Königheim

Pläne zum Neubau einer Synagoge in Königheim, 1830. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 380 4143]
Pläne zum Neubau einer Synagoge in Königheim, 1830. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 380 4143]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das Dorf Königheim war bis zu ihrem Aussterben im 16. Jahrhundert im Besitz der Grafen von Wertheim. Danach gehörte es bis 1803 zum Erzstift Mainz, von 1803 bis zum Anfall an Baden 1806 zum Fürstentum Leiningen.

Nach dem Nürnberger Memorbuch hatte der Ritter Rindfleisch 1298 auch die Juden in Königheim erschlagen. Die Zahl der Opfer ist nicht bekannt. Zur Zeit der Judenpogrome von 1348/49 bestand in Königheim wahrscheinlich keine Judengemeinde; jedenfalls ist nichts über eine Verfolgung berichtet. Seit dem 15. Jahrhundert dürften, mit kürzerer Unterbrechung während des Dreißigjährigen Krieges, bis zur Deportation am 22. Oktober 1940 ständig Juden in Königheim ansässig gewesen sein. Nach einem Weistum von 1422 oblag der Schutz der Juden in Königheim den Grafen von Wertheim „sust nyemand anders".

Schon 1780 besaßen die Juden eine Synagoge, wahrscheinlich einen Betsaal in einem Privathaus, das um 1820 verkauft worden sein muss, denn 1825 besaß die jüdische Gemeinde keine Synagoge mehr. Der Plan zu einem Neubau mit einem rituellen Bad konnte erst 1831 verwirklicht werden. 1886 brannte die Synagoge ab und wurde im folgenden Jahr wieder aufgebaut. Neben der Synagoge befand sich das israelitische Schulhaus, in dem bis zur Einführung der Simultanschule in Baden 1876 die jüdischen Kinder unterrichtet wurden. Seit 1827 gehörte die israelitische Gemeinde Königheim zum Rabbinatsbezirk Wertheim. Einen eigenen Friedhof besaß sie erst seit 1875, als die Beisetzung auswärtiger Juden auf dem bis dahin benützten Verbandsfriedhof Külsheim verboten wurde. Als 1894 die Gissigheimer Judengemeinde aufgelöst wurde, nahmen ihre verbliebenen Mitglieder am religiösen Leben in Königheim teil, bis in Gissigheim kein Jude mehr wohnte.

Lageplan zum Neubau anstelle der abgebrannten Synagoge in Königheim, 1886. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge geplündert. Das Gebäude brannte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs infolge Beschusses ab. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 380 4143]
Lageplan zum Neubau anstelle der abgebrannten Synagoge in Königheim, 1886. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge geplündert. Das Gebäude brannte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs infolge Beschusses ab. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 380 4143]

Die größte Seelenzahl erreichte die jüdische Gemeinde in den Gründerjahren nach 1870; danach nahm sie durch Ab- und Auswanderung ständig ab. 1825 wohnten in Königheim 67, 1875 121, 1900 81, 1925 44, 1933 37 und 1938 23 Ju den. Im Ersten Weltkrieg sind aus Königheim die Juden Julius Groß, Isidor und Louis Lichtenstetter und Benjamin Stern für ihr deutsches Vaterland gefallen.

Das Zusammenleben der Juden mit den übrigen Bürgern wird im allgemeinen als gut bezeichnet. Die Juden hatten für das Dorf große wirtschaftliche Bedeutung. 1933 gab es sieben jüdische Viehhändler. Philipp Sommer betrieb wie Bernhard Sommer eine Metzgerei neben dem Viehhandel. Im Ersten Weltkrieg erhielt er das Eiserne Kreuz 1. Klasse und die Badische Verdienstmedaille. Außerdem gab es eine Landesproduktenhandlung, eine Getreidegroßhandlung, ein Getreide- und Futtermittelgeschäft, zwei Weiß-, Woll- und Kurzwarengeschäfte, ein Email- und Tonwarengeschäft. Zwei Juden hausierten mit Textilien, Kurzwaren und Schuhen. Der von den Nationalsozialisten ausgeübte wirtschaftliche Boykott zwang bis 1938 alle Juden, ihre Geschäfte aufzugeben. 7 Juden zogen in eine andere deutsche Stadt, 17 suchten Sicherheit im Ausland, davon 12 in den USA, 3 in Holland und 2 in Chile. Die Zwillingsbrüder Albert und Hugo Sommer, die 1936 nach Holland ausgewandert waren, wurden 1942 verhaftet und über das KZ Westerbork nach Auschwitz deportiert. Sie sind beide verschollen.

Die 13 Juden, die in Königheim zurückblieben, wurden bei Kriegsausbruch im September 1939 mit einem Plakat „Wir sind die Kriegshetzer" durch den Ort geführt und anschließend sämtlich in das Haus des Juden Moses Sommer einquartiert, wo sie bis zur Deportation am 22. Oktober 1940 in etwa acht Räumen hausen mussten. Am Tage nach der Zwangseinweisung wurde ihnen noch einmal Gelegenheit gegeben, aus ihren Häusern das, was sie in Koffern mit den Händen tragen konnten, zu holen; einen Wagen durften sie nicht benutzen. Möbel konnten sie also nicht mitnehmen, sondern mussten sich mit dem im Hause ihres Glaubensgenossen vorhandenen Mobiliar recht und schlecht einrichten. Während der ganzen über ein Jahr dauernden Haftzeit war es ihnen verboten auszugehen, Besuche zu empfangen, Radio zu hören, ein Telefon zu benutzen oder die Fensterläden zur Straße hin zu öffnen. Nur der damals 75jährige Sigmund Marx durfte täglich zu einer festgesetzten Stunde das Haus verlassen, um die Lebensmittel für alle einzukaufen. Am 22. Oktober 1940 wurden 12 Personen nach Gurs deportiert. Nur zwei von ihnen sind mit Sicherheit befreit worden. Sigmund Marx und Bertha Stern erlagen bereits im Lager Gurs, Moses Sommer im Lager Les Milles den Strapazen. Sigmund Stern ist mit Sicherheit, acht weitere Leidensgefährten mit großer Wahrscheinlichkeit in Auschwitz ums Leben gekommen. Flora Sommer befand sich am Deportationstag auf dem amerikanischen Konsulat, um ihre Auswanderung zu betreiben. Als sie nach Königheim zurückkehrte, fand sie das „Ghetto" leer. Sie wanderte 1941 nach den USA aus.

Heute leben keine Juden in Königheim. Die Synagoge an der Hauptstraße erwarb die politische Gemeinde. 1945 wurde das Gebäude durch Beschuß vollständig zerstört. Nach dem Krieg errichtete die Städtische Sparkasse Tauberbischofsheim auf dem Gelände eine Filiale. Der Friedhof mit seinen etwa 50 Gräbern an einem Steilhang am Ortsrande ist der letzte Zeuge der jüdischen Gemeinde.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Königheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Gassenbauer, Burkart, Plötzlich abgeholt. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Königheim, hg. von Heimatverein Brehmbachtal, Königheim 2018.
  • Gehrig, Franz/Kappler, Helmut, Königheim. Alter Marktflecken und Weinort, hg. von Gemeinde Königheim, 1986.
  • Germania Judaica, Bd.2, 1. Halbband, hg. von Zvi Avneri, Tübingen 1968, S. 442.
  • Germania Judaica, Bd.3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 650-651.
  • Heinemann, Joseph, My life, 1866-1936, My ordeal, 1936-1946, Estate of J. Heinemann c. 1992.
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