Graben

Bereich um den Standort des Gasthofs Sonne in der heutigen Rheinstraße 2 auf der Badischen Gemarkungskarte (1868). Der Gasthof wurde in den 1780er Jahren als Nachfolger einer ersten jüdischen Wirtsstube in der oberen Gasse errichtet und blieb bis Mitte der 1930er Jahre in jüdischem Besitz. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 575]
Bereich um den Standort des Gasthofs Sonne in der heutigen Rheinstraße 2 auf der Badischen Gemarkungskarte (1868). Der Gasthof wurde in den 1780er Jahren als Nachfolger einer ersten jüdischen Wirtsstube in der oberen Gasse errichtet und blieb bis Mitte der 1930er Jahre in jüdischem Besitz. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 575]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Bei der badischen Landesteilung 1535 fiel Graben an Baden-Durlach. Bis zur Gründung von Karlsruhe 1715 war es Amtsort.

Als sich unter Markgraf Karl Wilhelm (1709-1738), der auch den Kindern der Schutzjuden das Schutzrecht erteilte, die Zahl der Juden im Lande mehrte, erscheint 1732 Graben als neuer Judenniederlassungsort in Baden-Durlach. 1740 befanden sich in Graben und Liedolsheim zusammen drei jüdische Familien. Der erste Jude in Graben war wohl der Judenwirt, der für die auswärtigen Juden, die sich zu den Jahrmärkten einfanden, in der oberen Gasse eine Wirtschaft einrichtete. Nach seinem Tode gründete 1782 Jakob Holz die Judenwirtschaft „Sonne". 1801 lebten 16, 1825 28, 1875 36, 1900 44 und 1933 22 Juden in Graben. Im Ersten Weltkrieg fiel Hermann Baer.

Die jüdische Gemeinde Graben wurde 1827 dem Rabbinatsbezirk Karlsruhe zugewiesen und nach dessen Auflösung 1885 dem Bezirk Bruchsal. Sie besaß eine eigene Synagoge in der Hauptstraße 67, die eine Woche vor der Kristallnacht von der politischen Gemeinde erworben und 1939 an Privatleute weiterverkauft wurde. Dadurch entging sie der Zerstörung und dient heute als Wohnhaus. Einen jüdischen Friedhof gab es in Graben nicht. Die verstorbenen Juden wurden auf dem Verbandsfriedhof in Obergrombach beigesetzt.

Von wirtschaftlicher Bedeutung unter den jüdischen Unternehmen waren die Likörfabrik und Branntweinbrennerei Baer & Co., die 1878 gegründet und 1938 „arisiert" wurde, sowie die Zigarrenfabrik Isaak Weil.

Zu Gewalttaten gegen die Juden kam es während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in Graben nicht, doch wurde die christliche Bevölkerung, die insgeheim noch Beziehungen zu den Juden aufrechterhielt, gemaßregelt und durch Drohbriefe eingeschüchtert. Um weiteren Verfolgungen zu entgehen, wanderte die Hälfte der Juden, vor allem nach Argentinien, aus, andere tauchten zunächst im nahen Karlsruhe unter. Schließlich wohnten nur noch drei Juden in Graben, die am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert wurden, wo sie Gemeindemitglieder wiederfanden, die in Karlsruhe oder in anderen Städten das gleiche schwere Los getroffen hatte. In einem Altersheim in Südfrankreich überlebte Karoline Ott, während die übrigen Deportierten entweder in Frankreich oder einem Vernichtungslager im Osten ihr Leben verloren haben.

Nach dem 22. Oktober 1940 blieb in Graben nur die in sogenannter Mischehe lebende Jüdin Julchen Süß zurück. Als sie nach Erduldung mancher Schikanen noch am 14. Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert werden sollte, ließ sie sich lieber von ihrem „arischen" Ehemann erschießen, der ihr in den Tod folgen wollte. Die Kugel, die ihn mit seiner Frau im Tod vereinen sollte, verfehlte jedoch ihr Ziel.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Kemm, Friedrich, Burg und Dorf Graben einst und jetzt, 1920.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Graben, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Karlsruhe 1990.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 292-293.
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