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Schiefe Türme im Südwesten

Der Ulmer Metzgerturm während der ersten Länderübergreifenden Gartenschau Baden-Württemberg – Bayern, 1980 [Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 134 Nr. 116016c]
Der Ulmer Metzgerturm während der ersten Länderübergreifenden Gartenschau Baden-Württemberg – Bayern, 1980 [Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 134 Nr. 116016c]

Schiefe Türme sind gar nicht so selten. Auch im Ländle gibt es Beispiele, die mehr oder weniger ins Auge fallen.

Sehr ausgeprägt zeigt sich die Schieflage am Turm der Martinskirche in Neckartailfingen, einer der ältesten Kirchen der Region. Wie in den meisten Fällen liegt die Ursache im Untergrund, der hier aus Knollenmergel besteht. Knollenmergel kommen in diesem Abschnitt des Neckartals häufig vor und machen nicht nur den Häuslebauern zu schaffen. Die Böden sind auch für Laien an den wellenförmige Einkerbungen erkennbar, die sich besonders an Hängen zeigen und selbst weniger gewichtige Objekte wie die Bäume auf den charakteristischen Streuobstwiesen ins Rutschen bringen. Der Baubeginn der Martinskirche lässt sich auf die Zeit um 1111 eingrenzen. Die Würfelkapitelle der romanischen Säulenbasilika weisen Bezüge zu Hirsau auf. Ursprünglich schloss die Martinskirche im Westen mit einer Doppelturmanlage ab, von der noch Reste erhalten sind. Der heutige Turm wurde um das Jahr 1500 errichtet. Untersuchungen zeigen Bemühungen, das Absinken der Mauern bereits während dieser neuerlichen Bauphase auszugleichen. Demzufolge neigt sich der Turm zweifach, sowohl nach Westen als auch nach Süden. Am deutlichsten zeigt sich das an der südwestlichen Ecke, die rund 1,3 Meter von der Achse abweicht. Der Zustand des Gebäudes wird überwacht und regelmäßig geprüft.

Sorgen bereitet auch der Köllesturm, das Wahrzeichen von Bönnigheim im Kreis Ludwigsburg. Der zwischen 1284 und 1286 erbaute Köllesturm war zusammen mit einem weiteren, nicht erhaltenen Torturm Bestandteil der Stadtmauer. Die Durchgänge waren verschließbar. Ergänzend führte ein Graben um die Mauer, den an den Zugängen Brücken überspannten. Seinen Namen soll der Köllesturm nach seinem letzten Wächter erhalten haben. Der lehmige Grund und das schwache Fundament führten dazu, dass er 2006 als einsturzgefährdet galt. Neuere Messungen hatten ein Fortschreiten der Neigung von durchschnittlich 2 cm pro Jahr ergeben. Daraufhin kam ein tief in den Boden reichender Pfeiler zur Verstärkung an die Westseite. Ganz gestoppt werden konnte die Bewegung zunächst nicht, doch trat eine Stabilisierung ein. Das jüngst durchgeführte umfangreiche Sanierungsprogramm soll zur weiteren Konsolidierung beitragen.

Für den schiefen Metzgerturm in Ulm, der sich an der zur Donau gelegenen Seite der Stadtbefestigung nach hinten neigt, erdichtete der Volksmund eine Legende. Ihr wahrer Kern beruht darauf, dass der Turm, wie oftmals üblich, als Gefängnis diente und in der Nachbarschaft des Flusses Schlachtbänke existierten. Als die Metzger mit den Würsten mauschelten, sollen sie in den Turm gesperrt worden sein. Dort schmachteten sie und warteten auf ihr Strafgericht. Eines Tages trafen mehrere Amtsperson ein. Die Metzger, grobschlächtige und schwergewichtige Gesellen, sahen ihr letztes Stündlein gekommen und flüchteten sich vor Schreck auf eine Seite, worauf die Fundamente nachgaben. Für das Absinken des Turms sind wohl tatsächlich die alten hölzernen Fundamente verantwortlich, auf denen die Stadtmauer erbaut wurde. Besserung brachte eine bereits vor dem Ersten Weltkrieg durchgeführte Sanierung mit Beton.

Bilder zum Köllesturm in Bönnigheim und der Martinskirche in Neckartailfingen finden Sie zusammen mit zahlreichen anderen interessanten Motiven auf Landauf - LandApp.

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