Schweitzer, Vincenz 

Geburtsdatum/-ort: 10.12.1872;  Altheim (Horb)
Sterbedatum/-ort: 05.12.1931; Würzburg
Beruf/Funktion:
  • rk. Geistlicher, Direktor des Wilhelmsstifts, Historiker
Kurzbiografie: Besuch des Gymnasiums und Konvikts Rottweil
1891–1895 Studium der Philosophie und Theologie an der Univ. Tübingen
1895 Lösung einer Preisfrage der Philosophischen Fakultät, mit der er sich den philosophischen Doktor erwarb (Christian IV. und die niederdeutschen Städte)
1896 Priesterweihe in Rottenburg
1896 Vikar in Freudenstadt, dann in Ulm
1898 Vikar in Altheim (Biberach)
1899 Expositurvikar in Schönmünzach
1899 Repetent am Wilhelmsstift in Tübingen
Herbst 1900 Reise nach Südfrankreich und Oberitalien
1902 Teilnahme am pädagogischen und schultechnischen Kurs am Schullehrerseminar in Saulgau
1904 Mitglied des Historischen Instituts der Görresgesellschaft in Rom
1908 Pfarrer von Nenningen, Beendigung des philologischen Examens, dann Verweser einer Dompräbende in Rottenburg
1909 Direktor des Wilhelmsstifts in Tübingen und Klinikenpfarrer
1913 Päpstlicher Geheimkämmerer
1921 Ruhestand, Beichtvater der Schwestern im Josephshaus Altshausen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Anton Schweizer [sic] Lehrer
Mutter: Emilie Beuster
GND-ID: GND/1019511850

Biografie: Dominik Burkard (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 269-270

Schweitzers eigentliche Leistungen liegen auf dem Gebiet der Kirchengeschichte. Sein Tübinger Lehrer war Franz Xaver Funk, doch besuchte Schweitzer auch die Repetitionen Sebastian Merkles und hörte Vorlesungen in der Philosophischen Fakultät, wo er vor allem von dem Historiker und Treitschke-Schüler Dietrich Schäfer geprägt wurde. Dieser promovierte Schweitzer, noch nach seiner Berufung nach Heidelberg, zum Dr. phil. Als Repetent unternahm Schweitzer im Jahre 1900 eine Studienreise, die ihn in Bibliotheken und Archive Südfrankreichs und Oberitaliens führte.
Im Herbst 1904 wurde er auf zwei Jahre beurlaubt und Kaplan am Campo Santo in Rom, wo Joseph Wittig sein Mitkaplan war. Im Historischen Institut der Görresgesellschaft arbeitete Schweitzer an der Herausgabe der Acta Concilii Tridentini mit und übernahm den Traktatenband, der theologische und kanonistische Abhandlungen des Konzils bringen sollte. Das Material war über ganz Europa zerstreut. In den Jahren 1904 bis 1907 durchforstete Schweitzer dafür römische Archive und Bibliotheken.
1909 wurde Schweitzer Direktor des Tübinger Hochschulkonvikts (Wilhelmsstift), einer ebenso traditionsreichen wie bedeutenden (staatlichen) Einrichtung. Die Aufgabe des Lehrers und Erziehers der künftigen Theologen blieb seiner Forschernatur jedoch fremd. 1910 übernahm Schweitzer zusätzlich den Vorstand des neu gegründeten Albertus-Magnus-Vereins der Diözese, der die katholischen Laienstudenten unterstützen und das katholische Bildungsdefizit mildern helfen sollte. 1913, im Zusammenhang mit der Einweihung der neuen Universitätsbibliothek, kam es zu einer empfindlichen Verstimmung zwischen dem Wilhelmsstift und der Universität, weil ersteres nicht zur Einweihungsfeier geladen worden war.
Schweitzers Amtszeit fiel in die schwere Zeit des Ersten Weltkriegs. Die meisten Konviktoren mussten ins Feld, das Wilhelmsstift wurde größtenteils in ein Lazarett umgewandelt. Wohl aufgrund der damit verbundenen Lasten wurde Schweitzer – zusammen mit dem Hausmeister des Wilhelmsstifts – am 5. Oktober 1916 mit dem Wilhelmskreuz ausgezeichnet. In die Jahre des Weltkriegs fällt auch Schweitzers besonderes Engagement für die katholische Bibelbewegung. Mit Hilfe einiger Repetenten übersetzte er einzelne Bücher des Neuen Testaments und ließ sie in Einzelheften an die Soldaten ins Feld verschicken. Im Sommersemester 1918 übernahm Schweitzer im Wilhelmsstift auch den Musikunterricht. 1919 wurde Schweitzer Ehrenmitglied der AV Alamannia Tübingen. 1920 brach im Haus eine Typhusepidemie aus, an der bis zu 45 Konviktoren erkrankten, sieben Studenten sowie Repetent Dr. Josef Drom starben. Aufgrund der daraufhin einsetzenden Presseschlacht und des Vertrauensverlusts bei den Studierenden brach Schweitzer seelisch und körperlich zusammen, resignierte und wurde 1921 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Schweitzer, der unter seinem Schicksal und den ihm gemachten Vorwürfen schwer litt, zog sich ins Josephshaus nach Altshausen zurück. Dort versah er das Amt des Beichtvaters der Schwestern. Seine eigentliche Arbeitskraft gehörte in diesen letzten Lebensjahren wieder dem wissenschaftlichen Studium, für das der zunehmend sehbehinderte Schweitzer in seiner Haushälterin Fräulein Scherrmann, der er unbedenklich lateinische Texte in die Feder diktieren konnte, eine Helferin hatte. Auf ausgedehnten Bibliotheksreisen, die ihn zuletzt noch nach Oberitalien und Budapest führten, konnte Schweitzer neues Material für seinen Traktatenband zusammentragen. Nach dem Tod von Stephan Ehses (1926) wurde er von der Görresgesellschaft außerdem mit der Herausgabe der Protokolle der zweiten Trienter Tagung (1551/52) beauftragt. Der erste Band der Traktate, Zeuge eines enormen Fleißes, konnte 1930 erscheinen. Die Herausgabe des zweiten, fast druckreifen Bandes erlebte Schweitzer nicht mehr; er wurde später von Hubert Jedin vollendet.
Das wissenschaftliche Œuvre Schweitzers blieb an Umfang vergleichsweise klein. Am fruchtbarsten war – abgesehen von den letzten Lebensjahren – Schweitzers römische Zeit, in der er Beiträge in die Römische Quartalschrift lieferte; von seiner Kenntnis der internationalen Literatur zeugen seine Berichte über wichtige Erscheinungen der französischen, italienischen, spanischen und portugiesischen Forschungen. Für die Diözese Rottenburg darf Schweitzer als Pionier der katholischen Bibelbewegung gelten.
Quellen: RWT D 13. 1b/6; D 13. 1 a– 2; DAR G 1. 7. 1; StAL E 211.
Werke: Christian IV. von Dänemark und sein Verhältnis zu den niederdeutschen Städten bis zum Jahre 1618, 1899; Buddhismus und Christentum. Gehalten am 8. Dez. 1903 in Stuttgart (Populär-wiss. Vorträge 3), 1903; Glaube und Werke bei Klemens Romanus, in: ThQ 85 (1903), 417–437, 547–575; Alter des Titels ΘεστΘκτς, in: Katholik 83/I (1903), 97–113; Christian IV. von Dänemark und die niederdeutschen Städte in den Jahren 1618–25, in: HJb 25 (1904), 99–125; 741–53; Polykarp von Smyrna über Erlösung und Rechtfertigung, in: ThQ 86 (1904), 91–109; Der Pastor Hermae und die opera supererogatoria, in: ThQ 86 (1904), 539–556; Die Wahl des Grafen Berthold von Königsegg zum Bischof von Verden j. J. 1629, in: RQ 19 (1905), 3–13; Der Papst und die Kurie, in: HPBl 138 (1906/II), 326–328 (eine Auseinandersetzung mit P. M. Baumgarten, anonym); Kardinal Bartolomeo Guidiccioni (1469–1549), in: Römische Quartalschrift 20 (1906), 27–53, 142–161, 189–204; Beiträge zur Geschichte Pauls III., in: ebda. 22 (1908), 132–142; Zur Geschichte der Reform unter Julius III., in: Jahresbericht und Vereinsschriften der Görresgesellschaft zur Pflege der Wiss. im katholischen Deutschland für das Jahr 1907, 1908, 51–66; Zur Wahl Alexanders VI., in: HJb 30 (1909), 809–814; Eine Geschichte des Jesuitenordens in Italien, in: ThRv 10 (1911), 137–140; Das Neue Testament. Für das katholische Volk übersetzt. Enthaltend: Die heiligen Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, die Apostelgeschichte und Briefe und die Geheime Offenbarung, 1915; Das Neue Testament. Für das katholische Volk übersetzt im Verein mit mehreren Geistlichen der Diözese Rottenburg von Vincenz Schweitzer, 1930 (mehrere Auflagen). Concilii Tridentini tractatus. Complectens tractatus a translatione concilii usque ad sessionem XXII. Pars 1 (Concilium Tridentinum 12), conscriptos, collegit, ed., illustravit, 1930, 2. Aufl. 1966; Pars 2, Vol. 1 (Concilium Tridentinum 13), ex coll. Vincenz Schweitzer. Auxit edidit illustravit Hubertus Jedin, 1938, 2. Aufl. 1967; außerdem Mitarbeiter an LThK Bde. 1–5; Rezensionen in ThQ, HJb und ThRv.

Literatur: Sebastian Merkle, Vincenz Schweitzer [Nekrolog], in: HJb 51 (1931), 574 f.; Katholisches Sonntagsblatt (Stuttgart) Nr. 50 (13.12.1931), 795; Deutsches Volksblatt Nr. 285 (10.12.1931); Allgemeiner Personalkatalog der seit 1880 (1845) ordinierten geistlichen Kurse des Bistums Rottenburg, hg. vom Bischöflichen Ordinariat, 1938, 107; Helmut Waldmann, Verzeichnis der Geistlichen der Diözese Rottenburg-Stuttgart von 1874 bis 1983, 1984, 84; Alois Dangelmaier, Köpfe und Käuze aus Lautern. Ein Heimatbuch, 1957, 110 ff.; August Hagen, Geschichte der Diözese Rottenburg III, 1960, 156 f., 216, 243, 285 f., 380, 484; Remigius Bäumer, Die Erforschung des Konzils von Trient und der Campo Santo, in: Erwin Gatz (Hg.), Hundert Jahre Deutsches Priesterkolleg beim Campo Santo Teutonico 1876–1976. Beiträge zu seiner Geschichte (RQ, Suppl. 35), 139–159, hier 150 f.
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