Hoffenheim

Bereich um den Standort der Synagoge, heute Neue Straße 2, auf der Badischen Gemarkungskarte (1875-1880). Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge schwer beschädigt und im Anschluss abgetragen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 789]
Bereich um den Standort der Synagoge, heute Neue Straße 2, auf der Badischen Gemarkungskarte (1875-1880). Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge schwer beschädigt und im Anschluss abgetragen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 789]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das dem Ritterkanton Kraichgau inkorporierte Dorf Hoffenheim war im Besitz der Familie von Gemmingen-Hornberg. 1806 fiel es an Baden.

Noch 1717 wurde den Juden bei Arreststrafe verboten, sich in Hoffenheim blicken zu lassen. Die Gemeinde hatte sich darüber beschwert, dass die Juden mit ihrem Hornvieh „den besamten und verschlossenen Feldern großen Schaden zufügen". Ob mit diesen Juden zu den Märkten durchtreibende Viehhändler oder bereits ortsansässige gemeint waren, ist nicht gesagt. 1720 waren sechs Judenfamilien ansässig, die je 6 Gulden Schutzgeld zahlten, 1728 acht. 1734 wird bestimmt, dass kein Jude Kindern von Christen sowie Dienstboten ohne Erlaubnis der Eltern bzw. Dienstherrschaft Geld leihen darf. 1755 heißt es in den Gemeinderechnungen, dass die elf Judenfamilien „an Sonn- und Festtagen dermaßen und zum höchsten gereichten Mutwillen ongescheut exercieren, alle Handarbeiten treiben und durch ihr Einbringen fremdes Viehs Krautgärten und Wälder verderben". Wiederholt werden in folgenden Jahren Klagen darüber laut, dass die Juden während des Sonntagsgottesdienstes mit Vieh handelten. Sie hatten in wenigen Jahrzehnten festen Fuß gefasst und waren nicht mehr zu vertreiben. Sie pachteten die Strafgelder und legten beim Abzug von Bürgern für diese das Abzugsgeld aus, wobei es bei der Rückzahlung häufig zu Schwierigkeiten kam. Schon 1750 besaß der Jude Salomon ein Haus bei der Kirche.

1766 wäre beinahe den Hoffenheimern eine Judenhochzeit teuer zu stehen gekommen. Ein deutschherrischer Schutzjude wollte im Hause seines Schwagers Wolf Berle in Hoffenheim Hochzeit halten und hatte von der Herrschaft die Erlaubnis erhalten, dass bei dem Fest Spielleute aufspielten. Da nun die Hochzeit in die Fastenzeit fiel, erklärten die Bürger, Musik in dieser Zeit sei eine Verhöhnung der Christen und eine Schmach des Kreuzes. Eine von 110 Hoffenheimer Bürgern unterschriebene Eingabe wurde von der Herrschaft mit der Bemerkung zurückgewiesen, dass für die Juden die religiösen Bräuche der Christen nicht maßgebend seien. Als am Hochzeitstag die Spielleute ihre Instrumente ansetzten und die Brautmutter zu einem „zierlichen Menuett" antrat, stürmte eine Schar Hoffenheimer ins Zimmer und zwang die Spielleute zum Abzug. Den Hochzeitsgästen erklärte man, sie mögen sich freuen, aber ohne Musik. Der Brautvater ließ sich das nicht gefallen und beschwerte sich bei der Herrschaft. Für die Hoffenheimer erfolgte alsbald ein böses Nachspiel. Wegen Friedensbruch und Aufruhr gegen Beamte wurden die Rädelsführer mit 15 Gulden, alle übrigen, die die Eingabe mit unterschrieben hatten, mit 5 Gulden Buße belegt. Das ergab eine Summe von ungefähr 600 Gulden, die den Juden, die die Strafgelder gepachtet hatten, zugefallen wären. Die Hoffenheimer baten um Milde, weil sie nur zur Ehre Gottes und des Heilandes gekämpft hätten. Auf wiederholtes Bitten wurde die Strafe zunächst herabgesetzt und schließlich ganz erlassen. Nicht die Herrschaft hatte den Schaden, sondern die Pächter der Strafgelder. Mit dem ganzen Dorf wollte es sich die Herrschaft doch nicht verderben. Zu neuen Streitigkeiten kam es 1804, als ein Jude die Erlaubnis erhielt, Bauholz zu schlagen.

Trotz der dauernden Schwierigkeiten, die die Hoffenheimer Bürger den Juden bereiteten, nahm die Zahl der jüdischen Familien dank der Gunst der Herrschaft zu. 1769 wohnten 13 Judenfamilien in Hoffenheim. Beim Übergang an Baden 1806 waren es 100 Juden. 1809 zählte man 25 Judenfamilien mit 50 Kindern. Die Familiennamen, die sie angenommen hatten, waren: Oppenheimer, Hamann, Scheuer, Schlom, Keller, Messheimer, Rosenfeld, Rosenheim, Gumpel, Ulmann, Kalb, Dreifuß, Rotschild und Reis. Die gebräuchlichsten Vornamen waren: Reichel, Ester, Cherle, Schädle, Hersch, Mons, Hevite, Sara, Anschet, Mendel, Breile und Chaim.

Bis 1817 musste jede Judenfamilie jährlich 12 Gulden Schutzgeld zahlen, das zur Hälfte an die Herrschaft und zur Hälfte an die Gemeinde fiel. Nach dem Wegfall der Schutzgelder hatten die Juden zur Schuldentilgung der Gemeinde jährlich 1½ Gulden Kopfgeld zu entrichten.

1827 kam die israelitische Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Sinsheim. Die Synagoge in der Neuen Straße 13 stammte vermutlich schon aus dem 18. Jahrhundert. Um 1840 erhielten die jüdischen Kinder eine eigene Volksschule. Einen Friedhof besaß die Gemeinde nicht. Die Toten wurden in Waibstadt begraben. An israelitischen Vereinen gab es einen Männerverein, einen Frauen-Krankenverein, einen Unterstützungsverein und einen Verschönerungsverein (Binjan Bes-Hakneses).

1823 wohnten in Hoffenheim 228 christliche und 33 jüdische Familien. 1825 betrug die Zahl der Juden 200 (14,5 Prozent von 1.384 Einwohnern), 1842 227, 1875 157, 1900 117, 1925 51 und 1933 40. Von 1933 bis 1940 wanderten noch 17 Juden zu.

Den Lebensunterhalt verdienten die Juden seit dem 18. Jahrhundert mit Vieh- und Getreidehandel und mit Geldverleih. Um „den Spielraum, der sich seinen Glaubensgenossen geöffnet hatte," auszunutzen, bat 1810 der Jude Oppenheimer um die Konzession für eine Seifen- und Lichterfabrik in Hoffenheim. Er erhielt die Erlaubnis unter der Bedingung, nicht unter einem Achtel Zentner Seife und Lichter zu verkaufen, also nur für den Absatz im Großhandel. Zu Beginn des Dritten Reiches gab es in Hoffenheim an jüdischen Unternehmen noch zwei Viehhandlungen, eine Metzgerei, eine Getreide -, Mehl-, Futter- und Samengroßhandlung sowie zwei Manufakturwarengeschäfte.

Nach der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 gingen die Geschäfte bald zurück. Der Ortsgruppenleiter, ein fanatischer Nationalsozialist, der den Juden das Leben schwer machte, hatte den Einwohnern jeden geschäftlichen Verkehr mit den Juden verboten. Wer dagegen verstieß, wurde als Judenfreund und Judenknecht durch öffentlichen Aushang im „Stürmerkasten" gebrandmarkt. 1935 oder 1936 führte der Ortsgruppenleiter zusammen mit dem Ratsschreiber und dem Lehrer einen nächtlichen überfall auf die Synagoge und die darin befindliche Wohnung des Synagogendieners Meyer aus. Der evangelische Pfarrer geißelte am folgenden Sonntag von der Kanzel herab diesen feigen nächtlichen überfall.

In der Kristallnacht im November 1938 wurde auf Befehl des SA-Obersturmbannführers von Waibstadt von Hoffenheimer SA-Leuten die Synagoge ausgeräumt und das Dach abgetragen. Später wurde sie ganz abgerissen. Die SA-Leute halfen zuvor, die Möbel des Synagogendieners in einem benachbarten jüdischen Haus unterzubringen. Trotz der zahlreichen Schikanen wanderten nur 26 Juden hauptsächlich nach den USA und nach Argentinien aus. Weitere 4 starben in der Heimat. 1940 lebten noch 20 Juden im Dorf, von denen 18 am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert wurden. 4 von ihnen entkamen aus dem Lager. Mindestens 10 wurden nach entbehrungsreichem Lageraufenthalt in Südfrankreich 1942 nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. In Auschwitz fanden 5 weitere Juden aus Hoffenheim von den 7, die zwischen 1933 und 1940 weggezogen waren, den Tod. Für den Installateur Helmuth Mayer begann der Leidensweg mit Zwangsarbeit im Untersuchungslager Paderborn. Von dort wurde er 1943 ebenfalls nach Auschwitz abtransportiert.
 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Neu, Heinrich, Aus der Vergangenheit von Hoffenheim, 1953.
     

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Hoffenheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Germania Judaica, Bd. 3,1. Halbband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 570-571.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Neu, Heinrich, Aus der Vergangenheit von Hoffenheim, 1953, S. 134-136.
  • Raymes, Frederick (Manfred Mayer)/ Mayer, Menachem (Heinz), Aus Hoffenheim deportiert. Der Weg zweier jüdischer Brüder, hg. vom Heimatverein Hoffenheim, Heidelberg/Ubstadt/Weiher/Basel 2005.
  • Streib, Ludwig, Die Israelitische Gemeinde in Hoffenheim. 1918 bis 1945. Seminararbeit im Rahmen eines Diakoniewissenschaftlichen-Kirchengeschichtlichen Seminars an der Universität Heidelberg, 1989.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 305-307.
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