Fickler, Josephus (Joseph) Vincentius 

Geburtsdatum/-ort: 06.02.1808;  Konstanz
Sterbedatum/-ort: 26.11.1865;  Konstanz
Beruf/Funktion:
  • Redakteur der Konstanzer „Seeblätter”
Kurzbiografie:

1832/33 Herausgeber des „Konstanzer Wochenblatts“

18371849 Herausgeber der „Seeblätter”

1845 ff. Engagement in der deutsch-katholischen Gemeinde Konstanz

1848 IV 8 Verhaftung auf dem Karlsruher Bahnhof durch Karl Mathy (1807–1868), Fanal für den Hecker-Aufstand; mit Fickler fehlt der wohl geschickteste Agitator bei den Aufständischen

1849 V 9 Hochverratsprozess und Freispruch; nach Ausbruch der dritten badischen Erhebung Mitglied im Landesausschuss der Volksvereine, der geheimen Kriegskommission und der provisorischen Regierung

18491851 Verhaftung in Stuttgart, Hohenasperg; auf Kaution freigelassen; Exil in der Schweiz

1851/52 Übersiedlung in die Vereinigten Staaten, wo Fickler das Shakespeare Hotel in New York als deutsche Exilanten-Anlaufstelle führte

1865 tödlich erkrankt an Magenkrebs; Rückkehr nach Konstanz

Weitere Angaben zur Person: Religion: rk., dann deutsch-katholisch (=freireligiös)
Verheiratet:

I. 1831 (Konstanz) Josepha, geb. Dopfner (auch Dopfer, Topfer oder von Topfer; 1805/06–1831)

II. 1840 (Konstanz) Caroline Josefa, geb. Kees


Eltern:

Vater: Franciscus Jacobus (1784/5 (?)–1824), Schmelzer

Mutter: Maria Eva, geb. Knäblin (1787–1828)


Geschwister:

Karl Alois (1809–1871)


Kinder:

2; aus I. Bertha (geb. 1831); aus II. (?) Anna Antonia (geb. 1837), unklar ob un- oder vorehelich

GND-ID: GND/11853288X

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 122-127

Fickler entstammte einer alten und wohlhabenden Familie, die aus Tirol eingewandert war. Allerdings hatte der Vater Ficklers bei Spekulationsgeschäften Geld verloren, so dass die Familie in sozialen Abstieg geriet. Darum blieb Fickler auch eine höhere Schulbildung verwehrt, er lernte stattdessen Kaufmann. Sein Wissen in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hat er sich vollständig autodidaktisch angeeignet. Da Fickler das Studium fehlte, nahm er im Kreise der akademisch gebildeten Publizisten des Vormärzes zeitlebens eine Außenseiterstellung ein und wurde von Redakteuren konkurrierender Blätter, zumal aber gegnerischen Abgeordneten der II. Kammer als ungebildet abqualifiziert.

Ficklers journalistische Karriere begann 1832/3, als er „das lebendig geschriebene und kämpferische Konstanzer Wochenblatt“ (Deuchert, 1983, S. 137) herausgab, eine oppositionelle Zeitung, die wegen der um die Mitte der 1830er Jahre wieder reaktionären Gesetzgebung rasch einging. Fickler übernahm 1837 die Redaktion der im Jahr zuvor gegründeten „Seeblätter”. Da diese Tätigkeit kein Auskommen bot, betrieb er noch ein „Kunst- und Alterthumskabinett“ mit Originalen und Repliken, dessen Besuch Eintritt kostete. Das Kabinett hatte er vom Buchhändler Joseph Kastell (1770–1844) erworben.

Die „Seeblätter”, das zeitweilig einzige oppositionelle Blatt in Baden, waren auch das kleinste. Trotz dauernder Kämpfe mit der Zensur existierte es immerhin zwölf Jahre, das war die längste Zeit, die eine oppositionelle Zeitung des Vormärz in Baden erreichte. Auch wenn ihre Auflage nur etwa 400 betrug, hatte die Zeitung mehr Leser; denn sie lag in Gaststätten und Lesezirkeln aus. Dennoch rief Fickler am Beginn der 1840er Jahre seine Leser zum Abonnement auf: die Auflage müsse 700 erreichen, um den Fortbestand des Blattes zu sichern. Diese Auflage konnte tatsächlich nur 1848/49 überschritten werden. Bis dahin bedurfte es der Unterstützung der ungleich größeren oppositionellen „Mannheimer Abendzeitung“, die zum Abonnement der „Seeblätter” aufrief.

Bis heute ist nicht bekannt, wer der Eigentümer der „Seeblätter” war; zu den Förderern Ficklers und seiner Zeitung gehörte der Konstanzer Bierbrauer und Sonnenwirt August Schmid, der 1847 eine Kaution in Höhe von 1000 Gulden leistete und wiederholt Strafen von Ficklers „ Pressvergehen“ beglich. Außerdem zählte der deutschkatholische Dekan und Abgeordnete Dominikus Kuenzer (1793–1853) zu den Gönnern Ficklers. Als Fickler dann 1843 mit ihm in Streit geriet, musste er einen zinslosen Kredit an ihn zurückzahlen. Außerdem hatte Fickler eine Reihe von Sympathisanten in der Konstanzer Oberschicht, selbst bei Gericht, und diese Freunde sorgten dafür, dass Geldstrafen für Pressvergehen eher milde ausfielen. Sie ließen auch brisante Informationen zu Fickler durchsickern. Ein Richter am Oberhofgericht habe zu den „Hauptmitarbeitern“ der „Seeblätter” gehört und regelmäßig Artikel geliefert, ließ Fickler wissen. Auch Abgeordnete wie Friedrich Hecker (1811–1881) meldeten sich in den „Seeblättern“ zu Wort. Im Übrigen aber war Fickler bis 1845/46 Einzelkämpfer.

Nach den Karlsbader Beschlüssen von 1819 wurde die badische Presse entgegen der Landesverfassung zensiert. Das war die Situation, als Fickler die Redaktion der „Seeblätter” übernahm. 1832 nach der Julirevolution war zwar kurze Zeit ein Gesetz in Kraft, das die Zensur für Druckschriften unter 20 Bogen aufhob, auf Pressionen des Frankfurter Bundestags hin musste die großherzogliche Regierung dieses Gesetz aufheben.

Von der Zensur waren die „Seeblätter” Ende der 1830er Jahre dennoch kaum betroffen; denn der zuständige Zensor schätzte sie als ein Blatt ein, das lediglich in Baden, keinesfalls jedoch im benachbarten Bayern oder Österreich gelesen werde. Seine Aufmerksamkeit war stärker auf Johann Georg August Wirth (1798–1848) und seine „Deutsche Volkshalle“ gerichtet, die in Kreuzlingen erschien. Bei späteren Auseinandersetzungen mit der Zensur profitierte Fickler auch von der Nähe zur Schweizer Grenze, die ihm ermöglichte, Artikel, die der Konstanzer Zensor gestrichen hatte, im Thurgau in einer freisinnigen Zeitung unterzubringen, die mit Kommentaren liberaler Schweizer Redakteure versehen, die Zensur in Baden verspotteten.

Den Ausgangspunkt für Konflikte Ficklers mit der Zensur bildeten die Auseinandersetzungen zwischen dem hochkonservativen Außenminister Friedrich Landolin von Blittersdorff (1792–1861) mit der liberalen Opposition, zumal im „Urlaubsstreit“ (Peter, vgl. S. 424). Die Zensur der Karlsruher Zeitung besorgte der Minister selbst. Durch Freunde gelang es Fickler jedoch, in den Besitz einer Karlsruher Zensurfahne zu gelangen. Er druckte sie ab und zog den Minister ins Lächerliche, da sichtbar wurde, wie kleinlich Blittersdorff vorging. Fickler unterstützte auch die Oppositionsforderung nach Öffentlichkeit der Verhandlungen, indem er die Reden liberaler Politiker in den „Seeblättern“ ungekürzt abdruckte. Das gewann deren Sympathie, die für die „Seeblätter” eintraten, wenn diese in Schwierigkeiten mit der Zensur waren. Schließlich narrte Fickler auch die Zensur, indem er eine völlig harmlose (!) Ausgabe ohne Erlaubnis des Zensors versandte. Als dieser dagegen protestierte, war er, mangels Masse, erneut lächerlich geworden. Ein weiterer Trick des findigen Fickler waren Leerzeilen in seinem Blatt, die auf Zensurlücken aufmerksam machten. Letztlich gelang es Fickler damit sogar, den Zensor Franz Josef Pfister in der Konstanzer Gesellschaft zur persona non grata zu machen.

Minister von Blittersdorff versuchte schließlich, die Verbreitung der „Seeblätter” zu verhindern und bat beim Hause von Thurn und Taxis darum, deren postalische Zustellung zu unterbinden. Thurn und Taxis kam dem Wunsch Blittersdorffs nicht direkt nach, nur der Konstanzer Posthalter, der dafür den Orden vom Zähringer Löwen erhielt.

Der Landtagswahlkampf 1842 brachte einen ersten Höhepunkt in Ficklers Auseinandersetzung mit der Zensur: Wegen Pressvergehen wurde er zu drei Wochen Haft verurteilt, was aber wieder nur die Opposition stärkte. Sie ging schließlich als Sieger aus der Wahl hervor, was Fickler und seinem Blatt half. Die „Seeblätter” und die Kammerliberalen wurden als Einheit begriffen. Minister von Blittersdorff musste resignieren.

Schon im Landtagswahlkampf 1842 zeichneten sich erste Risse zwischen Fickler und den gemäßigt Liberalen ab, und der hochangesehene Liberale Adolf Sander (1801–1845) verhinderte zusammen mit Kammerpräsident Johann Baptist Bekk (1897–1855) Ficklers Landtagskandidatur. Dafür griffen die „Seeblätter” dann Bekk an, der nur mit Mühe den Wiedereinzug ins Parlament schaffte.

Auch die fortschrittlichen Kräfte in der Konstanzer Kommunalpolitik spalteten sich. Hier stellten Ficklerund der Advokat Ignaz Vanotti (1798–1870) die Pole dar. Es ist kennzeichnend, dass Vanotti für die höchstbesteuerte Klasse, Fickler dagegen als Repräsentant der mittleren Steuerklasse in den Bürgerausschuss gewählt wurde.

Fickler trat unverändert für die Ziele der Kammerliberalen ein: für die späteren Märzforderungen deutsche Einheit, Pressefreiheit, Schwurgerichte und Bürgerbewaffnung. Er vertrat sie jedoch kompromissloser. Sein Ziel war es, breitere Volksschichten am politischen Geschehen partizipieren zu lassen. Fickler bediente sich deshalb des derben Sprachduktus’, um Bauern und Handwerker im Seekreis zu gewinnen.

Die Pflicht der Abgeordneten sah er darin, einen politischen Erziehungsauftrag wahrzunehmen, der auch kleinbürgerliche Schichten und bislang ausgegrenzte Gruppen einschloss. Der rein bürgerliche Liberalismus der Geschäftsleute, Professoren und Advokaten schien ihm im Wohlleben erschlafft. Er konnte zu keiner politischen Erneuerung führen. Darum wollte Fickler eine solide Massenbasis. Politische Verbesserungen könnten nur vom vierten Stand ausgehen. Deswegen setzte sich Fickler auch für die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wandernder Handwerksburschen ein, einer von der Regierung wie von vielen Kammerliberalen gefürchteten Schicht, der vorgeworfen wurde, sozialistisches Gedankengut zu verbreiten. Zugleich engagierte sich Fickler im Konstanzer Bürgerausschuss für die Emanzipation und Niederlassungsfreiheit der Juden, womit er in den 1840er Jahren aber noch nicht durchdringen konnte.

Fickler verfolgte die Abstimmungen der Kammer intensiv und stellte bei einer Mehrzahl der liberalen Parlamentarier eine allzu „gemütliche“ (Regina Emmighaus-Husserl, 1972, S. 28) Haltung fest. Solchen Abgeordneten kreidete er an, dass sie unverändert den Kompromiss mit der Regierung suchten. Er hingegen ging wegen der fehlenden Reformbereitschaft des Deutschen Bundes auf Konfrontation. Nach Überzeugung der „Seeblätter” konnte das Land durch die Politik Bekks, der 1846 ins Ministerium berufen worden war, nicht vorankommen. Ihm zog er sogar Minister von Blittersdorff vor, der mit seiner reaktionären Politik die Politisierung breiterer Bevölkerungsschichten vorangetrieben hatte. Parlamentarier wie Bekk gehörten für Fickler zum Juste Milieu und galten dem Konstanzer Redakteur letztlich als gesinnungslos. Im Kampf mit der Regierung sollte die Kammer sämtliche verfassungsmäßigen Mittel einsetzen, wozu die Mobilisierung der Bevölkerung während der Wahlen genauso gehörte wie gegebenenfalls Steuerverweigerung und passiver Widerstand. Der Aufruf zur Steuerverweigerung im Herbst 1847 war jedoch kaum wirksam. In der Kammer unterstützten lediglich sechs bis zehn Abgeordnete die Ansichten Ficklers, darunter Friedrich Hecker und Karl Mathy (1807–1868), der mit Hilfe Ficklers 1842 das Konstanzer Landtagsmandat errungen hatte.

Alfred Diesbach  konnte nachweisen, dass Fickler bereits im Winter 1847/1848 überaus umtriebig war und ausgedehnte Reisen u. a. in die Schweiz, ins Elsass und ins Rheinland unternahm. Dabei kam er mit Persönlichkeiten zusammen, die in den beiden kommenden Jahren eine bedeutende Rolle spielen sollten: Johann Philipp Becker (1809–1886) und August von Willich (1810–1878).

Als im März 1848 die Zensur gefallen war, traten die „Seeblätter” offen für die Republik ein. Fickler vertrat dies auch auf Volksversammlungen am 5. März in Konstanz, am 9. März in Stockach und am 12. März in Hegne. Vor jeweils 2000 bis 3000 Zuhörern forderte er „permanente Komitees“ in den Gemeinden, die die Durchsetzung der Märzforderungen, besonders die Volksbewaffnung, überwachen sollten. Diese „politischen Komitees“ der einzelnen Gemeinden sollten mit dem „Hauptkomitee“ in Konstanz Verbindung halten und gemeinsam auf die Proklamation einer Republik und die Einsetzung einer provisorischen Regierung hinarbeiten. Damit versuchte Fickler eine feste Organisationsbasis der Demokraten zu schaffen. Auf der zweiten Offenburger Versammlung am 19. März 1848 konnte er sich aber mit der Forderung, gestützt auf die neu geschaffene Organisation die Republik auszurufen, nicht durchsetzen. Er traf selbst auf den Widerspruch Heckers, der noch hoffte, im Vorparlament eine Mehrheit für sein republikanisches Programm zu erhalten und deshalb den legalen Weg gehen wollte. Erst nachdem er und Struve (1805–1870) mit ihren Anträgen im Vorparlament gescheitert waren, kam es am 3. April 1848 in Frankfurt zu einem Treffen mit Fickler, dem württembergischen Abgeordneten Theodor Mögling (1814–1870) und dem Anarchisten Michael Bakunin (1814–1867), wobei Möglichkeiten erörtert wurden, eine Volkserhebung in Baden zu organisieren. Fickler vertrat dabei die Überzeugung, dass nach den vorangegangenen Volksversammlungen gerade im Seekreis die nötige Massenbasis vorhanden sei. Nun wurden Fickler und Struve beim badischen Bundestagsgesandten Karl Theodor Welcker (1790–1869) vorstellig und forderten ultimativ, dass auf Urversammlungen in Baden binnen acht Tagen über Monarchie oder Republik abgestimmt werden solle. Bis dahin garantierten sie, käme es zu keinen Volkserhebungen, auch nicht zum Einmarsch einer deutschen Legion aus politischen Emigranten aus Frankreich oder der Schweiz.

Tatsächlich nutzte Fickler dann eine Volksversammlung in Achern für Gespräche mit Georg Herwegh (1817–1875), um die Aufstellung einer deutschen Legion in Frankreich voranzutreiben. Gleichzeitig wurden seine Verbindungen zu Johann Philipp Becker intensiver, um Anwerbungen für eine deutsche Legion auch in der Schweiz zu beschleunigen.

Die Aktivitäten Ficklers blieben der badischen Regierung nicht verborgen. Auf eigene Veranlassung ließ der frühere Gesinnungsgenosse Ficklers, Karl Mathy, der sich inzwischen der Regierung angenähert hatte und wenige Wochen später Staatsrat wurde, diesen am 8. April auf dem Karlsruher Bahnhof verhaften, was den Anlass für den Heckeraufstand gab. Die badischen Republikanern hatten mit Fickler ihren wortgewaltigsten und populärsten Anführer verloren.

Fickler wurde wegen Hochverrats angeklagt, jedoch am 9. Mai 1849 von einem Freiburger Sondergericht freigesprochen. Wenige Tage später brach die Meuterei der Rastatter Garnison aus. Der Großherzog flüchtete und der Landesausschuss der Volksvereine übernahm die Macht. Am 15. Mai wurde Fickler in Karlsruhe zum Vizepräsidenten des Landesausschusses der Volksvereine gewählt. Dessen Arbeit aber litt unter dem Gegensatz zwischen Lorenz Brentano (1813–1891) sowie Struve und Fickler Brentano wollte einen vollständigen Bruch mit dem Großherzog vermeiden, Struve und Fickler aber erstrebten nicht nur sofort die Republik, sie wollten die Revolution auch in die anderen Staaten des Deutschen Bundes hineintragen.

Ende Mai wurde Fickler Mitglied der geheimen Kriegskommission und am 1. Juni der Provisorischen Regierung. Dieses neue fünfköpfige Gremium trat an die Spitze des badischen Staates, nachdem sich der Landesausschuss als zu schwerfällig für die Regierungsarbeit erwiesen hatte.

Als Regierungsmitglied reiste Fickler nach Stuttgart, wo er erreichen wollte, dass die östliche Flanke Badens nicht durch württembergisches Militär bedroht würde. Sein Ziel war, einen Bundesgenossen der badischen Revolutionsregierung zu gewinnen. Dieser Versuch scheiterte, Fickler wurde am 2. Juni in Stuttgart verhaftet und auf den Hohenasperg inhaftiert. Offiziell wurde ihm vorgeworfen, er habe versucht, das württembergische Militär durch finanzielle Zuwendungen zu beeinflussen. Dafür habe er 5000 Gulden mit sich geführt. Nach der Niederschlagung der Revolution ließ ihn die württembergische Regierung auf Kaution frei.

Ficklerflüchtete in die Schweiz und die großherzogliche Regierung versuchte seine Auslieferung beim Bundesrat in Bern zu erwirken. Die größte Sorge der Karlsruher Regierung war es, Fickler könne von einem der Grenzkantone aus erneut die badische Bevölkerung aufwiegeln. Am Ende drängte der Bundesrat Fickler Ende 1851/1852 zur Ausreise. Er reiste über London in die USA und übernahm in New York die Leitung des „Shakespeare-Hotels“, was seine materielle Grundlage schuf. Ficklers Ziel war es, dort Gesinnungsgenossen zum erschwinglichen Preis Unterkunft und Verpflegung zu bieten. So schuf er eine Anlaufstelle für ehemalige 1848er Revolutionäre. Struve, Franz Sigel (1824–1902), von Willich, Karl Heinzen (1809–1890) und Friedrich Aneke (1818–1872) verkehrten im Shakespeare-Hotel. Sie gründeten bald einen deutschen Turn- und Gesangsverein.

Die Haltung Ficklers im amerikanischen Bürgerkrieg bleibt unklar. Während Diesbach meint, Fickler sei unter den Bedingungen des Exils zerbrochen, habe sich der Sklavenhalterpartei des Südens angeschlossen und sich damit isoliert, da alle bedeutenden 1848er auf der Seite des Nordens kämpften. hat Franz Mors in seiner Quellensammlung zu Fickler im Exil Aussagen von Franz Sigel und eine Notiz im Brockhaus Konversationslexikon von 1898 angeführt, wonach Fickler auf Seiten des Nordens gekämpft habe. Dies erscheint so plausibler.

1865 machte Fickler von der drei Jahre zuvor erlassenen Amnestie Gebrauch und kehrte nach Konstanz zurück. Von schwerer Krankheit, wohl Magenkrebs, gezeichnet verstarb er kurz darauf mit 57 Jahren.

Karl Marx (1818–1883) hat darauf verwiesen, dass Fickler wegen seiner zweimaligen Verhaftung 1848 und 1849 anders als die anderen Revolutionäre der Gefahr entgangen sei, sich zu kompromittieren. Beide Verhaftungen haben dazu beigetragen, dass er zu einem „vergessenen Revolutionär“ (Norbert Deuchert, 1983, S.133) wurde, den die Forschung kaum beachtet hat.

Inzwischen ist jedoch die Geschichte der „Seeblätter” intensiv aufgearbeitet und Fickler, nicht Akademiker, aber ein genialer Autodidakt, hat seine Würdigung als ein wortgewandter Volkstribun erhalten, der durch seine derbe Sprache die bäuerlichen und kleinbürgerlichen Schichten im Seekreis mobilisiert hat. Darum war in der großherzoglichen Regierung gefürchtet gewesen und wurde verhaftet, was den Heckerzug einer großen Stütze beraubte.

Quellen:

StadtA Konstanz Z XII, Personendokumentation Joseph Fickler; – Übersicht aller Archivalien zu Fickler im GLA Karlsruhe und im StA Freiburg in: Heinrich Raab, Revolutionäre in Baden 1848/49, 1998, 326; Konstanzer Wochenblatt 1832/1833; Seeblätter Konstanz 1836–1849; Seeblätter. Reprint einer revolutionären Zeitung. Unveränderter Nachdruck d. Ausgaben vom 1. März bis zum 30. April 1848, 1998.

Werke: Erinnerungen an den badischen Landtag von 1842, 1842.
Nachweis: Bildnachweise: Zeitgenössische Lithographie (o. J.), Rosgarten-Museum Konstanz.

Literatur:

(Auswahl) Alfred Diesbach, Das Konstanzer Wochenblatt. Das Portrait einer kämpferischen Zeitung, in: Hegau, 20, 1965, 243–275; ders., Die Lebensgeschichte des Joseph Fickler , in: Die Kulturgemeinde 9,1967/1968, 5–9; Karl Marx/Friedrich Engels, Die großen Männer des Exils, in: Werke. Karl Marx, Friedrich Engels, Bd. 8, 2. Aufl. 1969, 233–335, zu Fickler 316; Alfred Diesbach, Die deutschkatholische Gemeinde Konstanz 1845–1849, 1971; Regina Emminghaus-Husserl, Demokratischer Radikalismus im Spiegel der Seeblätter 1836–1849 im Vormärz, Zul. Arbeit Konstanz 1972; Alfred Diesbach, Konstanz im Revolutionsjahr 1848, in: Konstanzer Blätter für Hochschulfragen 40, 1973, 93–109; ders., Joseph Ficklers Rolle in der dritten badischen Volkserhebung, in: BH 54, 1974, 193–220; ders., Hintergründe zur badischen Volkserhebung von 1848, in: Südkurier vom 22.8.1974; ders., Treffpunkt dt. „Achtundvierziger“ in New York, in: Oberländer Chronik. Heimatblätter des Südkurier 336, 1979, 3 f.; Elmar B. Fetscher, Die Rolle der Seeblätter in zwei Überlinger Skandalen (1845/1846), in: Schriften des Vereins des Bodensees und seiner Umgebung, 98, 1980, 181–194; Elmar B. Fetscher, Die Konstanzer Seeblätter und die Pressezensur des Vormärz, 1840/41, 1981; Alfred Diesbach, Redakteure, Mitarbeiter und Förderer der Seeblätter um 1848, in: Hegau 27, 1982, 139–153; Norbert Deuchert, Vom Hambacher Fest zur Badischen Revolution, 1983; Elmar B. Fetscher, Der Konstanzer Bürgermeister Karl Hüetlin und seine Zeit (1832–1849), 1988; Gert Zang, Konstanz in der großherzoglichen Zeit, Bd. 1, Restauration. Revolution. Liberale Ära 1806 –1870, 1994; Norbert Fromm, Konstanz, in: Revolution im Südwesten. Stätten der Demokratiebewegung 1848/49 in Baden-Württemberg, hgg. von der Arbeitsgemeinschaft der hauptamtlichen Archivare im Städtetag Baden-Württemberg, 1998, 323–338; Wolfgang Kramer, Anmerkungen zur badischen Revolution 1848, in: Seeblätter. Reprint einer revolutionären Zeitung, 1998, 7–21; Christina Berger, Politische Presse im Vormärz, ebd., 22–33; Heinz Bothien (Hg.), Die Exilantendruckerei Belle –Vue bei Constanz, 1998; Wolfgang von Hippel, Revolution im deutschen Südwesten, 1998; Franz Mors, Joseph Fickler. Stationen eines politischen Flüchtlings. Schweiz – England – Vereinigte Staaten, unveröffentl. Manuskript 1998, in: StadtA Konstanz Z XII; Patrick Oelze, Der Vergessene: Joseph Fickler, in: ders. (Hg.), Revolutionen: ein historisches Lesebuch, 2014, 169–173; Tobias Engelsing, Das jüdische Konstanz. Blütezeit und Vernichtung, 2015; ders., Joseph Fickler: 1808 bis 1865, in: Momente 2018, Heft 2, 25; Auskunft von Tobias Engelsing, Rosgarten-Museum, Konstanz vom 30.11.2018.

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