Östringen

Synagogenstraße, heute Saarlandstraße, mit Synagoge und jüdischer Schule, Zeichnung von Friedwalt Essenpreis, 1927. Die Synagoge wurde in den 1930er Jahren wegen Baufälligkeit abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1388]
Synagogenstraße, heute Saarlandstraße, mit Synagoge und jüdischer Schule, Zeichnung von Friedwalt Essenpreis, 1927. Die Synagoge wurde in den 1930er Jahren wegen Baufälligkeit abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1388]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das Dorf Östringen gehörte bis 1803 zum Hochstift Speyer und fiel dann an Baden. Seit dem 18. Jahrhundert lebten in Ostringen Juden, 1740 5, 1785 7 Familien. 1825 betrug die Zahl der jüdischen Einwohner 54, 1875 96, 1900 67, 1925 20 und 1933 10.

1827 wurde Östringen dem Rabbinatsbezirk Bruchsal zugewiesen. 1834 wurde die Synagoge neben der Judenschule, die bis um 1900 als Religionsschule und Lehrerwohnung diente, erbaut. Im Keller der bereits 1784 erbauten Judenschule befand sich das Frauenbad, das im 20. Jahrhundert nicht mehr benützt wurde. Ihre Toten begruben die Juden auf dem Verbandsfriedhof bei Obergrombach, seit dem 19. Jahrhundert wohl auch in Mingolsheim.

In früherer Zeit lebten die Östringer Juden ausschließlich vom Handel, hauptsächlich mit Vieh. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert richteten vier Juden Zigarrenfabriken ein: Maier Wolf, Merzbacher, Marx & Schloß und Adolf Wolf. 1928 wurden zwei von ihnen, 1930 eine dritte stillgelegt. 1933 betrieb nur noch Ludwig Wolf eine Zigarrenfabrik mit 30-40 Arbeitern, die zum Teil in Heimarbeit beschäftigt waren. Das einzige jüdische Ladengeschäft war das Schuhgeschäft der Karoline Strauß. Louis Falk war Viehhändler. Das Verhältnis zwischen jüdischen und christlichen Bürgern war in der Regel gut.

Am Boykottag, dem 1. April 1933, wurden SA-Posten aufgestellt; zu Ausschreitungen gegen die Juden kam es nicht. Bald darauf gab Frau Strauß ihren Schuhladen auf und zog nach Heidelberg. Ludwig Wolf liquidierte seine Zigarrenfabrik 1936. In der Kristallnacht im November 1938 gelang es der SA in Östringen nicht, eine Aktion gegen die Juden zustande zu bringen, da der aktiv christliche Teil der Bevölkerung gegen den Nationalsozialismus eingestellt war. Ein Jude wurde verhaftet und für einige Wochen im KZ Dachau festgehalten. Die seit Jahren baufällige Synagoge blieb unversehrt, wurde aber später unter dem Druck der Kreisleitung der NSDAP beschleunigt abgebrochen.

Von den 1933 hier wohnhaften Juden starben zwei noch zu Hause; die übrigen sind bis auf Amalie und Ludwig Wolf umgezogen oder ausgewandert. Diese bei den wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert und 1942 in Auschwitz ermordet. Sofie Wolf wurde von Mannheim aus nach Gurs verschleppt und später ebenfalls umgebracht.

Auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge und der Judenschule an der Saarlandstraße steht heute ein Wohnhaus mit Wirtschaftsgebäuden.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Rothermel, Leopold, Ortsgeschichte der Pfarrgemeinde Ostringen, 1959. 

  • Essenpreis, Friedewalt, Erläuterungen zu den Zeichnungen der Synagoge und Judenschule der Östringer israelitischen Kultusgemeinde (Masch. Manuskript, vom Verfasser der Dokumentationsstelle zur Verfügung gestellt).

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Östringen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Heimatbuch Östringen. Geschichte einer Stadt, 1982.
  • Messmer, Willy, Juden unserer Heimat. Die Geschichte der Juden aus den Orten Mingolsheim, Langenbrücken und Malsch, Bad Schönborn 1986.
  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Karlsruhe 1990.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 247-248.
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