Theaterüberlieferung

Von Peter Müller

Beispiel für ein (recht frühes) Inszenierungsfoto: Ein Sommernachtstraum von Shakespeare, 1922, (Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 18 III Bü 203 Bild 4)
Beispiel für ein (recht frühes) Inszenierungsfoto: Ein Sommernachtstraum von Shakespeare, 1922, (Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 18 III Bü 203 Bild 4)

Definition der Quellen

Deutschland verfügt über eine einzigartig reichhaltige Theaterlandschaft, deren Wurzeln letztlich in der territorialen Kleinteiligkeit der Frühneuzeit zu suchen sind. Die Theater unterschiedlichster Träger haben eine vielfältige Überlieferung hinterlassen, die neben Verwaltungsschriftgut, wie es in allen Behörden, Gerichten und sonstigen öffentlichen und privaten Einrichtungen anzutreffen ist (wie Personalakten, Haushaltsunterlagen, Akten über Bausachen und Gebäudeunterhalt), auch spezifische Quellen, die mit der künstlerischen Arbeit der Theater zu tun, umfasst. In diesem Artikel sollen vor allem die Unterlagen, die im Zusammenhang mit den künstlerischen Produktionen eines Theaters stehen, näher beschrieben werden. Auch wenn es derartige Unterlagen zu den Hoftheatern auch bereits aus der Zeit vor 1800 gibt, konzentrieren sich die Ausführungen auf die Zeit ab ca. 1800. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Korrespondenzen mit den beteiligten Künstlern, Unterlagen zur künstlerischen Konzeption einer Inszenierung (Regie, Bühnenbild, Kostüme) selbst, Rollenbücher, Werbe- und Begleitmaterialien (auch inszenierungsübergreifend) sowie alles, was mit der internen Dokumentation der jeweiligen Produktion zu tun hat (wie Fotos, audiovisuelle Aufzeichnungen, Presseberichte).

In einem Zwischenbereich zwischen allgemeinem Verwaltungsschriftgut und Unterlagen über eine bestimmte künstlerische Produktion angesiedelt sind Akten über die Einholung der Aufführungsrechte sowie die Personalakten der an der Produktion beteiligten Künstler. Letztere enthalten in der Regel allerdings keine aufführungsspezifischen Informationen. Anders als klassische Personalakten können sich aber hier durchaus auch allgemeine konzeptionelle Überlegungen, Inszenierungsfotos und Rezensionen finden. Auch in den sog. „Aufführungsakten“ mit der Korrespondenz über die Lizenzierung einer Inszenierung sind – trotz des missverständlichen Titels der Aktengattung – kaum Informationen über die jeweilige Inszenierung. Sie können in Einzelfällen allerdings neben Schriftwechsel mit Agenturen auch Briefe von Autoren oder Komponisten als Rechteinhabern enthalten. Diese sind allerdings im Normalfall geschäftlicher Art und enthalten kaum Informationen über die künstlerische Seite einer Produktion.

Aufbau und Inhalt

Bei der Überlieferung zu den künstlerischen Produktionen der Theater muss man mit einer erheblichen Varianz in Aufbau und Inhalt rechnen. Jedes Theater und innerhalb der Theater die verschiedenen Intendanzen neigen dazu, eigene Ordnungssysteme zu entwickeln. Die Anwendung standardisierter Aktenpläne ist eher unüblich. Unverkennbar ist eine Tendenz zur Bildung von Sachbearbeiter- bzw. Mitarbeiterablagen, in denen dann wiederum einfache serielle Ordnungsprinzipien (chronologische Ordnung oder Ordnung nach Korrespondenzpartnern) dominieren. Informationen über eine bestimmte Inszenierung können sich dann häufig an ganz verschiedenen Stellen innerhalb solcher Korrespondenzserien finden. Nach einzelnen Produktionen geordnet liegen häufig nur technische Unterlagen (z.B. Entwürfe für Bühnenbild und Kostüme), audiovisuelle Dokumentationen, Programmhefte oder Pressespiegel vor. Besonders lückenhaft ist leider oftmals die Überlieferung zur künstlerischen Konzeption einer Inszenierung. Dies hängt aber auch damit zusammen, dass in den Theatern zunehmend freie Künstler (insbesondere Regisseure und Bühnenbildner) zum Einsatz kommen. Unterlagen zu einer Inszenierung sind in diesen Fällen immer auch im Nachlass des betreffenden Künstlers zu suchen, der in der Regel nicht in dem Archiv liegt, das für die Überlieferung des jeweiligen Theaters zuständig ist. Bei jüngeren Produktionen ist überdies damit zu rechnen, dass alles, was für eine mögliche Wiederaufnahme dieser Inszenierungen benötigt wird, sehr lange in den jeweiligen Theatern vorgehalten wird und damit erst sehr spät, wenn überhaupt an die zuständigen Archive abgegeben wird. Regelmäßig nachweisen lassen sich in den Theaterbeständen mit Hilfe von Spielplanübersichten, Programmzetteln (Theater- bzw. Besetzungszettel), Programmheften oder auch Besetzungsbüchern die Spielpläne der Theater sowie die an den Produktionen beteiligten Künstlerinnen und Künstler.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Bei der Auswertung der Überlieferung über die künstlerischen Produktionen eines Theaters ist stets damit zu rechnen, dass nicht alle Überlegungen zu einer Inszenierung verschriftlicht wurden. Selbst in den Theatern, die sich um eine detaillierte Dokumentation ihrer Produktionen bemüht haben, sind der Rekonstruktion der Inszenierung häufig quellenbedingt Grenzen gesetzt. So lässt sich die Farbgestaltung von Bühnenbildern und Kostümen vor Aufkommen der Farbfotographie allenfalls in Umrissen erahnen. Gleiches gilt für die Personenführung oder die Artikulation im Musik- wie Sprechtheater. Hier wird man erst in der jüngeren Zeit genauere Einblicke gewinnen können, da von den Inszenierungen immer häufiger systematisch Videoaufzeichnungen angefertigt werden. Für die ältere Zeit liegen solche Film- und Tondokumente nur ausnahmsweise vor. Für das Tanztheater existieren darüber hinaus teilweise eigene papierne Notationssysteme, die Außenstehenden nicht ohne Weiteres verständlich sind.

Hinweise zur Benutzung

Bei der Benutzung von Unterlagen über die künstlerische Arbeit eines Theaters sind neben den üblichen archivrechtlichen Sperrfristen immer auch etwaige Urheberrechte und Persönlichkeitsrechte zu beachten. Dies betrifft sowohl Unterlagen über die an einer Aufführung beteiligten Künstlerinnen und Künstler wie auch Film- und Tonaufnahmen sowie Fotos von einzelnen Inszenierungen, soweit diese von externen Fotografen angefertigt wurden. Nur in Ausnahmefällen, wenn hauseigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die fotografische Dokumentation übernommen haben, kann davon ausgegangen werden, dass die Verwertungsrechte beim jeweiligen Theater bzw. dessen Träger liegen.

Bei der Suche nach der Überlieferung leitender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Theaters (Intendanten, Dramaturgen) muss immer damit gerechnet werden, dass Papiere auch noch in der Überlieferung der vorangegangenen oder nachfolgenden Arbeitsstätte zu finden sind.

Zu beachten ist des Weiteren, dass Film- und Tondokumente, die bereits seit geraumer Zeit zumindest von Musiktheaterproduktionen systematisch angefertigt werden, auch aus rechtlichen Gründen bislang kaum an die zuständigen Archive abgegeben wurden.

Neben den Beständen in den zuständigen Archiven sollten bei Recherchen immer auch die Bestände lokal oder regional zuständiger Bibliotheken einbezogen werden. Dort finden sich häufig neben gedruckten Materialien (wie Theater- und Besetzungszettel, Plakate, Programmhefte) auch Partituren oder Rollenbücher (mit handschriftlichen Markierungen von Streichungen u.Ä.). Einschlägige Quellen aus den Hoftheatern in Karlsruhe und Stuttgart, die sich zum Teil mit der Überlieferung im Landesarchiv Baden-Württemberg überschneiden, sind in größerem Umfang beispielsweise in der Badischen und der Württembergischen Landesbibliothek zu finden. Teilweise sind dort auch bereits in größerem Umfang Digitalisierungsarbeiten (z.B. zu den Theaterzettelbeständen in der Badischen Landesbibliothek) durchgeführt worden. Auch wichtige Bestände aus dem Landesarchiv (insbesondere zum Staatstheater Stuttgart) sind bereits im Internet einsehbar.

Im Landesarchiv ist die Theaterüberlieferung zudem auf verschiedene Bestände verteilt, was die Nutzung zusätzlich erschwert. Für das Staatstheater Stuttgart können die Beständegruppen E 18 I  – E 18 VIII und EL 221/1EL 221/14 als einschlägig genannt werden, die sich im StA Ludwigsburg befinden.

Literatur

  • Cepl-Kaufmann, Gertrude, Vom Einblatt zum Programmheft – Theaterzettel, http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-1570 (18.07.2017).
  • Grotz, Matthias, Theaterzettel und Programmhefte im Haus der Stadtgeschichte - Stadtarchiv Ulm, in: Theater – Zettel – Sammlungen 2, S. 147–158.
  • Syré, Ludger, Wer sang die Euryanthe? – Ein Blick auf die digitalisierten Theaterzettel des Karlsruher Hoftheaters, in: Badische Heimat 97 (2017), S. 238–258.
  • Theaterbilder – Bildertheater. Bühnenbild- und Kostümentwürfe der Staatstheater Stuttgart im Staatsarchiv Ludwigsburg, bearb. von Martin Laiblin, Stuttgart 2006.
  • Theater – Zettel – Sammlungen: Erschließung, Digitalisierung, Forschung, hg. von Matthias J. Pernerstorfer u.a. (Bibliographica 1), Wien 2012.
  • Theater – Zettel – Sammlungen 2: Bestände, Erschließung, Forschung, hg. von Matthias J. Pernerstofer u.a. (Bibliographica 2), Wien 2015.

Zitierhinweis: Peter Müller, Theaterüberlieferung, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 18.07.2017.

 

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