Markelsheim mit Igersheim

Die Synagoge in Markelsheim, um 1932. Das Gebäude blieb von den Zerstörungen während der Pogrome im November 1938 verschont und wurde später umgebaut. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1174]
Die Synagoge in Markelsheim, um 1932. Das Gebäude blieb von den Zerstörungen während der Pogrome im November 1938 verschont und wurde später umgebaut. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1174]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Seit 1411 war Markelsheim größtenteils im Besitz des Deutschen Ordens, der hier schon im 16. Jahrhundert Juden aufnahm. Am 18. Januar 1590 erlaubte der Hoch- und Deutschmeister Maximilian I. den schutzverwandten Juden zu Mergentheim, Igersheim, Markelsheim und Unterbalbach auf dem jüdischen Friedhof zu Unterbalbach auch auswärtige und fremde Glaubensgenossen zu beerdigen. 1626 wird ein Jud Mayer aus Markelsheim erwähnt. 1654 richtete die kleine Gemeinde einen Betsaal ein. Einige Markelsheimer Juden brachten es zu Ansehen: 1692 zeichnete die Deutschordensregierung mit dem damals erstmals von ihr verliehenen Titel eines Obervorgängers (Obervorstehers) der Ordensschutzjuden an der Tauber und am Neckar Moyses zu Markelsheim aus. Moyses war der Sohn des Manasses, der zuvor viele Jahre das Amt eines Vorgängers innegehabt hatte. Dem Obervorgänger Moyses waren als Assistenten Jakob zu Markelsheim und Mayer zu Igersheim beigegeben. Er starb 1703. Wie schon sein Vater scheint er zumindest zeitweise in Mergentheim gewohnt zu haben, da seine Witwe 1704 dort ein Haus besaß. Nach dem von dem Hoch- und Deutschmeister Franz Ludwig ausgestellten Schutzbrief von 1705 hatten die Juden in Markelsheim 4, die Juden in Igersheim 3 herrschaftliche Jagdhunde zu halten. Diese Verpflichtung, die bald durch eine Geldpauschale ersetzt wurde, bestand bis nach der Säkularisierung des Deutschen Ordens und dem Anfall der beiden Orte an Württemberg im Jahr 1809.

1832 wurde aus den Synagogengemeinden Igersheim und Markelsheim die Israelitische Religionsgemeinde Igersheim gebildet und dem Rabbinat Mergentheim unterstellt. Da die Juden aus Igersheim aber rascher als aus Markelsheim abwanderten, wurde der Sitz der Religionsgemeinde wohl um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nach Markelsheim verlegt. In lgersheim hatte der Deutsche Orden Juden ebenfalls bereits im 16. Jahrhundert die Niederlassung ermöglicht. 1812 zählte lgersheim 53 jüdische Einwohner, 1831 44, 1843 48, 1854 45, 1869 25, 1886 22, 1910 11 und 1933 11. In Markelsheim lebten 1812 18 Juden, 1824 26, 1831 40, 1843 52, 1854 52, 1869 50, 1886 51, 1900 53, 1910 39 und 1933 20.

1933 waren in Markelsheim Josua, Leopold, Ludwig und Nathan Adler als Metzger und Viehhändler tätig, Erwin Ottensoser besaß ein Manufakturwarengeschäft, Rebekka Ottensoser ein Kolonialwarengeschäft, und David Strauß betrieb einen Getreidehandel. In Igersheim betätigten sich Schmai und Julius Hartheimer im Viehhandel, Lina Klages hatte ein kleines Manufakturwarengeschäft inne. In der sogenannten Kristallnacht im November 1938 richteten unreife Jugendliche Verwüstungen in der Wohnung von Rebekka Ottensoser an, warfen Kleider und Gebrauchsgegenstände in den Dorfbach; einige Männer wurden verhaftet und mehrere Wochen im Konzentrationslager Dachau festgehalten. Die meisten jüdischen Bürger retteten sich bis zum Sommer 1941 ins Ausland. Drei Juden aus Markelsheim (David Strauß mit Ehefrau Lionora, Sophie Elkan) und drei aus Igersheim (Schmai Hartheimer mit Frau und Tochter) kamen in der Deportation um. Rebekka Ottensoser wurde im Oktober 1940 von Karlsruhe aus nach Gurs (Südfrankreich) deportiert, konnte aber von dort noch nach den USA auswandern. Die Synagoge wurde umgebaut; sie ist heute ein Wohnhaus.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Mergentheim, 1880.
  • Bild von der Synagoge, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 98.
  • Renz, Gustav Adolf, Die Juden in Mergentheim, Bad Mergentheim 1943.

 

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Markelsheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

Markelsheim

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 109-110.

Igersheim

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Mechsner, Gerald, Igersheimer Familien im Königreich Württemberg (1806-1920), (Ortsfamilienbuch Nr. 00.698, Bd. 1) 2012.
  • Weiß, Elmar, Die Juden in Igersheim, 1984.
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