Zwischen Feindberührung und »amitié«
Unser Nachbar Frankreich
Im Jahr 842 besiegelten Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche, zwei Enkel Karls des Großen, ihr Bündnis um Ansprüche im fränkischen Reich in der Sprache des jeweilig anderen: Karl der Kahle, König des westfränkischen Reichs, sprach seinen Eid in althochdeutscher Sprache, während Ludwig der Deutsche, König im ostfränkischen Reich, seinen Eid in Galloromanisch ablegte. Diese Straßburger Eide sind ganz frühe Textzeugnisse für die Vorläufer der heutigen Sprachen Französisch und Deutsch und gleichzeitig der älteste Rechtstext, der die sprachliche Trennung zwischen dem West- und dem Ostfrankenreich bezeugt. Und sie belegen eindrucksvoll nicht nur die Bedeutung von Sprache bei der Bündnispolitik, sondern sie weisen uns auch auf die gemeinsamen Wurzelns Frankreichs und Deutschlands hin:
Das westfränkische und das ostfränkische Reich, die beide aus dem Reich Karls des Großen hervorgingen, wurden zum Ausgangspunkt der Herausbildung von Frankreich und Deutschland. Die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland sind wechselhaft und voller Verflechtungen, Kontakte und Konflikte. Jedoch erst im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sprach man – vor dem Hintergrund zahlreicher Kriege – vom »Erbfeind« Frankreich. Die Erinnerung an die gemeinsamen Wurzeln Deutschlands und Frankreichs geriet in den Hintergrund. Nach 1945 gelang eine Annährung und schließlich Freundschaft – amitié – mit Frankreich. Durch Städtepartnerschaften, Schüleraustausche und Schulen wie das deutsch-französische Gymnasium in Freiburg ist die amitié mit Frankreich heute in unserem Alltag angekommen. Die deutsch- französische Freundschaft ist ein wichtiger Grundpfeiler der europäischen Gemeinschaft. Das Thema der folgenden Artikel ist die gemeinsame und wechselvolle Geschichte mit unserem Nachbarn Frankreich. Denn der deutsche Südwesten hatte und hat durch seine Grenzlage eine ganz besonders intensive Beziehung zu Frankreich. Anlass ist das 150-jährige Gedenken an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Zwischen Feindberührung und »amitié« spüren die Autorinnen und Autoren sowohl Kriegen, Konflikten als auch personellen Verbindungen, kulturellem Austausch, Annäherungen und Berührungen nach.
Editorial der Archivnachrichten 61 (2020)
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