Richen

Bereich um den Standort der Synagoge, heute Ittlinger Str. 18, auf der Badischen Gemarkungskarte (1864). Das Gebäude wurde 1936 verkauft und in den 1960er Jahren abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1522]
Bereich um den Standort der Synagoge, heute Ittlinger Str. 18, auf der Badischen Gemarkungskarte (1864). Das Gebäude wurde 1936 verkauft und in den 1960er Jahren abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1522]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das Dorf Richen gehörte bis 1803 zur Kurpfalz, 1803-1806 zum Fürstentum Leiningen und fiel 1806 an Baden.

Die erste Nachricht über die Anwesenheit von Juden stammt aus dem Jahre 1722. Damals waren fünf Familien in Richen ansässig. 1743 und 1764 wurden elf jüdische Haushaltsvorstände gezählt. Außer dem Schutzgeld mussten die Juden Weide- und Husarengeld zahlen. 1761 betrug das Weidegeld 4 Gulden 30 Kreuzer. 1809 zahlten die Juden zusammen 345 Gulden Schutzgeld.

Nach seinem Geburtsort nannte sich der 1815 verstorbene Löb Herz Richen. Er war zuerst an der Elias Hayum'schen Klaus in Mannheim angestellt und wurde später Rabbinatsassessor in Heidelberg, wo er auch eine Talmudschule unterhielt.

1825 lebten in Richen 124 Juden (17,5 Prozent von 708 Einwohnern), 1875 103, 1900 nur noch 34, 1925 22 und 1933 15. 1827 wurde die israelitische Gemeinde Richen dem Rabbinatsbezirk Bretten zugeteilt. Sie besaß eine Synagoge, ein rituelles Bad und ein Armenhaus. Die Toten begrub man auf dem jüdischen Friedhof in Eppingen, im 18. Jahrhundert wohl noch in Waibstadt. 1935 zählte die israelitische Gemeinde nur noch neun Seelen, darunter nur noch zwei Männer. Sie wurde deshalb aufgelöst und die wenigen Juden der Nachbargemeinde Eppingen zugewiesen. Die baufällige Synagoge an der Hauptstraße wurde 1936 verkauft.

In den Tagen der Märzrevolution 1848 kam es auch in Richen zu Ausschreitungen gegen die Juden. Das Emanzipationsgesetz vom Jahre 1862 und die anschließende Abwanderung vieler Juden ließen die Spannungen allmählich abebben. Bald waren die männlichen Juden fast ausnahmslos Mitglieder des örtlichen Gesang- oder Turnvereins.

Die Beschäftigung der Richener Juden bestand ursprünglich im Handel mit Vieh, Pferden, Wolle, Häuten und Lumpen. 1933 waren in jüdischem Besitz eine Metzgerei, eine Getreide- und Futtermittelhandlung sowie zwei Lebensmittelgeschäfte. Adolf Dreifuß betrieb bis 1933 einen kleinen Viehhandel.

Während des Dritten Reiches kam es in Richen zu keinen Aktionen gegen die Juden. Infolge des allgemeinen Boykotts der jüdischen Geschäfte wanderte Adolf Dreifuß mit seiner Familie bereits 1934 nach Palästina aus. Die meisten der übrigen Juden verließen 1936 Richen und suchten sich in Argentinien oder in den USA eine neue Heimat und Existenz. 4 Israeliten starben nach 1933 noch zu Hause eines natürlichen Todes. In der berüchtigten Kristallnacht im November befand sich nur noch Betty Eppsteiner in Richen. Eine „Judenaktion" erübrigte sich daher. Betty Eppsteiner wurde am 22. Oktober 1940 von Karlsruhe aus nach Gurs deportiert, wo sie am 1. Dezember 1940 starb.

Die ehemalige Synagoge wurde nach dem Krieg wegen Einsturzgefahr abgetragen und damit die letzte Erinnerung an die jüdische Gemeinde beseitigt.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Meny, Heinrich, Aus meiner Heimat. Die Geschichte des Dorfes Richen, 1928

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Richen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 200-205.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
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