Gnädinger, Karl 

Geburtsdatum/-ort: 05.11.1905;  (Singen-) Bohlingen
Sterbedatum/-ort: 12.03.1995;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Weihbischof in Freiburg
Kurzbiografie:

1925 IV 41929 Abitur am Gymnasium Konstanz; Studium der Theologie in Freiburg

1930 Priesterweihe

19301931 Vikar in Oberkirch-Nußbach und Waldshut

19311938 Präfekt am Konradihaus Konstanz

1939 Pfarradministrator in Schopfheim

1940 Pfarrer in Schopfheim

1951 Dekan des Dekanats Wiesental

1952 Münsterpfarrer in Konstanz

1953 Dekan des Dekanats Konstanz

1961 Weihbischof in Freiburg

1961 Dompropst

1961 Vorsitzender des Freiburger Diözesan-Caritasverbandes

19621965 Teilnehmer am II. Vatikanischen Konzil

19771978 Diözesanadministrator

1980 XII 31 Emeritierung

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (1975); Ehrenbürger von Singen (1975) und Walldürn (1981); Dr. theol. h. c. der Universität Freiburg (1978); Weihbischof-Gnädinger-Haus des Caritasverbandes für die Erzdiözese Freiburg e.V. (1996).
Verheiratet:

unverheiratet


Eltern:

Vater: Peter (1867–1906), Landwirt aus (Singen-) Bohlingen

Mutter: Rosa, geb. Küchler (1864–1916) aus Ehingen


Geschwister:

3; Anna Melania (geb. 1900), Maria Margarita (geb. 1901) und Anton (geb. 1904)


Kinder:

keine

GND-ID: GND/116692588

Biografie: Christoph Schmider (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 172-175

Schon früh, so wird aus dem handgeschriebenen Lebenslauf deutlich, mit dem Gnädinger seinen Antrag auf Aufnahme unter die Priesteramtskandidaten der Erzdiözese begründete, musste er sehr schmerzliche Erfahrungen machen: „Es wäre eine selige Jugendzeit gewesen, wäre nicht schon nach 5 Monaten mein Vater in die Ewigkeit abberufen worden. […] Einen Trauertag brachte mir dieses Jahr [1916], den Tag des Todes meiner Mutter […]. Als 12-jähriger Knabe stand ich in der Welt als Waise.“ (EAF, Personalakte Karl Gnädinger)

Doch der Rückblick, den der 19-jährige Abiturient in sehr beschaulichen Worten formulierte, enthielt auch Positives und bekundete, dass Gnädinger selbst schon früh spürte, zum Priestertum berufen zu sein: „Zu den lieblichsten Erinnerungen meiner frühen Kinderjahre gehören die Sonntage, an denen ich mit meiner Mutter in den Vormittags- oder Nachmittagsgottesdienst gehen durfte. […] Schon damals stieg in mir der Wunsch auf, einmal ‚Pfarrer‘, wie man sich in diesen Jahren ausdrückt, zu werden. Der Mutter Auge strahlte […], wenn ich diese Bitte vorbrachte, und sie tat alles, um jeden verderblichen Einfluss von mir fernzuhalten, der mir diesen Gedanken hätte rauben können. So behielt ich denn dieses hohe Ziel immer im Auge […], und ich darf sicher sagen, dass ich meine Wahl recht getroffen habe.“ (EAF, Personalakte Karl Gnädinger)

Dass er mit dieser Selbsteinschätzung richtig gelegen hatte, zeigt sein weiterer Berufs- und Lebensweg, der – von außen betrachtet – geradlinig und folgerichtig verläuft und nirgendwo Anzeichen für Verunsicherung oder Zweifel erkennen lässt. Gnädinger sah freilich die Berufung als einen Akt göttlicher Barmherzigkeit an und ließ deshalb für sein Bischofswappen aus dem Widder im schon seit 1403 nachgewiesenen Familienwappen ein Lamm als Gnadensymbol machen. Damit wollte er, neben einer Anspielung auf seinen Familiennamen, den Dank für die ihm zuteil gewordene Gnade ausdrücken und bildlich sein Programm für den bischöflichen Dienst darstellen, als dessen vornehmste Aufgabe er es ansah, den Menschen die Gnade Gottes zu vermitteln.

Gnädinger stammte aus einfachen Verhältnissen, und im Grunde seines Herzens blieb er auch als Bischof immer ein einfacher Mensch. Er war kein hochgelehrter Theologe, schon gar kein hochfahrender „Kirchenfürst“, sondern ein leutseliger, in sich ruhender Seelsorger, der unkompliziert, verständnisvoll und väterlich auftrat und „viele Menschen, junge und betagte, einfache und hochgebildete, glaubende und nichtglaubende, in seinen Bann“ zog (Riedlinger, FDA 116, 1996, S. 278). Die Distanz zu den „einfachen“ Gläubigen, die das Bischofsamt fast zwangsläufig mit sich bringt, betonte Gnädinger nicht etwa, sondern er setzte alles daran, sie soweit es ging zu verringern. „Alle wussten, dass sie mit ihren Sorgen und Nöten bei ihm ein offenes Ohr fanden. Wo immer er konnte, half er denn auch mit Rat und Tat oder leitete Angelegenheiten, die er nicht selbst entscheiden wollte, empfehlend […] weiter. Die Menschen spürten einfach, dass sie sich auf das, was er ihnen sagte, verlassen konnten, weil er sich nicht scheute, es offen zuzugeben, wenn er […] keinen Rat wusste.“ (ebd.)

Gnädinger wurde als jüngstes von vier Geschwistern in Bohlingen im Hegau geboren. Der Vater starb infolge eines Arbeitsunfalls in seinem landwirtschaftlichen Betrieb, als Gnädinger erst fünf Monate alt war, die Mutter verlor er in seinem elften Lebensjahr. Die Patin, eine ältere Schwester der Mutter, nahm sich der vier Waisenkinder mit großem Engagement an. Der weitere Lebensweg Gnädingers verlief zunächst für einen Priester seiner Generation geradezu klassisch: Der Ortspfarrer unterrichtete ihn zusätzlich und sorgte dafür, dass er 1917 ins „Konradihaus“, das in Konstanz angesiedelte Erzbischöfliche Gymnasialkonvikt, und in die zweite Klasse des Konstanzer Gymnasiums aufgenommen wurde. Nach dem Abitur am 4. April 1925 trat Gnädinger in das Freiburger Collegium Borromaeum ein und studierte bis zum Ende des WS 1928/29 katholische Theologie.

Als Schüler wie als Student scheint Gnädinger stets im positiven Sinne unauffällig gewesen zu sein. Im Abschlusszeugnis des „Konradihauses“ hieß es, bei ihm seien „keine besonderen Fehler und keine besonderen Eigenschaften hervorzuheben“, und die Vorsteher des „Collegium Borromaeum“ hielten fest, er habe sich „zu innerer Reife entwickelt“, sei „ein zuverlässiger Charakter geworden, gewissenhaft und ernst, von ruhiger Gemütsart, im religiösen Leben eifrig“ (EAF, Personalakte Karl Gnädinger). Dem Studium folgten das obligatorische Jahr im Priesterseminar St. Peter mit der pastoralpraktischen Ausbildung, die Priesterweihe am 16. März 1930 durch Erzbischof Karl Fritz und dann bis November 1931 die Vikarszeit in Nußbach im Renchtal und Waldshut.

Anschließend kam Gnädinger für gut sieben Jahre als Präfekt am Konradihaus zurück nach Konstanz. Wo er sich schon als Schüler wohlgefühlt hatte, arbeitete er mit viel Begeisterung als Religionslehrer, Erzieher sowie als Chor- und Orchesterdirigent und war bei Vorgesetzten, Kollegen und Schülern gleichermaßen beliebt. Nach einem kurzen Intermezzo in Sipplingen ging Gnädinger am 1. März 1939 als Pfarrverweser nach Schopfheim im Wiesental, wo er ein Jahr später Pfarrer wurde. Mitte August 1939 wurde er noch einmal für kurze Zeit als „Nothelfer“ ins Konradihaus geholt, denn die gesamte Führungsmannschaft war in Frankreich im Gefängnis gelandet: Rektor Matthäus Lang, Präfekt Josef Hall, Alfons Denzel und Dr. Emil Rümmele hatten bei einer gemeinsamen Reise durch Südfrankreich mitten in einem militärischen Sperrgebiet angehalten, um zu fotografieren, waren dabei beobachtet und als mutmaßliche deutsche Spione verhaftet worden. Durch Vermittlung des Bischofs von Lyon wurden sie einige Zeit später in ein „Maison de retraite“ der Diözese Lyon verlegt, aber erst nach der Kapitulation Frankreichs wieder freigelassen.

In der Diasporagemeinde Schopfheim blieb Gnädinger 13 ½ Jahre. Wenngleich er nie einen Hehl aus seiner durch und durch katholischen Gesinnung machte, war er doch – gerade in der NS-Zeit – stets auf ein gutes ökumenisches Verhältnis zwischen den Konfessionen bedacht und entwickelte zu seinem evangelischen Amtskollegen eine geradezu freundschaftliche Beziehung. Doch auch seine katholischen Mitbrüder im priesterlichen Dienst schätzten ihn, und so blieben zusätzliche Aufgaben und Ämter nicht aus: 1950 wurde er zum Kammerer, 1951 zum Dekan des Landkapitels Wiesental gewählt.

Rund ein Jahr später wurde Gnädinger Münsterpfarrer in Konstanz und schien somit am Ziel seiner priesterlichen Berufswünsche angelangt. Er liebte die alte Bischofsstadt am Bodensee mit ihrer ehemaligen Kathedrale, fühlte sich nahe seiner Heimat zuhause, und Arbeit gab es selbst für einen so tatkräftigen und energischen Mann wie ihn mehr als genug: Als Vorsitzender der Gesamtkirchengemeinde betrieb er den Bau neuer Kirchen, Kindergärten und Pfarrheime, als Münsterpfarrer die Erneuerung der Orgel sowie die Gesamtrenovation des Münsters. Mit der Erhebung der Münsterkirche zur „Basilica minor“ durch Papst Pius XII. 1955, die Gnädinger ebenso energisch wie beharrlich in die Wege geleitet hatte, war es ihm gelungen, für Konstanz einen zumindest schwachen Widerschein des alten Glanzes der Bischofsstadt zurückzugewinnen, und er hatte noch weitere Ideen in petto.

Doch Gnädinger konnte nicht all seine Konstanzer Pläne verwirklichen, denn just an seinem 55. Geburtstag ernannte ihn Papst Johannes XXIII. zum Titularbischof von Celerina und zum Weihbischof in der Erzdiözese Freiburg. Kurz darauf übertrug ihm der Papst auch noch das Amt des Dompropstes und somit den Vorsitz im Domkapitel. Die Bischofsweihe fand am 12. Januar 1961 im Freiburger Münster statt, Konsekrator war Erzbischof Hermann Schäufele, dem die Weihbischöfe Wilhelm Sedlmeier (1898–1987) von Rottenburg und Josef Maria Reuss (1906–1985) von Mainz assistierten.

Außer als Helfer seines Erzbischofs bei den originär bischöflichen Aufgaben war Gnädinger in vielfältigen Funktionen auch in die Arbeit des Ordinariats und somit in die Leitung und Verwaltung des Erzbistums eingebunden. Neben dem Referat „Caritas“, das er gleich nach seiner Weihe übernommen hatte, wurde ihm bald darauf der Vorsitz des Diözesancaritasverbandes übertragen, einige Jahre später kam noch das Referat „Ordenswesen“ hinzu, für das er in der Folgezeit auch überdiözesan als Mitglied und zeitweilig als Vorsitzender der entsprechenden Kommission der Deutschen Bischofskonferenz zuständig war.

In die ersten Jahre seiner Tätigkeit als Bischof fiel mit dem II. Vatikanischen Konzil ein innerkirchliches Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. Auch wenn Gnädinger mit seinen mittlerweile beinahe 60 Lebensjahren kein jugendlicher Heißsporn mehr war, wurde er vom konziliaren Aufbruch doch zutiefst geprägt. Zu seiner Überzeugung, dass es kein Zurück zu früheren Zuständen geben dürfe und dass jedes Mitglied der katholischen Kirche – auch und gerade diejenigen in Leitungsfunktionen – die Beschlüsse des Konzils bejahend annehmen musste, stand er auch in den schärfsten theologischen Auseinandersetzungen der folgenden Jahre. Ausschlaggebend hierfür dürfte nicht nur seine grundsätzliche Offenheit für eine maßvolle Modernisierung der Kirche gewesen sein, sondern auch, dass er an sämtlichen Vollversammlungen des Konzils teilgenommen und miterlebt hatte, wie ernsthaft, aber auch mitunter kontrovers und mühsam um die Texte und Beschlüsse gerungen worden war.

Nach dem Tod von Erzbischof Schäufele am 26. Juni 1977 wählte das Domkapitel Gnädinger zum Kapitelsvikar und Diözesanadministrator. Rund neun Monate leitete er während der Sedisvakanz das Bistum und machte die Arbeit so gut, dass manch einer ihn gern als Erzbischof gesehen hätte, wenn nicht sein Alter dagegen gesprochen hätte. Ende des Jahres 1980, anlässlich seines 75. Geburtstags, bot Gnädinger dem Papst, den kirchenrechtlichen Vorschriften entsprechend, seinen Rücktritt an und wurde denn auch zum 31. Dezember 1980 von seinen Pflichten entbunden. Dies bedeutete für ihn aber nicht, dass er sich tatsächlich zur Ruhe gesetzt hätte. Im Gegenteil, noch mehr als 10 Jahre lang verrichtete er, freiwillig, aber darum nicht weniger fleißig, seinen bischöflichen Dienst: Er spendete das Firmsakrament, weihte Kirchen oder Altäre, zelebrierte Pontifikalämter und predigte bei Festgottesdiensten. So kam er auch in vorgerücktem Alter immer wieder in den geliebten Genuss rasanter Autofahrten – er soll seinen Chauffeur öfters gefragt haben, ob er nicht schneller fahren könne – und schöner Musik, die ihm zeitlebens viel bedeutet hatte. Seit der Zeit als Chorleiter im Konradihaus galt seine besondere Liebe Knabenchören. Der 1. November 1970, an dem die neu gegründeten Freiburger Domsingknaben erstmals ihren liturgischen Dienst verrichteten, wurde ihm ein Freudentag!

1980 konnte Gnädinger sein Goldenes Priesterjubiläum feiern, zwei Jahre zuvor bereits hatte ihn die Theologische Fakultät der Universität zum Ehrendoktor der Theologie promoviert. Dekan Remigius Bäumer hob in seiner Festrede hervor, dass Gnädinger nicht nur von klein auf „ein besonderes Organ für die Notwendigkeit helfender Liebe“ gehabt habe, sondern auch „in einer Zeit des Umbruchs ruhender Pol und Stütze seiner Gläubigen und Priester“ gewesen sei. Durch sein ruhiges, zielstrebiges Arbeiten, durch seine menschliche Wärme und Hilfsbereitschaft habe er „einen entscheidenden Beitrag zur Seelsorgs- und Sozialgeschichte des Bistums geleistet“ (EAF Personalakte Karl Gnädinger).

Noch weitere Jubiläen konnte Gnädinger feiern: 60 Jahre Priester (1990) und 30 Jahre Bischof (1991). An Ehrungen und Auszeichnungen fehlte es vor allem in seinen späteren Lebensjahrzehnten nicht. In den letzten Lebensjahren machten Gnädinger Alter und Krankheit zunehmend zu schaffen, ab November 1994 konnte er das Bett nicht mehr verlassen. Als er vier Tage vor der 65. Wiederkehr seiner Priesterweihe starb, war er nicht nur nach Lebens-, sondern auch nach Dienstjahren der zweitälteste Freiburger Bischof geworden – lediglich Hermann von Vicari hatte ihn übertroffen. Gnädinger wurde am 17. März 1995 im Rahmen eines Pontifikalrequiems in der Krypta des Freiburger Münsters beigesetzt.

Wie Riedlinger in einem Nachruf festhielt, hatte Gnädinger in seinen Funktionen als Priester wie als Bischof stets „mehr auf außergewöhnlich gute Erfüllung der gewöhnlichen Pflichten als auf außergewöhnliche Taten außerhalb der Pflichterfüllung“ (FDA 116/1996, S. 277) geachtet. In seinem langen Leben hatte er reichlich Gelegenheit, zu zeigen, wie ernst es ihm damit war. Gewissenhaftigkeit, Genauigkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit waren stets seine hervorstechenden Wesensmerkmale. Dazu kam die Akribie, mit der er von Beginn seiner Priesterlaufbahn an seine Predigten immer vorbereitet und ausgearbeitet hat; in seinen Bischofsjahren brachte er es durch fleißige und gründliche Arbeit „im Bereich volksnaher theologischer Rede zu wahrer Meisterschaft“ (FDA 116/1996, S. 278).

Quellen:

EAF Personalakte Karl Gnädinger, Nachlass Karl Gnädinger (gesperrt bis zum Jahr 2055)

Werke: Das Gut der Ehre in der christlichen Sittenlehre (= Konferenzarbeit), Konstanz 1937; Die christliche Familie. Hirtenwort zur österlichen Bußzeit, 1978; Die Hl. Therese von Lisieux und die Kranken, Predigt am 27. Juni 1982 im Freiburger Münster, 1982.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (o. J., ca. 1990) S. 165, EAF, Digitale Fotosammlung, Fotostudio Haegele Freiburg_2. – Zahlr. Fotografien im EAF

Literatur:

Helmut Riedlinger, Gnädinger, Karl, Dr. theol. h. c., Weihbischof, in FDA 116, 1996, 275–280; Christoph Schmider, Die Freiburger Bischöfe. 175 Jahre Erzbistum Freiburg, 2002, 175–182; Michael Quisinsky, Freiburger Konzilsväter auf dem II. Vatikanum. Konzilsbeteiligung und Konzilshermeneutik von Erzbischof Hermann Schäufele und Weihbischof Karl Gnädinger, in FDA 129/2009, 181–289.

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