Autografensammlung

Von Eberhard Merk

Brief von Sigmund Freud an Willy Hellpach, Nachlass Willy Hellpach, (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK, N Hellpach 281 1)
Brief von Sigmund Freud an Willy Hellpach, Nachlass Willy Hellpach, (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK, N Hellpach 281 1)

Definition der Quellengattung

Der Begriff Autograf (auch Autograph) leitet sich von den altgriechischen Wörtern auto (= selbst) und graphein (= schreiben) her. Wörtlich übersetzt bedeutet das Wort „Autograf“ Selbstschrift. [1] Doch nicht jede Handschrift oder Niederschrift ist ein Autograf, sondern der Begriff findet lediglich auf das handschriftliche Produkt bekannter – nicht notwendig verstorbener – Persönlichkeiten[2] Anwendung. Als Autografen werden demnach alle eigenhändigen Niederschriften oder Handschriften einer prominenten Persönlichkeit bezeichnet.

Diese Definition, die zunächst sehr einfach und logisch klingt, bedarf jedoch noch weiterer Abgrenzungen und Erläuterungen. Im Folgenden sollen Autografen näher beschrieben und in diesem Zusammenhang von verwandten Begriffen abgegrenzt werden. Gleichzeitig werden verschiedene Auffassungen zu Autografen vorgestellt.

Mit Autografen sind hier nicht die handgeschriebenen Bücher gemeint, die man in der Bibliothekswissenschaft als mittelalterliche Manuskripte oder Handschriften bezeichnet.[3] Ihnen wird ein eigener Artikel gewidmet. Die Begriffsklärung folgt hiermit der von Hans Lülfing[4] und Wilhelm Frels[5] vorgenommenen Abgrenzung von dem Bereich der mittelalterlichen Handschriften und Codices. Frels lässt deswegen sein Verzeichnis der Deutschen Dichter-Handschriften auch bewusst erst um 1400 beginnen.

Brief von Christoph Willibald Gluck, (Quelle: Landesarchiv BW, HStA Stuttgart A 202 Bü 2840)
Brief von Christoph Willibald Gluck, (Quelle: Landesarchiv BW, HStA Stuttgart A 202 Bü 2840)

Auf der anderen Seite soll – ebenfalls in Anlehnung an Hans Lülfing – der Begriff Autograf jedoch erweitert werden, indem auch mit der Schreibmaschine geschriebene Briefe und Texte oder auf Veranlassung des Schreibers entstandene Niederschriften mit der Schreibmaschine und die dabei angefertigten Durchschläge auch unter dem Begriff Autograf subsumiert werden, unabhängig davon, ob sich handschriftliche Korrekturen oder Anmerkungen auf den Typoskripten oder eine eigenhändige Unterschrift auf den maschinenschriftlichen Briefen befindet, „weil anders nicht die Kontinuität und Geschlossenheit dieser Quellengattung gewahrt werden kann“.[6] Damit kann eine zeitliche Ausweitung der Autografen in das 20. und 21. Jahrhundert erfolgen.[7]

In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, wie es sich mit den EDV-Ausdrucken verhält. Zählen sie auch zu den Autografen? Lülfing hat in seinem 1962 veröffentlichten Aufsatz an diese technischen Errungenschaften natürlich nicht im Entferntesten denken können. In enger Anlehnung an Lülfing und als Schlussfolgerung seiner o.g. Aussagen wird hier die Meinung vertreten, dass auch ein mit Hilfe der EDV geschriebener und ausgedruckter Text, etwa ein wissenschaftlicher Aufsatz oder ein literarischer Text eines Schriftstellers, analog zu den Typoskripten als Autograf bezeichnet werden kann.

Eine andere Position als Lülfing vertritt dagegen Eckart Henning in seiner Schrift „Eigenhändig. Grundzüge einer Autographenkunde“.[8] Henning erkennt nur Typoskripte und EDV-Ausdrucke mit handschriftlichen Korrekturen, Paraphen, Randbemerkungen, Ergänzungen oder Streichungen als Autografen an. Auch EDV-Ausdrucke und Durchschläge von maschinenschriftlichen Briefen sind für ihn nur dann Autografen, wenn sie eigenhändig abgezeichnet sind.

Andererseits weitet Eckart Henning in seiner o.g. Arbeit den Begriff des Autografs auch auf die Monogramme mittelalterlicher Herrscher aus.[9] Diese entstanden ursprünglich zur Zeit der Merowinger, um den merowingischen Kinderkönigen, die des Lesens und Schreibens nicht kundig waren, mit Hilfe eines Vollzugsstrichs im Monogramm die Möglichkeit zu geben, eine Urkunde oder ein Dokument zu unterzeichnen. Später wurden diese Monogramme auch von den Karolingerkönigen übernommen. Karl der Große, der laut Einhard große Probleme beim Erlernen des Lesens und Schreibens hatte, verwandte ebenfalls Monogramme. Diese Herrschermonogramme waren von den Merowingern bis zu den Staufern auf Königs- und Kaiserurkunden in Gebrauch.

Eine Sonderform des Autografs bildet das Autogramm. In gewisser Weise stehen die Autogrammsammler der Gegenwart in der Tradition der Sammler von Autografen in früheren Zeiten (siehe Kapitel Historische Entwicklung). Das Wort Autogramm kommt von den altgriechischen Wörtern auto (= selbst) und gramma (= Buchstabe).[10] Autogramme sind eigenhändige Unterschriften von prominenten Persönlichkeiten und damit auch Autografe. Autogrammsammler sind heutzutage Jugendliche und auch Erwachsene, die Autogramme bzw. Unterschriften von Prominenten, meist der von ihnen bevorzugten Popstars, Schauspieler oder Sportler, sammeln. Häufig sind dies Autogrammkarten mit den Fotos und der meist eigenhändigen[11] Unterschrift des Prominenten. Auch die Sammlung von signierten Büchern von Autoren und CDs von Musikern gehört dazu (siehe Kapitel Aufbau und Inhalt). Bei den Autogrammen spielt häufig das Erlebnis der persönlichen Begegnung des Autogrammsammlers mit dem Autor, Sportler, Schauspieler oder Musiker eine große Rolle.

Historische Entwicklung[12]

Brief von Johann Wolfgang von Goethe an Wilhelm I. König von Württemberg, 22. Juli 1825, (Quelle: Landesarchiv BW, HStA Stuttgart E 50/01 Bü 473)
Brief von Johann Wolfgang von Goethe an Wilhelm I. König von Württemberg, 22. Juli 1825, (Quelle: Landesarchiv BW, HStA Stuttgart E 50/01 Bü 473)

Das Sammeln von Autogrammen und Autografen ist keineswegs nur ein Phänomen, das auf unsere Zeit beschränkt ist. Autografen wurden seit dem Altertum gesammelt. Bereits Cicero und Vergil waren Sammler von Autografen. Plinius der Jüngere beschreibt den Autografenhandel der Römerzeit. Die Autografen der Römer, die sich nicht erhalten haben, wurden wohl auf den damals üblichen Beschreibstoffen wie Wachstafeln und Papyri angebracht.

Aus dem Mittelalter sind eigenhändige Schriftzeugnisse von Autoren wie Thomas von Aquin oder Nikolaus von Kues (Cusanus) auf Pergament und die sog. Scholarenbriefe auf uns gekommen.

Eine Blütezeit erlebte das Sammeln von Autografen in der Zeit des Humanismus. Autografen der Humanisten Erasmus von Rotterdam und Thomas Moore (Morus), darunter die sog. epistolae autographae, waren beliebte Sammlerobjekte. Die Medicis und Papst Nikolaus V. legten in dieser Zeit die ersten Sammlungen von Autografen an.

In Deutschland entstanden ab dem 16. Jahrhundert ebenfalls private und fürstliche Autografensammlungen. So waren etwa Autografen der Reformatoren Luther und Calvin begehrte Sammlerobjekte. Ein Beispiel dafür ist der Erwerb von Autografen Martin Luthers durch den Kurfürsten von Brandenburg im Jahre 1595.[13] Diese fanden Eingang in die vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm gegründete Bibliothek im Apothekenflügel des Berliner Schlosses.

Autografen wurden zunächst „als Erinnerungsstücke und Kostbarkeiten gesammelt“.[14] Hinzu kam der Ankauf von kompletten Autografensammlungen von privater Hand durch den Kurfürsten bzw. die Kurfürstliche Bibliothek in Berlin. Diese finden sich heute in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin.

Eine „Hochburg“ des Sammelns von Autografen bildete im 17. Jahrhundert Frankreich. Dort wurden große private Autografensammlungen angelegt.

Postkarte von Thomas Mann an Conrad Haußmann, (Quelle: Landesarchiv BW, HStA Stuttgart Q 1/2 Bü 127)
Postkarte von Thomas Mann an Conrad Haußmann, (Quelle: Landesarchiv BW, HStA Stuttgart Q 1/2 Bü 127)

Im 18. Jahrhundert entstanden in Deutschland ebenfalls große private Autografensammlungen, wie die des Arztes und Botanikers Christoph Jacob Trew[15] (1695–1769) mit ca. 19.000 Exemplaren, die v.a. Autografen zu naturwissenschaftlichen Themen enthält und sich heute in der Universitätsbibliothek Erlangen befindet. Außerdem sei hier noch die Autografensammlung des Dichters und Aufklärers Johann Wilhelm Ludwig Gleim[16] (1719–1803) genannt. Diese Sammlung weist neben den Korrespondenzen Gleims auch Sammlungen zu Dichtern auf und kann somit als das erste Literaturarchiv in Deutschland angesehen werden. Die Sammlung wird heute im Gleimhaus in Halberstadt verwahrt.

Der prominenteste Autografensammler in dieser Zeit war jedoch kein Geringerer als der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe.[17] Als Grund für seine Sammelleidenschaft gab Goethe u.a. an, …so werden mir vorzügliche Menschen durch ihre Handschrift auf eine magische Weise vergegenwärtigt.[18]

In Württemberg legte während des 19. Jahrhunderts der Dichter der Schwäbischen Romantik Eduard Mörike eine umfangreiche Autografensammlung zur Literatur an.

In dieser Zeit entstanden auch die ersten Faksimiles von Autografen, die sog. Chirographa. Diese wurden mit Hilfe der von Alois Senefelder erfundenen Lithografie hergestellt. Damit konnten Faksimiles von Autografen berühmter Persönlichkeiten angefertigt werden, die preislich günstiger als die echten Autografen waren. Gleichwohl blieb das Sammeln von Autografen bis heute eine Liebhaberei einer elitären Schicht von gebildeten und vermögenden Personen.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich auch der Autografenhandel, wie wir ihn heute kennen. Es entstanden spezielle Autografenhandlungen, und man führte Autografenauktionen durch, zu denen Autografenkataloge hergestellt und verbreitet wurden.

In dieser Zeit wurden auch die schriftlichen Nachlässe von Schriftstellern und Gelehrten, wie Hegel, Herder, Friedrich Nicolai und Jean Paul, von öffentlichen Einrichtungen in Preußen erworben und als Corpus zusammengelassen. Damit entstand in der späteren Staatsbibliothek Berlin ein von staatlicher Seite aufgebautes Literaturarchiv, wie wir es heute kennen.[19]

Parallel dazu wurde der historische Quellenwert der schriftlichen Nachlässe und deren Bedeutung für die Literaturgeschichte oder die Wissenschaftsgeschichte erkannt. In Preußen hat v. a. Ludwig Darmstaedter (1846–1927) sich mit der Entwicklung von Autografensammlungen und Nachlässen beschäftigt. Seine umfangreiche Autografensammlung, bestehend aus 23.000 Einzelstücken, wurde 1907 der Königlichen Bibliothek in Berlin, der heutigen Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, übergeben.

Seit dieser Zeit werden Autografen auch gezielt von öffentlichen Bibliotheken und Archiven erworben, um etwa bereits vorhandene schriftliche Nachlässe von berühmten Persönlichkeiten zu ergänzen.

Von den prominenten Autografensammlern des 20. Jahrhunderts soll hier noch der österreichische Schriftsteller und Biograf Stefan Zweig[20] erwähnt werden, der eine private Autografensammlung anlegte, die er allerdings vor seiner Emigration nach Großbritannien und später nach Brasilien verkaufte.

Aufbau und Inhalt von Autografen und Autografensammlungen

Autografen sind nach Form und Inhalt sehr heterogen. Den meisten Autografen ist zwar gemein, dass sie handschriftlich sind, also Autografen im wörtlichen Sinne sind. Doch nicht einmal diese Gemeinsamkeit teilen alle Autografen, wie man den Ausführungen im Kapitel Definition über Typoskripte und EDV-Ausdrucke entnehmen kann.

Autografen können Briefe, Manuskripte von literarischen Arbeiten und wissenschaftliche Aufsätze (sog. Werkmanuskripte), Tagebücher, handschriftliche Notizen oder Visitenkarten mit Unterschriften oder handschriftlichen Notizen sein. Auch der handschriftliche Einkaufszettel einer prominenten Person ist strenggenommen ein Autograf, ungeachtet seines völlig unbedeutenden Inhaltes.

Karl Löffler und Paul Ruf nannten als Gründe für die Sammlung von Autografen durch die Bibliotheken[21] gerade deren Bedeutung als historische Quelle. Als weitere, allerdings weniger bedeutende Gründe gaben sie die Pietät gegenüber dem Verfasser, die Beispielsammlung für Schriftenentwicklung und Schriftausdruck und Autografen als Bildungsmittel und Schaustücke an.[22]

Eckart Henning[23] zählt die fünf wichtigsten Motive für die Sammlung von Autografen auf: 1) ein gewisser Reliquienkult[24], 2) ein grafologisches bzw. gestaltpsychologisches Interesse, 3) ein inhaltliches Interesse an Autografen mit nicht publiziertem, wissenschaftlichen Inhalt, 4) die Suche nach Exponaten, die in einem Museum oder in einer Ausstellung gezeigt werden können, und schließlich 5) das Autograf als Kapitalanlage, das problemlos aufgrund seiner geringen Größe in Zeiten des erzwungenen Exils oder in Kriegszeiten befördert werden kann.

Bei den Sammelgebieten unterscheidet Henning sechs verschiedene Arten von Autografen: Erstens nennt er die sog. anspruchslosen Autografen, wozu auch die oben beschriebenen Postkarten mit Abbildungen eines Prominenten und Autogramme zählen. Es folgen zweitens die Bücher mit handschriftlichen Eintragungen des Autors.[26] Dabei unterscheidet er zwischen Büchern, die nur die Unterschrift des Autors enthalten und als signierte Exemplare bezeichnet werden, und Büchern mit eigenhändigen Widmungen an den Empfänger, die er unter dem Begriff Dedikationsexemplare subsumiert. Als dritte Gruppe benennt Henning die Stammbücher und Albumblätter, die sich vom 15. bis zum 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuten. Die vierte Gruppe bildet das Registraturgut bzw. Behördenschriftgut, aus dem Autografen von Prominenten herausgerissen wurden. Die fünfte Gruppe umfasst private Briefe von Prominenten. Als letzte und wertvollste Gruppe beschreibt Henning die Manuskripte oder Werkmanuskripte von literarischen Arbeiten, wissenschaftlichen Abhandlungen oder Kompositionen.

Überlieferungslage, vorarchivische und archivische Bearbeitungsschritte

Autografen sind häufig Einzelstücke,[27] v.a. im Antiquariatshandel werden sie meistens als solche angeboten. Dies hat kommerzielle Gründe. Oft wurden schriftliche Nachlässe von prominenten Persönlichkeiten, die zahlreiche Autografen vom Nachlasser und von anderen Personen enthalten, oder auch Autografensammlungen, die von Privatpersonen angelegt wurden, in einzelne Autografen aufgeteilt, um beim Verkauf im Autografenhandel oder bei einer Versteigerung höhere Preise zu erzielen. Damit werden aber die Zusammenhänge eines schriftlichen Nachlasses aufgelöst und der Quellenwert der Autografen reduziert, indem die einzelnen Autografen herausgelöst und als Briefe oder Manuskripte in alle Welt verstreut werden. Für die Forschung, die sich etwa mit der Edition von Briefen oder Manuskripten von literarischen oder wissenschaftlichen Texten oder Partituren beschäftigt, hat dies verheerende Folgen. Sie müssen die Manuskripte und Briefe einer Persönlichkeit nun mühsam, unter Umständen in mehreren Ländern oder Kontinenten, zusammensuchen. Die Wahrung des Entstehungszusammenhanges ist also für den Quellenwert der Autografen von entscheidender Bedeutung.

Wie gelangen nun Autografen in das Archiv? Sie kommen überwiegend als Teil einer Behörden- bzw. Aktenablieferung ins Archiv. Weitere Möglichkeiten sind der Ankauf von einzelnen Autografen im Antiquariatshandel oder die Übernahme einer kompletten Autografensammlung in privater Hand durch das Archiv. So verwahrt etwa das Hauptstaatsarchiv Stuttgart die von Angehörigen v.a. der Familie Griesinger angelegte Autografensammlung Griesinger-Dorrer.[28]

Alternativ kann das Archiv mit der Übernahme eines schriftlichen Nachlasses einer bekannten oder wichtigen Persönlichkeit Autografen erwerben. Hier muss man nun zwischen den Autografen, wie den Briefen an bzw. von der Person des Nachlassers, und vom Nachlasser selbst angelegte Autografensammlungen unterscheiden. Ein Beispiel für eine von einem Privatmann aufgebaute Autografensammlung ist etwa im schriftlichen Nachlass von Wilhelm (I.) Herzog von Urach Graf von Württemberg[29] zu finden.

In seltenen Fällen kann auch das Archiv selbst eine Autografensammlung anlegen. Als Beispiel sei hier die Autografensammlung vorwiegend mit Autografen von Angehörigen des Hauses Württemberg, von sonstigen Persönlichkeiten und von Ministerien im Hauptstaatsarchiv genannt.[30] Mit Hilfe der darin vorhandenen Autografen lassen sich Handschriften von Personen, beispielsweise von württembergischen Beamten, identifizieren.

Einem ähnlichen Zweck dient die Sammlung der Schriftproben von Archivaren und Fotokopien der Handschriften von Archivaren des Königlichen Staatsarchivs Stuttgart.[31] Mit ihrer Hilfe konnten die Bearbeiter der zum Teil noch aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert stammenden handschriftlichen Bestandsrepertorien v.a. der A- und B-Bestände im Hauptstaatsarchiv Stuttgart ermittelt werden. Bei der Erschließung des Bestandes Ältere Repertorien[32] war die Sammlung ebenso ein sehr nützliches Hilfsmittel.

Autografen werden in Bibliotheken, Literaturarchiven, Museen und Gedenkstätten sowie in staatlichen und kommunalen Archiven verwahrt. Die Museen und Gedenkstätten berühmter Schriftsteller, Komponisten und Wissenschaftler besitzen häufig auch Autografen bzw. die schriftlichen Nachlässe der entsprechenden Persönlichkeiten und präsentieren diese in Form von Ausstellungen. So haben die Goethe-Museen in Frankfurt am Main und Weimar, das Schiller-Haus in Weimar oder Mozarts Geburtshaus in Salzburg auch Autografen der genannten Persönlichkeiten. Als Beispiele für Literaturarchive sind das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar und das Goethe-Schiller-Nationalarchiv in Weimar zu nennen.

Archive und Bibliotheken behandeln Autografen teilweise unterschiedlich. Die Archive belassen in der Regel Autografen im Entstehungszusammenhang. Das bedeutet konkret, dass die Briefe bzw. Autografen von prominenten Briefschreibern in der Akte bleiben, mit denen diese Autografen ins Archiv gelangten. Auch werden die Briefe und Manuskripte, die als Teil von schriftlichen Nachlässen eingekommen sind, im jeweiligen Zusammenhang belassen und wie Registraturgut oder Behördenschriftgut behandelt. In der Titelaufnahme werden die Autografen der prominenten Persönlichkeit und eventuell auch die Inhalte in einem Enthält- oder Darin-Vermerk erwähnt, v.a. wenn es sich um eine sog. Tiefenerschließung, also eine ausführlichere Form der Titelaufnahme, handelt. Der Archivar nimmt auch im Normalfall ein Autograf nicht einzeln in einer Titelaufnahme auf, sondern erschließt es in dem archivalischen Kontext einer Akte oder der Korrespondenz.

An dieser Stelle soll allerdings nicht verheimlicht werden, dass in früheren Zeiten auch in Archiven teilweise Schriftstücke mit den Unterschriften von Prominenten aus dem ursprünglichen Zusammenhang gelöst oder die Unterschriften sogar aus dem Schriftstück herausgeschnitten wurden. Ein Beispiel für diese heutzutage unverständliche Vorgehensweise ist die von dem württembergischen Archivar Christoph Ludwig Friedrich Lotter (1774–1850) angelegte allgemeine Siegelsammlung, die v.a. Siegel, aber auch Unterschriften von adligen und bürgerlichen Personen enthält.[33] Lotter hat aus überwiegend zur Kassation bestimmtem Schriftgut die Siegel und Unterschriften ausgeschnitten oder ganze Schriftstücke entnommen. Darunter finden sich etwa auch drei Briefe von dem württembergischen Architekten, Ingenieur und Kartografen Heinrich Schickhardt (1558–1635).[34]

In Bibliotheken werden dagegen Autografen einzeln aufgenommen. Sie wurden früher an die Zentrale Kartei der Autografen (ZKA) bzw. heute an die zentrale Datenbank des Kalliope-Verbunds[35] gemeldet. Daher ist das Online-Portal von Kalliope ein sehr wichtiges Hilfsmittel für die Recherche nach Autografen und schriftlichen Nachlässen in deutschen Bibliotheken.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Autografen sind wichtige Quellen für die Biografie einer Persönlichkeit. Für Psychologen und Grafologen sind sie sogar die Quelle schlechthin,[36] die Aussagen über die Persönlichkeit machen kann. Aber auch für die Geschichtswissenschaft und andere Geisteswissenschaften haben sie eine große Bedeutung. So basieren Forschungen der Literaturwissenschaft, Kunst- und Musikgeschichte, der Philosophiegeschichte und Wissenschaftsgeschichte auf der Auswertung von Autografen und Nachlässen. Daher werden auch verschiedene Arten von Autografen in Form von Editionen gedruckt oder heutzutage über das Internet veröffentlicht.

Benutzung

Mit Hilfe der Datenbank von Kalliope kann nach Autografen und schriftlichen Nachlässen in deutschen Bibliotheken online recherchiert werden. Auch die Landes- und Universitätsbibliotheken haben mittlerweile ihre Findmittel online gestellt. Im Bereich der Archive kann nach Nachlässen über die Datenbank „Nachlässe in deutschen Archiven“ recherchiert werden. Eine spezielle Datenbank für die Autografen in deutschen Archiven existiert nicht.

Digitalisate der Autografen sind allerdings derzeit nur teilweise online einsehbar. In den nächsten Jahren werden sicher Bibliotheken und Archive gerade ihre kostbarsten Autografen aus konservatorischen Gründen und mit Blick auf deren materiellen Wert digitalisieren und online stellen, damit die Originale nicht mehr im Lesesaal vorgelegt werden müssen. So haben etwa die Coburger Landesstiftung, das Mozarteum Salzburg und die Zentral- und Landesbibliothek Berlin ihre Autografensammlungen digitalisiert und online gestellt. Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart hat einzelne Nachlässe (u.a. von Heinrich Schickhardt[37], Reinhold Maier[38], Conrad Haußmann[39] und Karl Freiherr von Weizsäcker[40]) und vollständig oder zumindest zum Teil digitalisiert und online gestellt. Darunter finden sich auch Autografen. Spezielle Sammlungen von Autografen wurden dagegen bisher im Bereich des Landesarchivs Baden-Württemberg noch nicht online gestellt.

Anmerkungen

[1] Definition nach Henning, Eigenhändig, S. 7.
[2] Ebd., S. 8.
[3] Handschrift, in: Meyers Konversations-Lexikon, S. 115f.
[4] Lülfing, Autographensammlungen, S. 81.
[5] Frels, Dichter-Handschriften.
[6] Lülfing, Autographensammlungen, S. 81.
[7] Ebd.
[8] Henning, Eigenhändig, S. 8.
[9] Ebd., S. 8f.
[10] Gemoll, Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch.
[11] Die Frage, ob die Unterschriften bzw. Autogramme der Prominenten immer wirklich eigenhändig sind, soll hier nicht näher erörtert werden. Bekannt ist, dass mitunter die Autogramme auch von Unterschriftenautomaten angefertigt werden.
[12] Zur historischen Entwicklung, sofern nicht ausdrücklich angegeben, v. a. Henning, Eigenhändig, S. 11–16.
[13] Lülfing, Autographensammlungen, S. 85f.
[14] Ebd., S. 86.
[15] Zu Christoph Jacob Trew: Rau, Christoph Jacob Trew.
[16] Zu Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Lorenzen, Johann Wilhelm Ludwig Gleim.
[17] Siehe dazu Schreckenbach, Goethes Autographensammlung; Wolbe, Goethe als Autographensammler; Mecklenburg, Vom Autographensammeln; Quilitzsch, Goethe- und Schiller-Archiv zeigt Schätze.
[18] Brief Goethes an Friedrich Heinrich Jacobi, Karlsbad 10. Mai 1812, Zitiert nach Henning, Eigenhändig, S. 12.
[19] Lülfing, Autographensammlungen, S. 86.
[20] Zweig, Die Welt der Autographen (1923); Ders., Vom Handschriftensammeln (1927); Ich kenne den Zauber der Schrift; Matuschek, Stefan Zweig, S. 96, 119-123, 166, 168, 178, 189, 201, 216-224, 227, 250-252, 275, 277, 305.
[21] Zitiert nach Lülfing, Autographensammlungen, S. 80.
[22] Ebd.
[23] Henning, Eigenhändig, S. 31.
[24] Ebd. Henning zitiert hier Goethe: „Ich mag die Geister der Entfernteren und Abgeschiedenen gern auf jede Weise hervorrufen und um mich versammeln…“, aus einem Brief Goethes an Sulpiz Boisserée vom 17. Dezember 1811.
[25] Ebd., S. 31–41.
[26] Ebd., S. 32.
[27] Ebd., S. 5.
[28] HStA Stuttgart P 25.
[29] HStA Stuttgart GU 105.
[30] HStA Stuttgart J 521; Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, S. 42.
[31] HStA Stuttgart J 421, Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, S. 37. Zu der Praxis der Anlage von Autografensammlungen zwecks schnellerer Verifizierung der Verfasser von handschriftlichen Archivbehelfen: Meisner, Archivalienkunde, S. 84.
[32] HStA Stuttgart A 605. Meisner, Archivalienkunde, S. 84.
[33] HStA Stuttgart J 230. Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, S. 23f.
[34] Keyler, (…) euer fürstlicher gnaden underthoniger gehorsamer pawmaister Hainrich Schikhardt.
[35] Zu Kalliope siehe: Weber, Kalliope; Kreter, Kalliope meets Mommsen.
[36] Lülfing, Autographensammlungen, S. 80.
[37] HStA Stuttgart N 220.
[38] HStA Stuttgart Q 1/8.
[39] HStA Stuttgart Q 1/2.
[40] HStA Stuttgart Q 1/18.

Literatur

  • Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe. Teil 1. Selekte, Nachlässe und Sammlungen (A-U), bearb. von Marie Salaba/Hansmartin Schwarzmaier (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 39/1), Stuttgart 1988.
  • Bull-Reichenmiller, Margareta, Sammlungen und Sammeltätigkeit im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, in: Aus der Arbeit des Archivars. Festschrift für Eberhard Gönner, hg. von Gregor Richter (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 46), Stuttgart 1986, S. 265–280.
  • Frels, Wilhelm, Deutsche Dichter-Handschriften von 1400 bis 1900. Gesamtkatalog der eigenhändigen Handschriften deutscher Dichter in den Bibliotheken und Archiven Deutschlands und der CSR (Bibliographical Publications 2), Leipzig 1934.
  • Gemoll, Wilhelm, Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch, München/Wien 1965.
  • Art. Handschrift, in: Meyers Konversations-Lexikon 8 (4. Auflage 1885–1892), S. 115f.
  • Henning, Eckart, Eigenhändig: Grundzüge einer Autographenkunde. Mit Bibliographie und einem Verzeichnis handelsüblicher Katalogabkürzungen, Berlin 2006.
  • Ich kenne den Zauber der Schrift. Katalog und Geschichte der Autographensammlung Stefan Zweig, mit kommentiertem Abdruck von Stefan Zweigs Aufsätzen über das Sammeln von Handschriften, bearb. von Oliver Matuschek, Wien 2005.
  • Keyler, Regina, (…) euer fürstlicher gnaden underthoniger gehorsamer pawmaister Hainrich Schikhardt manu propria subscripsi. Drei Suppliken Heinrich Schickhardts an die Herzöge Friedrich und Johann Friedrich von Württemberg, in: Neue Forschungen zu Heinrich Schickhardt. Beiträge einer Tagung des Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins und des Hauptstaatsarchivs Stuttgart am Samstag, dem 15. Januar 2000, im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, hg. von Robert Kretzschmar (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Reihe B: Forschungen 151), Stuttgart 2002, S. 171–178.
  • Kreter, Karljosef, Kalliope meets Mommsen. Autograph trifft Nachlass. Annäherungen zwischen Nachlässen und Autographensammlungen, in: Archiv-Nachrichten Niedersachsen 7 (2003), S. 89–98.
  • Löffler, Karl/Milde, Wolfgang, Einführung in die Handschriftenkunde, neu bearb. Von Wolfgang Milde (Bibliothek des Buchwesens 11), Stuttgart 1997.
  • Lorenzen, Käte, Johann Wilhelm Ludwig Gleim, in: NDB 6 (1964), S. 449f.
  • Lülfing, Hans, Autographensammlungen und Nachlässe als Quellen historischer Forschung, in: Archivmitteilungen 12 (1962), S. 80–87.
  • Manu propria. Vom eigenhändigen Schreiben der Mächtigen (13. – 15. Jahrhundert), hg. von Claudia Feller/Christian Lackner (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 67), Wien 2016.
  • Matuschek, Oliver, Stefan Zweig. Drei Leben. Eine Biographie, Frankfurt a.M. 2006.
  • Mecklenburg, Günther, Vom Autographensammeln – Versuch einer Darstellung seines Wesens und seiner Geschichte im deutschen Sprachgebiet, Marburg/Lahn 1963, S. 35–42.
  • Meisner, Heinrich Otto, Archivalienkunde vom 16. Jahrhundert bis 1918, Göttingen 1969.
  • Quilitzsch, Frank, Goethe- und Schiller-Archiv zeigt Schätze aus der Autographensammlung Goethes, in:Online-Ausgabe der Thüringischen Landeszeitung (26.07.2015).
  • Rau, Tilman T. R., Christoph Jacob Trew, in: NDB 26 (2016), S. 410–412.
  • Schreckenbach, Hans-Joachim, Goethes Autographensammlung. Katalog, hg. von den nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen Literatur in Weimar, Weimar 1961.
  • Stefan Zweigs Welt der Autographen, hg. von Martin Bircher (Strauhof Zürich 8), Zürich 1996.
  • Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Sammlungen (J-Bestände), bearbeitet von Paul Sauer u. Mitwirk. von Eberhard Gönner/Heinz Bardua/Luise Pfeifle (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 30), Stuttgart 1974.
  • Weber, Jutta, Kalliope – ein Portal in die Welt der Nachlässe und Autographen, in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 39 (2002), S. 345–358.
  • Wolbe, Eugen, Goethe als Autographensammler, in: Ders., Handbuch, S. 200–224.
  • Wolbe, Eugen, Handbuch für Autographensammler, Berlin 1923.
  • Zweig, Stefan, Die Welt der Autographen (1923), in: Stefan Zweigs Welt der Autographen, S. 22–27.
  • Zweig, Stefan, Vom Handschriftensammeln, 1927, in: Stefan Zweigs Welt der Autographen, S. 31f.

Zitierhinweis:  Eberhard Merk, Autografensammlung, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 14.06.2017.

 

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