Zeitungen

Von Claudia Wieland

Wertheimer wöchentliche Anzeigen und Nachrichten zum Nutzen und Vergnügen des Publici. Mit Hoher Samt-Herrschaften Gnädigster Concession [gedruckt], erste Ausgabe, 21. März 1772, (Quelle: Landesarchiv BW, StAWt o. Signatur)
Wertheimer wöchentliche Anzeigen und Nachrichten zum Nutzen und Vergnügen des Publici. Mit Hoher Samt-Herrschaften Gnädigster Concession [gedruckt], erste Ausgabe, 21. März 1772, (Quelle: Landesarchiv BW, StAWt o. Signatur)

Definition der Quellengattung

Zeitung ist ein gedrucktes Informationsmedium, das sich mit aktuellen Nachrichten aus einer Vielzahl von Themenbereichen in regelmäßiger Erscheinungsweise an ein allgemeines Publikum wendet und für jedermann zugänglich ist.[1] Aktualität, Universalität, Periodizität und Publizität sind somit die Unterscheidungskriterien zu anderen Gattungen der Informationsvermittlung wie z.B. Flugblätter oder Zeitschriften. Mehrere Entwicklungslinien (politische Zeitungen, Intelligenzblätter, Generalanzeiger) führten zu dem uns heute als Tages- oder Wochenzeitung bekannten Nachrichtenmedium.

Historische Entwicklung

Zunächst bedeutete das Wort „Zeitung“ in der deutschen Sprache einfach nur Nachricht. Dies konnte sowohl die mündlich als auch handschriftlich in Briefen übermittelte Nachricht sein. Briefzeitungen, handschriftlich verfasste Nachrichtenzusammenstellungen, die bereits einem größeren Personenkreis zugestellt wurden, existierten bereits im 16. Jahrhundert. Bekannt sind z.B. die Fuggerzeitungen, mit denen das Handelshaus Fugger ihnen bekannte Nachrichten aus Handel und Politik an interessierte Kreise weitergaben. Briefzeitungen lassen sich vereinzelt in den frühneuzeitlichen Beständen der Staats- und Kommunalarchive nachweisen, wie z.B. in Bestand StAWt G-Rep. 102.

Erste der Definition entsprechende Zeitungen erschienen kurz nach 1600 in Straßburg (Relation) und Wolfenbüttel (Aviso). In den folgenden Jahrzehnten wurden hauptsächlich in den großen Zentren, den Reichsstädten, Residenz-, Handels- und Universitätsstädten, weitere Zeitungen gegründet. Voraussetzung zur Herausgabe war eine von der jeweiligen Landesherrschaft erteilte Druckgenehmigung, wie sie auch bei anderen Druckerzeugnissen notwendig war. Die damit implizierte Zensur hatte Auswirkungen auf den Zeitungsinhalt. Politische Zeitungen konnten über Neuigkeiten und Ereignisse im Ausland und aus benachbarten Regionen berichten, oft jedoch nicht über Vorgänge im Inland. Anders verhielt es sich bei den Intelligenzblättern. Im 17. Jahrhundert in England und Frankreich entstanden, wurde das erste deutsche Intelligenzblatt 1722 in Frankfurt gedruckt.[2] Diese Zeitungsart diente zunächst vorrangig der Veröffentlichung privater Geschäftsanzeigen, aber auch amtlicher Bekanntmachungen, Familiennachrichten etc. und wies damit einen starken Regionalbezug auf. Erst in einem weiteren Entwicklungsschritt kamen hier redaktionelle Beiträge hinzu, bei denen eher Lebenspraktisches und Alltägliches im Vordergrund standen. Nach und nach übernahmen die Intelligenzblätter auch Aufgaben und Inhalte politischer Zeitungen, so dass aus ihnen im Verlauf des 19. Jahrhunderts allgemeine Zeitungen entstanden.

Aufbau und Inhalt

Auf der ersten Seite der Zeitung werden üblicherweise der Zeitungstitel, das Ausgabedatum, die Ausgabenummer und der Herausgeber genannt. Grafisch wurden die Zeitungen durch Spalten, Zwischenüberschriften in anderer Drucktype/Schriftgröße, Linien und Striche gegliedert. Nach einer zu Beginn meist wöchentlichen Ausgabe, die häufig auch im Zeitungstitel ihren Niederschlag fand, z.B. Wertheimer wöchentliche Anzeigen und Nachrichten, erschienen Zeitungen mit steigender Nachfrage und größerer Nachrichtenfülle dann mehrmals pro Woche – bis hin zu den an allen (Werk)Tagen herausgegebenen Tageszeitungen. Auch der Umfang und das Format einer Ausgabe, die anfangs meist mit 4 oder 8 Seiten in Quart startete, nahmen im Laufe der Zeit zu. Über längere Zeit gleichbleibende inhaltliche Strukturen erleichterten es dem Leser einer Zeitung, sich schnell darin zu orientieren. Urheberrechte in heutigem Sinne spielten anfänglich keine Rolle, so dass einzelne Nachrichten oder sogar ganze Zeitungen von Dritten nachgedruckt wurden. Beilagen zum Wochenende, für bestimmte Leserkreise (z.B. Fränkische Chronik: Blätter für Heimatgeschichte und Volkskunde als monatliche Beilage der Tauberzeitung in Bad Mergentheim) oder zu besonderen Ereignissen erweiterten das Angebot eines Zeitungsverlags.

Fotos halten im 20. Jahrhundert nach und nach Einzug in die Tagespresse, als Folge der Veränderungen in der Drucktechnik und der Fotografie. Eine durchgehend farbige Gestaltung der Zeitungsausgaben setzt sich nach der Jahrtausendwende bei den meisten Presseerzeugnissen durch. Weiterentwickelte Druckverfahren machen dies den Zeitungsverlagen nun zu betriebswirtschaftlich vertretbaren Konditionen möglich.

Zeitungen können, müssen aber nicht weltanschaulich neutral sein. Die Bandbreite reicht dabei von der in Artikelauswahl und -formulierung zum Ausdruck kommenden Interessensausrichtung bis hin zu expliziten Presseorganen von Parteien, Kirchen und anderen gesellschaftlichen Gruppierungen.

Das inhaltliche Spektrum einer Zeitung umfasste und umfasst Vieles: Amtliche Bekanntmachungen, kirchliche Familiennachrichten (Kirchen-Merkwürdigkeiten), lokale und überregionale Marktpreise, Verkaufsanzeigen und Kaufanfragen, Stellenangebote und -gesuche, Miet- und Pachtangebote und -gesuche, Gästelisten von Herbergen und Gaststätten, und manches mehr. Artikel zu Sachthemen aller Art sollen den Leser und auch die Leserin informieren und zur Verbesserung der Lebensumstände, der Gesundheit, zu einer ökonomischeren Haushaltung und Betriebsführung in Handwerk und Landwirtschaft beitragen. Solche Informationen können auch in Form einer (fiktionalen) Leserfrage-Leserantwort dargestellt sein. Echte Leserbriefe bzw. abgedruckte Reaktionen auf vorhergehende Zeitungsberichte finden sich aber schon in den Zeitungsausgaben des 18. Jahrhunderts. Unterhaltende, aber auch sittlich-belehrende Schriftsätze in Prosa und Reimform werden ebenfalls gedruckt, umfangreiche Aufsätze als Fortsetzung publiziert. Die Nachrichten zum lokalen und überregionalen Geschehen erscheinen dabei in fortlaufendem Text unter Angabe des Ortes und des Datums, mal in Reihenfolge der Poststationen, mal nach Bedeutung des Korrespondenzorts, aber oft auch ohne erkennbare Struktur. Schlagzeilen bzw. Artikelüberschriften, die das optische Erscheinungsbild strukturieren und den Blick des Lesers lenken, entwickeln sich im 19. Jahrhundert.

Überlieferungslage und ggf. vorarchivische/archivische Bearbeitungsschritte

Die politischen Zeitungen waren überregional verbreitet, ihre Ausgaben lassen sich daher heute in vielen Bibliotheken und Archiven finden. Dagegen sind die eher lokal verbreiteten Intelligenzblätter nur an wenigen Stellen dokumentiert.[3] In Anbetracht der oft geringen Auflagenhöhen von wenigen Hundert Exemplaren und der mit der Zeitung unweigerlich verknüpften Tagesaktualität, die nicht auf dauerhafte Nutzung und Verwahrung abzielte, verwundert es nicht, dass Gedächtnisinstitutionen selten über komplette Ausgaben einer Zeitung verfügen.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Es stand in der Zeitung, also muss es wahr sein – dieser Satz gilt definitiv nicht. Zeitungen sind im Gegensatz zu handschriftlichen Quellen zwar einfach zu lesen und auch leichter verfügbar, eine Quellenkritik und Interpretation der abgedruckten Informationen ist dennoch notwendig.[4] Denn Zensur, Interessenlage des Herausgebers, für den Abdruck zur Verfügung stehendes Platzangebot, die Verfügbarkeit von Nachrichten überhaupt in Abhängigkeit von Postverkehr und Korrespondentennetz beeinflussen den Zeitungsinhalt. Je nach Fragestellung ist zudem abzuklären, ob gesuchte Sachverhalte überhaupt oder in einem fraglichen Zeitraum in einem bestimmten Medium erschienen sind. Die weit verbreiteten überregionalen Zeitungen berichteten über das europäische Ausland, Lokalnachrichten finden sich dagegen beispielsweise in der Kayserl. Reichs-Post-Zeitung in Franckfurt am Mayn nicht.

Und es gilt: andere Zeiten – andere Sitten. Todesanzeigen mit Lebensdaten sind heute gebräuchliche Formen der Mitteilung und Erinnerung. Im 18. und 19. Jahrhundert waren solche Privatanzeigen noch unüblich. Dafür wurden kirchliche oder standesamtliche Mitteilungen abgedruckt, die heute wiederum aus Datenschutzgründen nicht mehr ohne Zustimmung der Betroffenen veröffentlicht werden dürfen.

Nicht nur die redaktionellen Bestandteile einer Zeitung können Informationen enthalten, auch die Anzeigen sind eine Fundgrube insbesondere für den Regionalforscher. Aus Mitteilungen zu Betriebseröffnungen, Standortverlagerungen, zur beworbenen Produktpalette können Erkenntnisse zur Wirtschaftsgeschichte einer Region oder einer Stadt ermittelt werden. Das kulturelle und politische Leben einer Kommune zeigt sich u.a. in der Werbung für Veranstaltungen, die Gründung oder das (Mindest)Alter eines Vereins oder einer Organisation ist schon manches Mal durch eine einstmals veröffentlichte Zeitungsannonce nachgewiesen worden.

Hinweise zur Benutzung

Meist sind Zeitungsserien Bestandteil von (Archiv-) Bibliotheken, nicht eigentliches Archivgut, sondern vielmehr bestandsergänzende Sammlung.[5] Die Kombination von hoher Nutzungsnachfrage, zahlreichen Reproduktionswünschen und schlechter Papierqualität führte seit Mitte des 20. Jahrhunderts zur Mikroverfilmung vorhandener Zeitungsbestände.[6] Eine Nutzung erfolgt daher oft über das Medium Mikrofilm bzw. mittlerweile auch als Digitalisat.

Die Recherche nach Zeitungstiteln in Bibliotheken ist über die Zeitschriftendatenbank ZDB[7] der Staatsbibliothek zu Berlin möglich. Einen Zugang zu digitalisierten historischen Zeitungen bieten das Zeitungsinformationssystem ZEFYS[8] der Staatsbibliothek zu Berlin und das Zeitungsportal der Bayerischen Staatsbibliothek digiPress[9].

Die Erschließung von Zeitungsbeständen (im Gegensatz zu Zeitungsausschnittsammlungen, Pressespiegeln) erfolgt in der Regel in Katalogform auf der Ebene der zumeist gebunden vorliegenden Zeitungsbände. Es werden Zeitungstitel sowie ggf. dessen Variationen und Untertitel, Jahrgang und Ausgabenummer erfasst, nicht jedoch die konkreten Inhalte der einzelnen Ausgaben bis hin zur untersten Ebene des Artikeleintrags. Eine sachthemenorientierte Recherche erfordert daher meist ein intensives Studium der Zeitungsausgaben, sofern keine zusätzlichen Erschließungshilfsmittel wie Stichwortregister und Zettelkataloge vorhanden sind. Die seit einigen Jahren verstärkte Digitalisierung von Zeitungsbeständen ermöglicht mittlerweile oft eine Online-Recherche nach Textinhalten. Je konkreter ein gesuchter Inhalt einem Datum zugeordnet werden kann, desto leichter fällt die Recherche.

Forschungs- und Editionsgeschichte

Bereits seit 1926 befasst sich das Dortmunder Institut für Zeitungsforschung mit dem Aufbau von Zeitungssammlungen und einer Fachbibliothek, um für die damals neue Zeitungswissenschaft ein umfangreiches Quellenkorpus zusammenzutragen. Der regionale Schwerpunkt lag zunächst auf dem Gebiet von Niederrhein und Westfalen, seit 1946 bezieht sich dessen Tätigkeit auf den gesamten deutschsprachigen Raum. Die Geschichte des Zeitungswesens im Allgemeinen wie auch die Genese und Entwicklung einzelner Verlage und der von ihnen herausgegebenen Zeitungen unter dem Blickwinkel regionaler, inhaltlicher oder auch zeitgebundener Aspekte ist in zahlreichen Publikationen dokumentiert.[10]. Doch sind noch längst nicht alle Aspekte der Zeitungsgeschichte erschöpfend bearbeitet, so dass beispielsweise „beim heutigen Stand der Forschung zum Intelligenzblatt nur Vorläufiges gesagt werden“ kann.[11]

Anmerkungen

[1] Wilke, Zeitung.
[2] Böning, Das Intelligenzblatt.
[3] Hagelweide, Zeitungsbestände, enthält beispielsweise keine der im Main-Tauber-Kreis seit 1772 erschienenen Lokalzeitungen.
[4] Höfig, „Ich liebe sie nicht, sie dienen der Zeit“.
[5] Zeitungen im Archiv; Franz, Einführung, S. 70.
[6] Pankratz, Mikrofilmarchiv. Im Landesarchiv Baden-Württemberg finden sich beispielsweise Zeitungsmikrofilme im Bestand StAWt A-66 Nr. 1.
[7] http://dispatch.opac.d-nb.de (16.06.2017).
[8] http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de (16.06.2017).
[9] https://digipress.digitale-sammlungen.de (16.06.2017).
[10] Hagelweide, Literatur.
[11] Böning, Das Intelligenzblatt.

Literatur

  • Böning, Holger, Das Intelligenzblatt, in: Von Almanach bis Zeitung, S. 89–104.
  • Franz, Eckhart G., Einführung in die Archivkunde, 7. Aufl., Darmstadt 2007.
  • Hagelweide, Gert, Deutsche Zeitungsbestände in Bibliotheken und Archiven (Bibliographien zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 6), Düsseldorf 1974.
  • Hagelweide, Gert, Literatur zur deutschsprachigen Presse. Eine Bibliografie. Von den Anfängen bis 1970, 20 Bde. (Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung 35), München/Berlin 1985–2011.
  • Höfig, Willi, „Ich liebe sie nicht, sie dienen der Zeit“. Vom Quellenwert unserer Zeitungssammlungen, in: Zeitungen im Archiv, S. 9–30.
  • Pankratz, Manfred, Mikrofilmarchiv der deutschsprachigen Presse e.V., 12. Aufl., Berlin 2010, Online-Datenbank unter http://mfa.allegronet.de/ (16.06.2017).
  • Von Almanach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in Deutschland 1700–1800, hg. von Ernst Fischer/Wilhelm Haefs/York-Gothart Mix, München 1999.
  • Von der Preßfreiheit zur Pressefreiheit. Südwestdeutsche Zeitungsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. von der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger und dem Verband der Druckindustrie in Baden-Württemberg, Stuttgart 1983.
  • Wilke, Jürgen, Die Zeitung, in: Von Almanach bis Zeitung, S. 388–402.
  • Zeitungen im Archiv, hg. von der Archivberatungsstelle des Landschaftsverbands Rheinland (Archivhefte 25), Köln 1992.

Zitierhinweis: Claudia Wieland, Zeitungen, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 11.07.2017.

 

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