Anbietungs- und Abgabelisten

Von Corinna Knobloch

Handschriftliches Behördenaktenverzeichnis der Preußischen Regierung Sigmaringen mit nachträglich vorgenommenen Ergänzungen, die über ein Vorhandensein der Unterlagen im Archiv Aufschluss geben, angelegt 1852 (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Ho 235 T 4-5 Nr. 906)
Handschriftliches Behördenaktenverzeichnis der Preußischen Regierung Sigmaringen mit nachträglich vorgenommenen Ergänzungen, die über ein Vorhandensein der Unterlagen im Archiv Aufschluss geben, angelegt 1852 (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Ho 235 T 4-5 Nr. 906)

Definition der Quellengattung

Bei Anbietungslisten handelt es sich um Verzeichnisse, in denen Behörden dem zuständigen Archiv die nicht mehr zur Aufgabenerfüllung benötigten Unterlagen nach dem Ablauf der Aufbewahrungsfristen zur Übernahme anbieten.

Nachdem das Archiv anschließend im Benehmen mit der abgebenden Behörde über die Archivwürdigkeit der Unterlagen entschieden hat, fertigt die abgebende Behörde eine Abgabeliste an, in der nur das archivwürdige Schriftgut aufgelistet ist.

Nach der Übernahme in das Archiv bietet die Abgabeliste der abgebenden Behörde und dem Archiv einen ersten Nachweis über die Unterlagen. Sie dienen beiden als Hilfsmittel, bis im Archiv die Zugangsbearbeitung mit der Kontrolle der Vollständigkeit der Unterlagen, der Erstellung eines Findbuchs, der archivgerechten Verpackung und Signierung abgeschlossen werden kann.

Das Archiv nimmt auf den Abgabelisten häufig noch einige Ergänzungen vor und vermerkt zum Beispiel die Bestandsbezeichnung und die Zugangsnummer.

Historische Entwicklung

Beispiel einer polizeilichen Abgabeliste für das Landesarchiv Baden-Württemberg-Staatsarchiv Ludwigsburg, 2017
Beispiel einer polizeilichen Abgabeliste für das Landesarchiv Baden-Württemberg-Staatsarchiv Ludwigsburg, 2017

Abgabelisten haben eine lange Tradition, da der Nachweis der abgegebenen Unterlagen für die Behörden von jeher bedeutsam war.

Wenn eine Behörde aufgelöst wurde, wurden manchmal veraltete handschriftliche Registraturverzeichnisse als Abgabelisten genutzt. In den Registraturverzeichnissen konnten auch Unterlagen aufgeführt sein, die nicht mehr vorhanden waren, da sie nicht in das Archiv übernommen oder bereits in der Registratur vernichtet worden waren. Bei Bedarf konnten Angaben ergänzt werden, die darüber Aufschluss gaben, ob die jeweiligen Unterlagen tatsächlich Eingang in das Archiv gefunden hatten.

Ab dem 20. Jahrhundert treten neben zuvor meist handschriftlichen auch maschinenschriftliche Abgabelisten auf.

Allerdings fertigten nicht alle Behörden Abgabelisten an. Häufig wurden Unterlagen ohne eine Liste in das Archiv übernommen. In anderen Fällen sind die Abgabelisten nicht mehr vorhanden, da sie nach der Fertigstellung eines archivischen Findbuchs als überholt angesehen und vernichtet wurden.

Seit einigen Jahren werden die Abgabelisten in der Regel elektronisch erstellt. Wenn sie als Tabelle vorliegen, ermöglichen sie der abgebenden Behörde und dem Archiv nicht nur eine leichtere Suche, sondern können häufig sogar direkt in das archivische Erschließungssystem übernommen werden.

Aufbau und Inhalt

Die Anbietungs- und Abgabelisten können in ihrer Ausführlichkeit und Aussagekraft sehr unterschiedlich sein. Manche Listen weisen die Unterlagen nur zusammenfassend nach (z.B. „Protokollbände 1909–1922“). Andere Verzeichnisse sind dagegen sehr detailliert und enthalten umfangreiche Beschreibungen zu den Unterlagen. Diese Angaben können zum Beispiel aus dem Nachnamen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnort, Beruf und Aktenzeichen bestehen. Das Aktenzeichen hat dabei eine herausragende Stellung, da es oft auch an anderen Stellen in der Behörde und bei anderen Behörden benutzt wurde. Daher bietet es eine Verzahnungsmöglichkeit zu anderen Unterlagen.

Auf Ablieferungslisten sind die einzelnen Unterlagen normalerweise fortlaufend durchgezählt. Wurde diese Nummer auch auf den Archivalien angebracht, ist bereits vor der endgültigen archivischen Bearbeitung ein gezielter Zugriff auf die einzelnen Unterlagen möglich.

Überlieferungslage und ggf. (vor)archivische Bearbeitungsschritte

Wenn die Behörde dem Archiv eine Anbietungsliste schickte, befindet sie sich nach der Übernahme der Unterlagen in der Regel in den Bestandsakten in der Registratur des Archivs.

Auch die Abgabelisten werden nach der Fertigstellung eines archivischen Findbuchs häufig dort abgelegt.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Obwohl es sich zunächst vorwiegend um Hilfsmittel zum Auffinden von Unterlagen sowie Nachweise der an das Archiv abgegebenen Unterlagen handelt, können Anbietungs- und Abgabelisten auch für weitergehende Fragestellungen genutzt werden.

Manche Listen beinhalten mehr Informationen als ein später erstelltes Findbuch. So können sie zum Beispiel alte Aktenzeichen enthalten, die nicht in das Findbuch aufgenommen wurden.

Der Nachweis von Unterlagen, die in der Registratur der Behörde existiert haben und nicht in das Archiv übernommen wurden oder durch äußere Einwirkungen (beispielsweise Kriegsverluste) zerstört wurden, kann Kerninformationen zu der Arbeit und den Aufgaben der Behörde liefern.

Hinweise zur Benutzung

Sofern Anbietungs- und Abgabelisten von der Behörde angefertigt worden sind und nach der Erstellung eines archivischen Findbuchs noch existieren, sind bei der Benutzung verschiedene Möglichkeiten vorhanden. Die Listen können sich beispielsweise im entsprechenden Bestand befinden, separat in einem anderen Bestand mit anderen veralteten Findhilfsmitteln verwahrt werden oder in die archivische Registratur Eingang gefunden haben.

Abhängig vom Alter und Inhalt der Unterlagen ist es möglich, dass noch Sperrfristen zu beachten sind.

Literatur

Zitierhinweis: Corinna Knobloch, Anbietungs- und Abgabelisten, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 07.06.2017.

 

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