Spohn, Matthäus 

Geburtsdatum/-ort: 25.09.1866;  Bleichstetten
Sterbedatum/-ort: 30.10.1935; Jerusalem
Beruf/Funktion:
  • Gutsverwalter, Hausvater
Kurzbiografie: 1870 Ausbildung im Schmiedehandwerk
1885–1886 Berufstätigkeit in Eningen unter Achalm und Tübingen
1886–1889 Militärdienst als Hufschmied beim 2. Württ. FeldAr. Regiment Nr. 29
1889–1891 Berufstätigkeit in Karlsruhe und Ettlingen
1891–1893 Ausbildung in der Diakonenanstalt Karlshöhe Ludwigsburg
1893 Entsendung nach Bir Salem, Palästina
1894–1917 Verwalter von Bir Salem
1918–1921 Tätigkeit in Feldkirchen und als Verwalter in Dettingen/Erms
1921–1935 Verwalter von Bir Salem
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 30.7.1896 Luise, geb. Hermann (5.8.1867–6.2.1956)
Eltern: Vater: Johannes Spohn (7.9.1839–26.2.1903), Schmied
Mutter: Anna Maria, geb. Bleher (17.9.1841–28.4.1863), Tochter des Landwirts Matthäus Bleher
Geschwister: 12
Kinder: 3:
Magdalene (21.4.1897–14.1.1960);
Johannes (29.11.1898–5.1.1987);
Wilhelm (17.5.1900–19.10.1917)
GND-ID: GND/1153088614

Biografie: Andreas Butz (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 213-216

Spohn wuchs in Bleichstetten auf der Schwäbischen Alb auf und besuchte dort von seinem sechsten bis zu seinem 14. Lebensjahr die Volksschule. Nach der Konfirmation blieb er im Elternhaus und lernte bei seinem Vater das Schmiedehandwerk. Im 19. Lebensjahr verließ er die Heimatgemeinde und lebte und arbeitete in Eningen unter Achalm und in Tübingen. Dort wurde er zum Militär ausgehoben und diente vom 5. November 1886 bis zum 30. September 1889 beim 2. Württembergischen Feldartillerie-Regiment Nr. 29 „Prinz-Regent-Luitpold von Bayern“. Bei dieser berittenen Truppe arbeitete er in der Schmiede und Hufschmiede des Bataillons. Nachher arbeitete er in Ettlingen und in Karlsruhe bis zum 15. Juni 1890. In Karlsruhe hatte er einige entschieden christliche Freunde kennengelernt und wurde Mitglied des evangelischen Jünglingsvereins. Anschließend kehrte er zunächst wieder nach Hause zurück und half seinem Vater in der Schmiede und in der Landwirtschaft. Durch einen Aufruf im Christenboten kam er zu dem Entschluss, sich um die Aufnahme in die Brüderanstalt Karlshöhe in Ludwigsburg zu bewerben. Dort ließ er sich als Diakon und in der Landwirtschaft ausbilden. Zunächst wurde er dann an verschiedenen Stellen in der Krankenpflege eingesetzt. Auf Anforderung des Leiters des Syrischen Waisenhauses Johann Ludwig Schneller in Jerusalem, der um die Entsendung eines in der Landwirtschaft bewanderten Diakons bat, wurde er von der Karlshöhe nach Palästina entsandt. Er schiffte sich am 2. November in Genua ein und kam am 15. November 1893 in seiner zukünftigen Arbeitsstelle Bir Salem bei Ramla in Palästina an. Dieses 585 Hektar umfassende Landgut war vier Jahre zuvor vom Syrischen Waisenhaus gepachtet worden. Spohn sollte den Verwalter Johannes Blankenhorn unterstützen. Blankenhorn hatte die Stelle selber erst in diesem Jahr angetreten. Mit großem Engagement widmete sich Spohn seinen Aufgaben in dem Betrieb, in dem zu dieser Zeit nicht alles zum Besten stand. Mit dem Verwalter Blankenhorn kam es zu Konflikten. Bereits im folgenden Jahr entschied sich dieser, in die Heimat zurückzureisen und die Verwalterstelle aufzugeben. Spohn wurde nun zunächst zum neuen Verwalter ernannt. 1903 wurde ihm ein neuer Mitarbeiter, Wilhelm Kohfink, als zweiter Verwalter zur Seite gestellt. Spohn sollte die Orangenkulturen, Kohfink die anderen Anlagen betreuen. Die gemeinsame Verwaltung des Guts währte jedoch nur bis 1905, als der zweite Verwalter ausschied und Spohn wieder alleiniger Verwalter wurde. Wie sich auch später immer wieder zeigen sollte, konnten andere Mitarbeiter neben Spohn, der mit seinem überdurchschnittlichen Engagement, seinem manchmal hitzigen Temperament, seinen sehr hohen Ansprüchen an andere und seiner kräftigen Natur dominierte, nur schwer bestehen. Ihm zur Seite standen drei Mitarbeiter des Syrischen Waisenhauses und ein Beduinenstamm. Mit diesen Beduinen, die auf den Gütern schon zuvor siedelten, hatte sich ein gutes Verhältnis entwickelt. Man ließ sie, – anders als oft üblich, dort wohnen und konnte die an die Hitze gewöhnten Araber dafür gewinnen, gegen Lohn auf dem Landgut zu arbeiten. Zwischen Spohn und dem Stammesanführer Abu Zeit entwickelte sich ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis. Die Anwesenheit der bewaffneten Beduinen erwies sich auch für die Sicherheit des Landguts als ein erheblicher Vorteil.
1896 wurde Spohn mit Luise Hermann aus Genkingen durch Pastor Hoppe im Betsaal des Syrischen Waisenhauses getraut. Als Hochzeitstext wurde dem Brautpaar auf den Weg gegeben: „Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus dem Heilsbrunnen“. Luise Spohn übernahm die Hauswirtschaft von Bir Salem und wirkte mit großem Fleiß in Küche, in Vorratskammern, in der Waschküche und Backstube.
Für die erfolgreiche Bewirtschaftung des Landguts war man vor allem auf eine umfangreiche Wasserversorgung der Pflanzungen angewiesen. Die Küstenebene, – die sogenannte Philisterebene –, in der Bir Salem lag, war diesbezüglich nicht ungünstig, da dort in noch erreichbarer Tiefe große Wasservorkommen vorhanden sind. Das Wasser aus dem Brunnen wurde zunächst noch, wie damals dort üblich, mittels eines Göpels geschöpft. Spohn nutzte im Spätjahr 1894 einen Heimaturlaub für einen zweimonatigen Arbeitsaufenthalt in der Motorenfabrik Deutz bei Köln, um dort nähere Kenntnisse über die dortigen Motoren zu erhalten. Bei seiner ausgesprochen technischen Begabung arbeitete er sich in das Wesen und in die Arbeitsweise des Explosionsmotors ein. Mit Hilfe eines nun für den Bir Salemer Friesiabrunnen angeschafften Motors konnte erheblich mehr Wasser gefördert werden als zuvor. Der Motor betrieb oben auch eine kleine Pumpe, durch die auch Wasser direkt ins Haus befördert wurde. Außerdem wurde außerhalb des Motorenhauses eine Zapfstelle für die Beduinen und eine Tränke für das Vieh angelegt.
Der Name des Landgutes war von Johann Ludwig Schneller mit Bedacht gewählt worden. Er bedeutet übersetzt Brunnen des Heils. Spohn kam auf die Idee, unten im Brunnen eine Pumpe zu montieren, die mit dem Motor betrieben werden sollte. Tatsächlich konnte nun so viel Wasser gefördert werden, dass man beim Friesiabrunnen den ersten Orangengarten anlegen konnte. Zur Sammlung des Wassers wurde oberhalb der Orangenpflanzungen ein Teich gebaut. Von dort aus wurde das Wasser mittels eines ausgeklügelten Systems direkt an jeden einzelnen Orangenbaum herangeführt. Um den Orangenanbau weiter ausweiten zu können, wurde an anderer Stelle ein weiterer Brunnen nach dem Vorbild des Friesiabrunnens angelegt. Die beiden Motoren wurden in den folgenden Jahrzehnten entsprechend dem technischen Fortschritt immer mehrfach durch bessere Motoren ersetzt. Der vielversprechende Orangenanbau wurde kontinuierlich verbessert. Die Orangen wurden zunächst ausschließlich nach Großbritannien, später auch nach Deutschland und die Schweiz exportiert. Sie erzielten höchste Preise. Ab 1903 wurde Gewinn erwirtschaftet, der sich kontinuierlich steigerte, so dass aus dem Orangenanbau von Bir Salem später erhebliche Mittel für die Waisenhausarbeit zuflossen. Neben dem Orangenanbau betrieb man in Bir Salem jedoch noch eine vielfältige weitere landwirtschaftliche Produktion, über die Spohn zu wachen hatte. Es wurden Reben angebaut, Wein gekeltert, es gab eine Geflügelfarm, Olivenanbau, es wurde Vieh gehalten und vieles andere mehr. Ein Teil dieser landwirtschaftlichen Produkte wurde direkt an das Syrische Waisenhaus geliefert, ein Teil wurde verkauft. Teile des Landgutes wurden mit Eukalyptusbäumen bepflanzt, unter anderem, um das Waisenhaus und die dortigen Betriebe, wie etwa die Töpferei, mit Brennholz versorgen zu können. Erst 1906 konnten das gepachtete Gelände, beziehungsweise 340 Hektar desselben, gekauft werden.
In Bir Salem wurde 1907 eine Außenstelle des Waisenhauses mit jeweils etwa 30, später 40 Zöglingen eingerichtet, mit dem Ziel, Waisenhauskinder auch in landwirtschaftlichen Fähigkeiten zu unterrichten und für diesen Beruf zu gewinnen. Diese Einrichtung wurde das „Philistäische Waisenhaus“ benannt, anknüpfend an die Lage in der Philisterebene. Dies zog nach sich, dass Spohn neben seiner Tätigkeit als Verwalter nun auch Hausvater einer Knabenanstalt wurde. Seine Frau wurde Hausmutter. Das Syrische Waisenhaus schickte immer wieder besonders schwierige Jungen nach Bir Salem, da Spohn ein besonderes Geschick im Umgang mit solchen Knaben aufwies. Er hatte schon vorher die Hausandachten im Landgut geleitet, nun auch diejenigen für die dort untergebrachten Waisenkinder. Der Kauf des Geländes hatte auch endlich die Möglichkeit eröffnet, auf dem Gelände feste Gebäude für die Unterbringung der Waisenhauszöglinge und der Mitarbeiter, für den Unterricht und die Verwaltung zu errichten, was 1911 bis 1912 geschah. Spohn übernahm die Bauaufsicht. Er, der bis dahin in einer Holzbaracke untergebracht war, konnte nun mit seiner Familie in das Obergeschoss des Wirtschaftsgebäudes einziehen. Der Erste Weltkrieg brachte neben den Einquartierungen von türkischen und deutschen Truppen auf dem Landgut auch eine ernste Heuschreckenplage, die nicht nur Bir Salem, sondern die ganze Region schwer schädigte. Im November 1917 musste Spohn das Landgut verlassen, da die Palästinafront nun Bir Salem erreichte und er nun in Gefahr schwebte, von den Engländern gefangengenommen zu werden. Er erreichte Deutschland um Ostern 1918. Seine Frau und seine Tochter hatte er schon vorher in Jerusalem untergebracht. Diese wurden von den Engländern bis 1919 in Ägypten interniert. Sein Sohn Hans weilte ohnehin zur Ausbildung in Deutschland. Der Sohn Wilhelm war zum deutschen Palästinaheer eingezogen worden und dabei im Oktober 1917 zum großen Schmerz der Eltern in Aleppo an einer Lungenentzündung gestorben.
Spohn arbeitete zunächst einige Monate in der Landwirtschaft der evangelischen Erziehungsanstalt Feldkirchen bei München und wurde dann von der Karlshöhe dazu bestimmt, als Verwalter das Gut der Gustav-Werner-Stiftung in Dettingen/Erms zu leiten. Bir Salem wurde nun zeitweise das Hauptquartier der britischen Truppen in Palästina und in die Verwalterwohnung zog General Allenby ein. Die Landwirtschaft wurde vom nunmehrigen Pächter einem australischen Colonel als Verwalter übergeben. 1921 wurde das Syrische Waisenhaus in Jerusalem und auch die Landwirtschaft in Bir Salem an die Eigentümer zurückgegeben. Im September 1921 kam Spohn mit seiner Frau in Jerusalem an und half zunächst im Syrischen Waisenhaus. Ab November 1922 konnte Spohn wieder in Bir Salem einziehen, zunächst in ein einfaches Zimmer und ab April 1923 in das Lehrerhaus, so dass dann auch seine Frau nachkommen konnte. In den Hauptgebäuden wohnte nach wie vor General Allenby mit seinem Stab. Die Landwirtschaft war in keinem guten Zustand und wurde nun unter großen Mühen wieder aufgebaut. Ab 1923 war auch der verbliebene Sohn Hans nach seiner technischen und kaufmännischen Ausbildung in Deutschland in Bir Salem tätig. 1926 zog das britische Militär aus. Die Waisenhaus-Außenstelle konnte nun wieder eröffnet werden und Spohn wieder seine Stelle als Hausvater antreten.
Die Landwirtschaft wurde in den Folgejahren immer weiter verbessert. Es wurden unter anderem auch neue Orangensorten und Pampelmusen angebaut. Ein Traktor wurde angeschafft, sowie auch eine Olivenpresse. Die Geflügelfarm wurde vergrößert, so dass sie nun 1200 Hühner umfasste. Es wurden 40 Bienenstöcke aufgestellt, um Honig zu erwirtschaften. 1930 umfasste das Anwesen 33 287 Orangenbäume, 2967 Ölbäume, rund 6000 Rebstöcke, 2000 Mandelbäume, 41 818 Eukalyptusbäume, sowie einen großen Zypressenbestand. Bir Salem war dank seines Organisationstalents, seines Pioniergeistes und seines Engagements zu einem umfassenden und musterhaften Betrieb gediehen. Der Orangenanbau mit der durch motorenbetriebene Pumpen gewährleisteten Wasserversorgung war beispielhaft für die ganze Umgegend geworden und wurde so auch von den Betrieben der jüdischen Ansiedler übernommen. Spohn blickte auf ein gelungenes Lebenswerk.
Einzig für den Getreideanbau war das Land von Bir Salem aufgrund des sandigen Bodens nicht geeignet. Deshalb wurde 1934 von der Waisenhausstiftung 430 Hektar geeignetes Land bei Chemet Allah erworben, das diesem Zweck dienen sollte. Spohn begleitete dieses neue Projekt in den Anfangsjahren intensiv als fachlicher Berater. Bis zur Einstellung des ersten Verwalters, Gottfried Stiefel, kümmerte er sich auch um die Verwaltung des neuen Gutes.
Die Bewohner der Umgebung nannten das Landgut nicht Bir Salem, sondern „Ardh Schbohn“ (Spohns Land) und der Beduinenstamm, der auf Bir Salem siedelte, wurde von den anderen Arabern die Spohn-Araber genannt, was beides vielleicht am ehesten deutlich macht, wie sehr es seine Person war, die Bir Salem ihren Stempel aufdrückte. So war es vielleicht nicht allzu verwunderlich, dass, als Spohn 1934 um seine Zurruhesetzung nachsuchte, sein Sohn Hans zum neuen Verwalter ernannt wurde. Sein Gesundheitszustand hatte nachgelassen. Ihm wurde vom Syrischen Waisenhaus ein Lehrerhaus beim Jerusalemer Haupthaus als Ruhestandswohnsitz zugewiesen. Er konnte noch vorschlagen, und 1935 erleben und begleiten, dass ein dritter Brunnen in Bir Salem gegraben wurde, um den Orangenanbau noch weiter auszubauen. Wegen anhaltenden Fiebers musste der knapp 69-Jährige im Oktober 1935 ins Hospital der Kaiserswerther Diakonissen in Jerusalem eingeliefert werden. Am 30. Oktober entschlief er daselbst. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Zionsfriedhof in Jerusalem.
Quellen: LKAS Bestand Karlshöhe Nr. 1251 (PA Matthäus Spohn); LKAS, K 8, 912 (Lebensbericht „Matthäus Spohn“ von Hermann Schneller, 1956); LKAS K 8 (Syrisches Waisenhaus Jerusalem).
Nachweis: Bildnachweise: Siehe Eisler, 105; LKAS, Bildbestand des Syrischen Waisenhauses Jerusalem.

Literatur: Ludwig Schneller, Vater Schneller, 1925, 240-252; Joseph Gauger, Blicke ins Heilige Land, 1929, 23-39; Der Bote aus Zion, 1935, Nr. 3, 281-282; Jakob Eisler/Norbert Haag/Sabine Holtz, Kultureller Wandel in Palästina im frühen 20. Jahrhundert, 2003, 101-107; Roland Löffler, Protestanten in Palästina, 2008, 291-292.
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