Untergrombach mit Obergrombach

Bereich der ehemaligen Judengasse, nach Errichtung des Gotteshauses Synagogenstraße, auf der Badischen Gemarkungskarte (1879-1881). Die Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt, im Zweiten Weltkrieg von Sprengsätzen getroffen und abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1931]
Bereich der ehemaligen Judengasse, nach Errichtung des Gotteshauses Synagogenstraße, auf der Badischen Gemarkungskarte (1879-1881). Die Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt, im Zweiten Weltkrieg von Sprengsätzen getroffen und abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1931]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Untergrombach gehörte bis 1803 zum Hochstift Speyer und fiel bei dessen Säkularisation an Baden.

Juden sind in Untergrombach zum ersten Mal während des Dreißigjährigen Krieges nachgewiesen. Unter Markgraf Friedrich VI. (1659-1677) von Baden-Durlach erhielt ein Jude aus Untergrombach Taschengeleit auf Jahresdauer für das markgräfliche Gebiet. 1712 wurde der Salzhandel für das baden-durlachische Unterland an den speyerischen Schirmjuden Kauffel in Untergrombach verpachtet. 1733 nahm Markgraf Ludwig Georg von Baden-Baden (1701-61) den Juden David Kaufmann von Untergrombach in den Schutz nach Gernsbach auf. 1740 und 1785 wohnten 10 Judenfamilien in Untergrombach. 1825 zählte das Dorf 78 Israeliten, 1875 116, 1900 106, 1925 56 und 1933 32.

1827 wurde die jüdische Gemeinde Untergrombach dem Rabbinatsbezirk Bruchsal zugeteilt. In diesem Jahrhundert erhielt sie auch eine eigene Synagoge. Für die Bestattung der Toten wurde der 1632 angelegte jüdische Friedhof in Obergrombach mitbenützt. An Wohlfahrtseinrichtungen besaß die Gemeinde einen Männer- und einen Frauenverein.

Wie bereits erwähnt, waren unter den Untergrombacher Juden des 17. und 18. Jahrhunderts tüchtige Kaufleute vertreten. In unserem Jahrhundert war das größte jüdische Unternehmen die Tabakgroßhandlung M. Meerapfel Söhne, eine der bedeutendsten deutschen Importfirmen für Sumatra- und Javatabake. Das Betriebsvermögen betrug rund 1 Million Mark. Benjamin Joseph führte die Ledergroßhandlung seines Vaters Jakob Joseph weiter. Der aus Rußland gebürtige Markus Kirnus hatte ein Lebensmittelgeschäft und Gustav Oppenheimer ein Geschäft für Schreinereibedarfsartikel.

Unmittelbar nach den Reichstagswahlen 1933 warfen SA-Leute Jakob Meerapfel die Fenster ein, worauf dieser mit Ehefrau und Bruder ins Elsass flüchtete. Auf Veranlassung von Prof. Meissner, dem Leiter des deutschen Tabakpflanzerverbandes, kehrte er bald wieder nach Deutschland zurück, nachdem ihm von höchsten Parteistellen zugesichert worden war, dass ihm in Deutschland nichts geschehe. Er ließ sich mit seiner Ehefrau in Karlsruhe nieder, liquidierte die Untergrombacher Firma und gründete in Karlsruhe eine Rohtabakvergärungs-AG, um die Werte seines Unternehmens zu sichern und den ausländischen Gläubigern eine gewisse Sicherheit für ihre Ansprüche zu geben. Nachdem dieser Zweck erfüllt war, wurde er 1937 trotz der früheren Zusicherung durch die Gestapo verhaftet. Er wurde jedoch bald wieder entlassen und wanderte über Holland nach Argentinien aus.

Jakob Joseph befand sich 1934/35 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zunächst in Untersuchungshaft und im Gefängnis, anschließend in „Schutzhaft" im KZ Kislau. In der Kristallnacht im November 1938 wurde die Einrichtung der Synagoge in der Sonnwendstraße demoliert. Wegen der Gefahr für die umliegenden Gebäude wurde sie nicht niedergebrannt. Bis 1939 waren insgesamt 19 Juden nach den USA, nach Argentinien und England ausgewandert. Einige zogen innerhalb Deutschlands um, einer starb noch zu Hause in Untergrombach. Am 22. Oktober 1940 wurden 5 jüdische Einwohner nach Gurs deportiert. Von ihnen gelangten Adele und Leopold Bär wieder in die Freiheit, während die übrigen wahrscheinlich in Auschwitz ermordet wurden. Nur ein in sogenannter Mischehe verheirateter Jude überlebte die Jahre der Verfolgung in Untergrombach. Die geschändete Synagoge wurde abgebrochen.


Die Stadt Obergrombach gehörte bis 1803 ebenfalls zum Hochstift Speyer und fiel bei dessen Säkularisation an Baden.

Juden lebten in Obergrombach seit dem Dreißigjährigen Krieg. Als im September 1646 bayerische Truppen die Stadt überrumpelten, nahmen sie dabei den Juden 25 Schafe weg. 1665 erhielt ein Jude aus Obergrombach von Markgraf Friedrich VI. (1659-1677) von Baden-Durlach auf ein Jahr Taschengeleit für die baden-durlachischen Gebiete; 1666 und 1667 wurde das Geleit verlängert. 1666 erhielt ein zweiter Jude aus Obergrombach die gleiche Vergünstigung. 1670 baten beide Juden um Verlängerung ihrer Geleitsbriefe. 1683 lebten in Obergrombach 3 Judenfamilien, 1685 7, 1701 5, 1740 8 und 1785 ebenfalls 8. 1788 betrug die Zahl der jüdischen Einwohner 33, 1825 43, 1875 26, 1900 11, 1925 3 und 1933 3. Im Ersten Weltkrieg starb Sigmund Falk den Soldatentod.

Seit 1827 gehörte die israelitische Gemeinde Obergrombach zum Rabbinatsbezirk Bruchsal. Durch Beschluss des Badischen Staatsministeriums vom 5. Juli 1888 wurde sie aufgelöst, da sie nur noch vier männliche Mitglieder zählte. Sie wurden der israelitischen Gemeinde Untergrombach zugewiesen.

Als Synagoge erwarb die jüdische Gemeinde 1845 die aus dem 14. Jahrhundert stammende spätgotische Kapelle am Fuße des Schlosses, die bis dahin als katholische Stadtkirche gedient hatte. Der Chor wurde nach dem Umbau 1846 abgebrochen. Nach der Auflösung der israelitischen Gemeinde 1888 erwarb der ehemalige badische Gesandte in Holland Gustav Georg Friedrich von Bohlen und Halbach, der seit 1885 Schlosseigentümer war, die erneuerungsbedürftige Synagoge und baute sie zu einer evangelischen Kirche um.

Der jüdische Friedhof (159,36 Ar) am Waldrande des Eichelberges auf Bruchsaler und Obergrombacher Gemarkung wurde 1632 für die Juden im Fürstbistum Speyer angelegt, um den Leichenzoll zu sparen. Bis dahin brachte man die Toten nach Worms zur Beerdigung. Auf dem neuen Begräbnisplatz wurden hauptsächlich die Juden aus den bischöflich-speyerischen Orten Bruchsal, Ober- und Untergrombach, Jöhlingen, Mingolsheim und Östringen beerdigt; aber auch aus kurpfälzischen (z. B. Bretten, Diedelsheim, Heidelsheim und Weingarten) und badischen (z. B. Durlach, Graben, Grötzingen, Pforzheim) Orten brachte man die Leichen der Israeliten hierher zur Bestattung. Ein Kind des Hofjuden Oberländer in Durlach und ein 1672 verstorbenes Kind des Schutzjuden Veit Isaak zu Pforzheim waren die ersten hier beigesetzten Juden des badischen Unterlandes. Als im 19. Jahrhundert die einzelnen jüdischen Gemeinden stark anwuchsen, legten sie eigene Friedhöfe an.

Die Obergrombacher Juden besorgten früher fast den ganzen Handel in der Stadt. Um 1850 werden 13 jüdische Handelsleute genannt, außerdem 2 Metzger und 1 Judenlehrer. Im 20. Jahrhundert spielten in Obergrombach die Juden nur noch eine geringe wirtschaftliche Rolle.
1933 lebte in Obergrombach nur der Viehhändler Bernhard Falk mit seiner Tochter Ida und seiner Schwester Fanny. Er stand mit allen Bürgern in gutem Einvernehmen. Um seiner Tochter im Oktober 1938 die Auswanderung nach den USA finanzieren zu können, kaufte ihm ein Obergrombacher Landwirt sein Anwesen für 7.000 Reichsmark in bar ab. Auf höheren Befehl musste er im Sommer 1940 mit seiner Schwester Obergrombach verlassen. Sie begaben sich in das jüdische Altersheim Gailingen. Von dort aus wurde Bernhard Falk am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo er am 30. Dezember 1940 starb. Seine Schwester lebte bis zu ihrem Tod im Jahre 1941 in Konstanz.

Der jüdische Friedhof bei Obergrombach wird heute von der Stadt Bruchsal betreut, auf deren Gemarkung er zum Teil liegt.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beck, Franz Xaver (Hrsg.), 1336-1936. 600 Jahre Stadt Obergrombach, 1936. 
  • Grzymisch, Siegfried, Der israelitische Friedhof bei Obergrombach, in: Isr. Gemeindeblatt 10, 1932. 
  • Hirth, Friedrich, Geschichtliches über Obergrombach, in: Aus Bruhrain und Kraichgau 12, 1934.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Untergrombach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

Untergrombach

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Lindenfelser, Josef, Juden in Untergrombach, hg. Heimatverein Untergrombach.
  • Lindenfelser, Josef, Ein Dorf im Wandel der Zeit, hg. Heimatverein Untergrombach, Ubstadt-Weiher 1995.
  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Karlsruhe 1990.
  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden in Bruchsal, (Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal 23), 2007.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 223-224.

Obergrombach

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Lindenfelser, Josef, Judenfriedhof Obergrombach (Heimatverein Untergrombach. Beiträge zur Heimatgeschichte 1), 1998.
  • Rott, Hans, Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Bruchsal, in: Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden IX,2, 1913, S. 268ff.
  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Karlsruhe 1990.
  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden in Bruchsal, (Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal 23), 2007.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 224.
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