Ittlingen

Die baufällige Synagoge in Ittlingen, um 1960. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 zerstört und abgebrochen. Der genaue Zeitpunkt des Abbruchs ist unbekannt. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 852]
Die baufällige Synagoge in Ittlingen, um 1960. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 zerstört und abgebrochen. Der genaue Zeitpunkt des Abbruchs ist unbekannt. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 852]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges nahmen die ritterschaftlichen Familien von Gemmingen-Gemmingen und von Gemmingen-Hornberg, in deren Besitz sich Ittlingen bis zum Übergang an Baden 1806 befand, Juden in das Dorf auf. Wieviele es waren und welchen Beruf sie ausübten, ist nicht überliefert. Auch während des 18. Jahrhunderts lebten stets etliche Juden in Ittlingen, die als Viehhändler und Hausierer ein bescheidenes Leben fristeten. Mit der wirtschaftlichen und sozialen Besserstellung der Juden im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine größere jüdische Gemeinde, die 1827 dem Rabbinatsbezirk Bretten angeschlossen wurde und eine eigene Synagoge in der Unteren Mühlgasse sowie einen Friedhof außerhalb des Dorfes besaß. Im 18. Jahrhundert bestattete man die Toten noch in Eppingen. In fremder Erde ruht der im Ersten Weltkrieg gefallene Ferdinand Ladenburger aus lttlingen. 1825 betrug die Zahl der Juden 86, 1875 124, 1887 145, 1900 113, 1925 46 und 1933 37.

1933 gab es an jüdischen Geschäften einen Feinkosteinzel- und -großhandel, ein 1863 gegründetes Textil- und Manufakturwarengeschäft, eine Landesproduktenhandlung sowie eine Mehl-, Getreide- und Altmaterialienhandlung. Arthur Ladenburger handelte mit Vieh und nebenbei mit Häuten, Fellen und Tabak. Drei Juden hausierten mit Ölen, Fetten, Waschmitteln und Altmaterialien. 1937 wurden die Wandergewerbescheine eingezogen. 1938 mussten auch die Ladengeschäfte schließen. In der Kristallnacht im November 1938 wurde die Synagoge zerstört. Da in Deutschland für Juden keine Existenzgrundlage mehr zu finden war, wanderten 1935-38 19 Juden nach den USA aus. Die Familie Orbeck fand in Frankreich Zuflucht. Am 22. Oktober 1940 wurden aus Ittlingen 8 Juden nach Gurs deportiert. Dort erlagen 3 von ihnen Hunger und Krankheiten. 3 wurden in Auschwitz ermordet. Das weitere Schicksal eines Deportierten ist noch unbekannt. Als einziger wurde der schwachsinnige Erwin Wimpfheimer aus dem Lager Gurs befreit. Er lebt heute in Frankreich.

Das Grundstück der ehemaligen Synagoge wird heute landwirtschaftlich genutzt. Nur der Friedhof erinnert an die jüdische Gemeinde.

Ergänzung 2023:

1988 wurde gegenüber von dem ehemaligen Synagogengrundstück eine Hinweistafel angebracht.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Ittlingen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 115-121.
  • Neuwirth, Gustav, Geschichte der Gemeinde Ittlingen, 1981.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 235-237.
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