Külsheim

Die Synagoge in Külsheim, um 1925. Im Zusammenhang mit den Pogromen im November 1938 wurde die Synagoge geplündert und beschädigt. Etwas später ging das Gebäude in Privatbesitz über und brannte infolge fahrlässig durchgeführter Reparaturarbeiten ab. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 498-1 Nr. 3454]
Die Synagoge in Külsheim, um 1925. Im Zusammenhang mit den Pogromen im November 1938 wurde die Synagoge geplündert und beschädigt. Etwas später ging das Gebäude in Privatbesitz über und brannte infolge fahrlässig durchgeführter Reparaturarbeiten ab. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 498-1 Nr. 3454]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Die häufig an verschiedene Familien, darunter die Herren von Dürn und die Grafen von Wertheim verpfändete kurmainzische Stadt Külsheim wurde 1536 Kellereiort und Sitz eines mainzischen Centgrafen. Von 1803 bis 1806 gehörte sie zum Fürstentum Leiningen und fiel dann an Baden.

Die Bischöfe von Mainz wie auch die Grafen von Wertheim waren den Juden wohlgesinnt, so dass diese früh in Külsheim Fuß fassen konnten. Während der Verfolgungen durch den Ritter Rindfleisch 1298, durch die Armleder 1336 und zur Zeit des Schwarzen Todes 1348/49 wurden viele von ihnen ermordet, doch bereits 1378 befanden sich in den neun oberen Städten des Kurfürstentums Mainz, zu denen Külsheim zählte, wieder Juden. Erzbischof Adolf von Mainz versprach, nur die übliche Steuer von ihnen zu erheben, sie zu schirmen, zu verteidigen und ihnen beim Einzug ihrer Forderungen behilflich zu sein. Auf dem Main und Rhein gewährte er ihnen Zollfreiheit.

Über das Schicksal der Külsheimer Juden während des 16. und 17. Jahrhun­derts ist uns nichts überliefert. Es ist jedoch anzunehmen, dass immer etliche Ju­ den in der Stadt wohnten. Um 1770 waren sie so zahlreich, dass sie sich eine eigene Synagoge und ein rituelles Bad errichten konnten. Die Synagoge wurde 1798 und später noch einige Male renoviert und wohl auch vergrößert. Der jüdische Friedhof im Westen der Stadt soll schon um 1600 angelegt worden sein. Vermutungen, wonach er zur Zeit der ersten Ansiedlung der Juden bereits benutzt worden sein soll, finden keine Bestätigung etwa in uralten Grabsteinen. Zunächst fanden hier auch die Juden von Gissigheim, Königheim, Tauberbischofsheim, Hochhausen und Hardheim die letzte Ruhe. 1875 wurde der Friedhof durch Beschluss des Bezirks­amtes Wertheim, wahrscheinlich wegen Platzmangel, für auswärtige Gemeinden geschlossen, die daraufhin eigene Friedhöfe anlegten.

Bis ungefähr zum Jahr 1875 war die israelitische Gemeinde im Wachsen be­griffen. Sie zählte 1825 51 Mitglieder, 1875 186 (10,6 Prozent der Bevölkerung) 1900 122, 1925 64 und 1933 noch 36. Die drei jüdischen Einwohner Hermann Blum, Emil Held und Moritz Kahn fielen im Ersten Weltkrieg.

In der Erwerbstätigkeit waren die Külsheimer Juden von jeher fast ausschließ­lich auf den Handel angewiesen; einige gründeten Ladengeschäfte. 1933 besaß die Putzmacherin Hannchen Baum einen kleinen Hutladen und Zerline Brückheimer ein Weiß- und Wollwarengeschäft. Die übrigen waren ambulante Händler. Sechs von ihnen handelten mit Vieh. Meier Naumann bewirtschaftete ein Gasthaus und beschrieb in seinen Mussestunden mit der Gänsefeder Thorarollen.

Bis 1933 gab es zwischen den jüdischen und den christlichen Einwohnern keine ungewöhnlichen Spannungen. Samuel Scheurer, der 1942 in Auschwitz umkam, saß im Gemeinderat. Die Külsheimer Juden waren strenggläubig. Die Mitglieder des Israelitischen Männervereins, der von 1843 bis ungefähr 1925 bestand, ver­sammelten sich allabendlich nach dem Gebet zu einer religiösen Belehrung.

Der von den Nationalsozialisten ausgeübte Boykott entzog auch den Külsheimer Juden allmählich die Existenzgrundlage. Die Viehhändler mussten im Herbst 1937 ihren Beruf aufgeben. Die Ladengeschäfte konnten sich noch ein Jahr halten. Bei der Judenaktion am 10. November 1938 wurden drei jüdische Männer verhaf­tet und nach Dachau verbracht. Dort starb der Gemeindevorsteher Bernhard Hahn, der schon vorher kränklich war. Die Synagoge, in der auch die Religionsschule untergebracht war, blieb in der Kristallnacht verschont. Die Thorarollen wurden nach Tauberbischofsheim gebracht und mit denen der dortigen Gemeinde auf dem Marktplatz verbrannt. 1941 erwarb ein Privatmann das Gebäude. Bei Umbau­ arbeiten wurde es 1944 durch ein Feuer infolge Kurzschluss zerstört. An seiner Stelle wurde später eine Scheune errichtet.

Zwischen 1934 und 1940 sind 10 Juden aus Külsheim verzogen, 6 nach den USA, 4 nach Palästina, 1 nach Argentinien ausgewandert und 6 noch in ihrer Heimatstadt gestorben. Am 22. Oktober 1940 wurden 13 Juden nach Gurs de­portiert. Von ihnen starben 2 in Frankreich, 3 wurden aus dem Lager entlassen, 5 in Auschwitz ermordet. Die übrigen sind verschollen. Von denen, die aus Küls­heim weggezogen waren, kamen mindestens 2 in der Deportation ums Leben.

Die zum Teil sehr alten verwitterten Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof im Gewann „Beim Judenbegräbnis" sind die einzigen Überreste der Judengemeinde, die hier viele Jahrhunderte bestanden hatte.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Külsheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Germania Judaica, Bd.2, 1. Halbband, hg. von Zvi Avneri, Tübingen 1968, S. 459-460.
  • Germania Judaica, Bd.3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 694.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • John, Herwig, Geschichte der Juden in Külsheim, in: Geschichte der Brunnenstadt Külsheim, hg. von Elmar Weiss/Irmtraut Edelmann/Helmuth Lauf, Bd. 2, Külsheim 1992, S. 129-169.
  • Spengler, Wilhelm, Wirkendes Leben. Ein Arzt erzählt, Lengerich/Westfalen ohne Jahr, S. 85-92.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 473-474.
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