juden ohne Hausbesitz befreit waren. Zwischen 1753 und 1759 wurden nach Friesenheim zwei Juden in den Schutz aufgenommen. Als 1796 das ganze Volk zur Landesverteidigung und zu Schanzarbeiten aufgeboten wurde, wollten die Juden keine Folge leisten; sie erklärten sich für kriegsunfähig oder wollten nicht gemeinsam mit den Christen kämpfen. Der Rat von Friesenheim gestattete ihnen, ihre Wehrpflicht mit Geld abzulösen, „um Inconventien vorzubeugen".

Ihren höchsten Stand erreichte die israelitische Gemeinde Friesenheim im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Während die Zahl der Israeliten 1825 erst 49 betrug, stieg sie bis 1875 auf 120, bis 1887 auf 134 an, ging aber bis 1900 auf 74 zurück und war 1925 mit 48 nicht einmal mehr so groß wie hundert Jahre zuvor. 1933 wohnten 33 Juden in Friesenheim. Im Ersten Weltkrieg starben Richard und Siegmund Haberer den Soldatentod.

Zum Broterwerb der Friesenheimer Juden gehörte von alters her der Handel hauptsächlich mit Vieh sowie mit Textil- und Eisenwaren. Zu Beginn des Dritten Reiches gab es an jüdischen Unternehmen ein Textilwarengeschäft, ein Eisenwarengeschäft, eine Fell- und Häutehandlung, eine Damenschneiderei und drei Viehhändler. Der Tierarzt Dr. Siegfried Dreifus wanderte bereits im Sommer 1933 nach Palästina aus. Bis 1929 hatte es auch noch eine koschere Metzgerei gegeben. Seit Ende des 18. Jahrhunderts war der Sitz des zuständigen Rabbiners in Schmieheim, wo auch die Toten bestattet wurden. 1893 wurde das Bezirksrabbinat nach Offenburg verlegt. Die Synagoge in Friesenheim dürfte um die Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut worden sein. An karitativen Einrichtungen gab es einen Isr. Wohltätigkeitsverein und eine Sterbekasse. Das Verhältnis zwischen Juden und Christen war zur Zeit der Blüte der jüdischen Gemeinde im 19. Jahrhundert wohl aus Brotneid gespannt. Im März 1848 wurden die Juden unter Gewaltandrohung gezwungen, auf das ihnen verliehene Ortsbürgerrecht zu verzichten. Nach 1850 verlor die Judenfeindschaft rasch an Boden. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts lebten Christen und Juden längst friedlich zusammen. Während der Verfolgung durch den Nationalsozialismus kam es außer der Boykotthetze im April 1933 zu keinen Gewalttaten gegen die Juden. Einige Männer kamen nach dem 10. November 1938 für einige Wochen in das KZ Dachau.

Infolge des Boykotts im Jahre 1933 wanderten bereits 7 Juden nach Frankreich und nach Palästina aus. 1938/39 folgten weitere 5 nach den USA und England. Andere verzogen innerhalb Badens und wanderten später aus oder wurden von ihrem Zufluchtsort aus deportiert. 4 Personen starben noch in Friesenheim bzw. Lahr. Am 22. Oktober 1940 wurden 9 Juden nach Gurs verschleppt. Von diesen starb Maria Haberer 1941 im Lager Gurs. Lisette Greilsheimer und ihre Mutter Flora, die im Lager einer zweiten Tochter das Leben geschenkt hatte, konnten befreit werden. Die übrigen kamen in den Vernichtungslagern Auschwitz und Lublin-Maidanek ums Leben. Nach dem 22. Oktober 1940 blieben Josef und Mirian Greilsheimer in Friesenheim zurück. Durch Schikanen und die Furcht vor der Deportation zermürbt, nahm sich Josef Greilsheimer am 9. April 1942 das Leben. Seine Frau wurde 17 Tage später nach Izbica deportiert und ist seither verschollen.

Heute leben keine Juden in Friesenheim. Die ehemalige Synagoge, die in der Kristallnacht unversehrt blieb, ging 1940 durch Kauf in den Besitz der politischen Gemeinde Friesenheim über. 1944 wurde sie wegen Baufälligkeit abgerissen. An ihrer Stelle steht heute ein Mehrfamilienhaus.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Kürzel, Albert, Die Stadt Ettenheim und ihre Umgebung, 1883.
 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Friesenheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Klem, Ekkehard und Schüler aus Friesenheim, Geschichte der Juden in Friesenheim, 2009.
  • Mohr, Günther, „Neben, mit Undt bey Catholischen“. Jüdische Lebenswelten in der Markgrafschaft Baden-Baden 1648-1771, Köln u. a. 2011.
  • Schellinger, Uwe, Familienfoto. Zur Geschichte der jüdischen Familie Greilsheimer aus Friesenheim. Bilder aus dem Ortenauer Landjudentum, in: Geroldsecker Land, Heft 47 (2005), S. 74-89.
  • Schellinger, Uwe, Nichts im Ort erinnert mehr an die jüdische Gemeinde, in: Badische Zeitung vom 10.11.1994.
  • Stude, Jürgen, Die jüdische Gemeinde Friesenheim (Beiträge zur Heimatgeschichte Friesenheim) Bd. 4, 1988.
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