Genossenschaftsregister und Genossenschaftsregisterakten

Von Jochen Rees

Genossenschaftsregister mit Akte, (Quelle: Landesarchiv BW, StAF G 540/47 Nr. 93 und G 540/5 Nr. 10932)
Genossenschaftsregister mit Akte, (Quelle: Landesarchiv BW, StAF G 540/47 Nr. 93 und G 540/5 Nr. 10932)

Definition und Quellengattung

Eine Genossenschaft bezeichnet den Zusammenschluss von mindestens drei juristischen oder natürlichen Personen zum Zweck der Förderung gemeinsamer wirtschaftlicher oder sozialer Interessen. Um am Rechtsverkehr teilnehmen zu können, müssen Genossenschaften im Genossenschaftsregister des zuständigen Amtsgerichts eingetragen werden. Gemäß § 11 des Genossenschaftsgesetzes sind hierfür folgende Unterlagen vorzulegen:

1. die Satzung, die von den Mitgliedern unterzeichnet sein muss;

2. eine Abschrift der Urkunden über die Bestellung des Vorstands und des Aufsichtsrats;

3. die Bescheinigung eines Prüfungsverbandes, dass die Genossenschaft zum Beitritt zugelassen ist, sowie eine gutachtliche Äußerung des Prüfungsverbandes, ob nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der Vermögenslage der Genossenschaft, eine Gefährdung der Belange der Mitglieder oder der Gläubiger der Genossenschaft zu besorgen ist.

In der Anmeldung ist ferner anzugeben, welche Vertretungsbefugnis die Vorstandsmitglieder haben. Mit der Eintragung erhält die Genossenschaft den Namenszusatz „e. G.“ (= eingetragene Genossenschaft). Zu jeder eingetragenen Genossenschaft wird beim zuständigen Amtsgericht eine eigene Genossenschaftsregisterakte geführt, in welcher der Schriftverkehr des Registergerichts mit der Genossenschaft abgelegt wird. Die Genossenschaftsregisterakten enthalten i.d.R. auch die jeweils eingereichten Satzungen, Meldungen über Wechsel im Vorstand und Aufsichtsrat sowie Bilanzen und eine Liste der Genossen.

Historische Entwicklung

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland unabhängig voneinander die ersten Genossenschaften von Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen gegründet. Ziel war es, durch gemeinschaftliches Handeln der Mitglieder wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Nachdem die rechtlichen Grundlagen zunächst unklar waren, wurde 1867 zuerst in Preußen ein Genossenschaftsgesetz verabschiedet, welches nach der Reichsgründung 1871 als Reichsgesetz übernommen wurde. Mit Ausfertigungsdatum vom 01.05.1889 wurde schließlich das Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz – GenG) erlassen, ergänzt durch eine Genossenschaftsregisterverordnung (GenRegV) vom 11.07.1889. Beide Rechtsverordnungen sind, mit einigen Änderungen, noch heute in Kraft.

Aufbau und Inhalt

Beim Genossenschaftsregister handelt es sich um einen großformatigen Band (etwa DIN A 3) mit je ca. 500 Einzelseiten. Die Seiten sind am rechten bzw. linken oberen Rand durchnummeriert. Auf einem Vorsatzblatt sind der Name des Amtsgerichts, die Bandnummer, die Seitenzahl und das Datum des Beginns der Eintragungen angegeben. Für die Eintragungen ist jeweils eine Doppelseite vorhanden. Über dieser Doppelseite wird mittig die Genossenschaftsregisternummer der jeweiligen Genossenschaft eingetragen. Darunter sind neun Spalten, fünf auf der rechten und vier auf der linken Seite, mit folgenden Überschriften vorgedruckt:

1. Nummer der Eintragung.

2. Firma und Sitz.

3. Gegenstand des Unternehmens.

4. Bei Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht: Haftsumme; höchste Zahl der Geschäftsanteile.

5. Vorstand; Liquidatoren.

6. a. Statut; b. Form der Bekanntmachungen; c. Zeitdauer; d. Geschäftsjahr; e. Form der Willenserklärungen des Vorstandes und der Liquidatoren; f. Vertretungsbefugnis.

7. Auflösung; Konkurs; Fortsetzung; Nichtigkeit.

8. Registerakten; Tag der Eintragung; Unterschrift des Gerichtsschreibers.

9. Bemerkungen.[1]

Bei der Ersteintragung einer Genossenschaft werden die Spalten entsprechend der Vorgaben ausgefüllt. Bei jeder Änderung wird eine neue Zeile auf der Seite angelegt. Ist die Doppelseite voll, wird das Register auf der nächsten Doppelseite fortgeführt. Hierfür werden nach jedem Ersteintrag mehrere Doppelseiten frei gelassen, die jedoch nicht immer benötigt werden. Daher enthält das Register oft sehr viele Leerseiten. Fehlt der Platz oder ist inzwischen ein neues Genossenschaftsregister (z.B. Band II) angelegt, wird im Feld „Bemerkungen“ (Nr. 9) ein Hinweis angebracht, wo die Fortführung der Einträge zu finden ist (z.B. „Umgeschrieben nach Band II Nr. 23“). In der Regel sind die Register durch ein grob alphabetisches Namensverzeichnis erschlossen, welches teilweise nach Ortschaften mit dem Sitz der Genossenschaft sortiert ist. Hier wird auf den Band und die Nummer des ersten Eintrags verwiesen. Von dort aus kann man die Registereinträge zur jeweiligen Genossenschaft weiterverfolgen. Für jede im Register eingetragene Genossenschaft wird eine eigene Genossenschaftsregisterakte angelegt.

Überlieferungslage und ggf. (vor)archivische Arbeitsschritte

Laut Landesjustizschriftgutaufbewahrungsverordnung (LJAufbewVO) Nr. 76 sind die Genossenschaftsregister dauernd aufzubewahren. Dies bedeutet, dass sie nach § 2 Abs. 2 Landesarchivgesetz Baden-Württemberg (LArchG) bleibenden Wert haben, daher archivwürdig sind (§ 2 Abs. 1 LArchG) und von den Staatsarchiven vollständig übernommen werden. Entsprechend findet man Genossenschaftsregisterakten in den Beständen des Landesarchivs Baden-Württemberg, beispielsweise im StA Freiburg, Bestand G 540-5 und G 540-47, im StA Ludwigsburg, Bestand FL 300/9 II oder im StA Sigmaringen, Bestand Wü 30/1 T 3. Die Genossenschaftsregisterakten (inkl. Jahresabschlüsse und Listen der Genossen) sind nicht dauernd aufzubewahren, sondern haben eine Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren nach Schluss der Akte (s. Nr. 75 LJAufbewVO), eventuell vorhandene Beihefte zur Liste der Genossen von 5 Jahren. Laut den Bewertungsempfehlungen des Landesarchivs Baden-Württemberg für die Aussonderung von Registerunterlagen soll von den Genossenschaftsregisterakten eine Auswahl interessanterer Einzelfälle übernommen werden. Dies können z.B. Akten über Genossenschaften mit einer langen Tradition oder einer besonderen Bedeutung für die Region sein. Von diesen ausgewählten Genossenschaften sollten dann auch die Listen der Genossen übernommen werden (bei mehreren Bänden genügt in der Regel Bd. 1 mit den Eintritten bis ca.1945). Die separat abgelegten Jahresabschlüsse und Beihefte zur Liste der Genossen werden nicht übernommen und können nach Ablauf der o.g. Aufbewahrungsfristen von den jeweiligen Gerichten vernichtet werden.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Über die rechtlich relevanten Angaben z.B. zu Name, Sitz, Vorständen, Vertretungsbefugnissen oder Auflösung hinaus enthalten die Genossenschaftsregister keine eingehenderen Informationen zu der jeweiligen Genossenschaft. Die Genossenschaftsregisterakten und die separat geführten Listen der Genossen sind kaum aussagekräftiger. Zwar kann man hier nachvollziehen, wer zu welchem Zeitpunkt in die Genossenschaft eingetreten ist, Protokolle von Mitglieder- oder Vorstandssitzungen, die zum Innenleben einer Genossenschaft oder über die Mitglieder etwas aussagen könnten, sind jedoch selten zu finden. Über die wirtschaftliche Situation der Genossenschaft geben die jährlichen veröffentlichten Bilanzen Auskunft. Die Zeitschriften mit den Veröffentlichungen sind in den Genossenschaftsregisterakten abgelegt.

Hinweise zur Benutzung

Die Einsicht in das Genossenschaftsregister und den hierzu eingereichten Unterlagen ist nach § 156 Abs. 1 Satz 1 Genossenschaftsgesetz in Verbindung mit § 9 Handelsgesetzbuch jedem gestattet. Auch kann gegen Gebühr eine entsprechende Abschrift (Kopie) verlangt werden. Eine Begründung für die Einsichtnahme ist nicht nötig. Somit sind auch die bereits in den Staatsarchiven lagernden Genossenschaftsregister und Genossenschaftsregisterakten ohne weitere Einschränkung durch Sperrfristen für jedermann nutzbar. Neuere Einträge können online über das Registerportal der Länder abgerufen werden.

Anmerkungen

[1] Schreibweise und Zeichensetzung der Überschriften wie im Register vorgedruckt.

Literatur

Zitierhinweis:  Jochen Rees, Genossenschaftsregister und Genossenschaftsregisterakten, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 30.06.2017.

 

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