Haussmann, Conrad 

Geburtsdatum/-ort: 08.02.1857;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 11.02.1922;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Rechtsanwalt, MdR und MdL-FVP/DDP, Staatssekretär ohne Portefeuille
Kurzbiografie:

1876–1880 nach Abitur am heutigen Eberhard-Ludwig-Gymnasium in Stuttgart zusammen mit dem Bruder Studium der Rechtswissenschaften in München, 1876/1877, Zürich, 1877/1878, Berlin, 1878/1879, und Tübingen, 1879/1880

1880–1883 I. juristisches Staatsexamen in Tübingen, dann Vorbereitungsdienst

1883 ff. II. juristisches Staatsexamen, dann gemeinsam mit dem Bruder und ab 1884 einem Sozius Kanzlei in Stuttgart

1885 Wahl in das Landeskomitee die Württembergische Volkspartei

1889–1922 Mitglied der II. Kammer bzw. des württembergischen Landtages

1890–1922 MdR

1907ff. Mitbegründer der Zeitschrift „März“

1917 Mitinitiator der Friedensresolution des Reichstages

1918 Reichsstaatssekretär ohne Portefeuille

1918–1920 Vorsitzender der württembergischen DDP

1919–1922 Vorsitzender der DDP-Fraktion im württembergischen Landtag

1919 Gründungsmitglied der „Arbeitsgemeinschaft für eine Politik des Rechts“; Vorsitzender des Verfassungsausschusses der Weimarer Nationalversammlung

1919–1922 Vizepräsident der Weimarer Nationalversammlung, dann des Deutschen Reichstages

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet:

1889 (Stuttgart) Helene, geb. Kausler (1860–1941)


Eltern:

Vater: Julius (1816–1889), Kaufmann, Publizist, Mitbegründer der Volkspartei

Mutter: Marie, geb. Stoffel (1827–1857)


Geschwister:

Friedrich (1857–1907)


Kinder:

2; Robert (geb. 1891) und Wolfgang (1903-1989)

GND-ID: GND/118547208

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 219-224

Nach dem Abitur am Stuttgarter Gymnasium studierte Haussmann mit seinem Zwillingsbruder Friedrich in München, Zürich, Berlin und Tübingen Rechtswissenschaften bis zum I. Staatsexamen 1880. Dann folgte ein dreijähriger Vorbereitungsdienst, nach dessen Ende er mit seinem Bruder, dem er überaus eng verbunden war, und einem weiteren Sozius eine Kanzlei in Stuttgart führte.

Ihre politische Prägung erfuhren beide Brüder durch den Vater. Dieser hatte 1849 als überzeugter Demokrat an der Reutlinger Pfingstversammlung teilgenommen, musste dann ins Schweizerische Exil und wurde nach seiner Rückkehr in den 1850er Jahren zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. In den 1860er Jahren hatte Julius Haussmann neben Ludwig Pfau (1821–1894) und Karl Mayer (1819–1898) zu den Gründern der Württembergischen Volkspartei gehört. Außerdem arbeitete er, wie bald auch seine Söhne, in der Redaktion des „Beobachters“ mit.

Ab 1885 rückten Haussmann und sein Bruder in den Landesvorstand der Württembergischen Volkspartei ein. 1889 konnte Haussmann erstmals ein Landtagsmandat erringen. Friedrich folgte ihm zwei Jahre später im Zuge einer Nachwahl in den Stuttgarter Landtag.

Um 1890 wurde im württembergischen Landtag die Frage einer Verfassungsreform heftig diskutiert, vor allem die Zusammensetzung der II. württembergischen Kammer. Dieser gehörten nach der Verfassung von 1819 siebzig in den Städten und Oberämtern gewählte Abgeordnete an, wozu 23 „Privilegierte“ kamen: 13 Vertreter der Ritterschaft und 10 der Kirchen und der Universität Tübingen. Bereits bei seinem parlamentarischen Debüt hatte Haussmann gefordert, dass die II. Kammer künftig nur aus gewählten Abgeordneten bestehen solle. Er strebte auch den Übergang zum Einkammersystem an.

Bis 1895 hatten solche Reformwünsche keinerlei Aussicht auf Verwirklichung. 1894 hatte Ministerpräsident Hermann von Mittnacht (1825–1909) zwar eine Reformvorlage eingebracht, die aber nur die Verminderung der „Privilegierten“ vorsah. Er wollte aber auch der II. Kammer ständestaatliches Gepräge geben und Vertreter von Landwirtschaft, Handel und Handwerk einreihen. Diese Vorlage traf auf Ablehnung der Kammermehrheit und wurde zurückgezogen.

Die Wahlen von 1895 führten zu einem deutlichen Wahlsieg der Volkspartei um Haussmann Außerdem zogen erstmals Zentrum und Sozialdemokraten in den Landtag ein. Ein zweiter Vorstoß der Regierung in Richtung Verfassungsreform kam den Forderungen Haussmanns eher entgegen und sah die Beseitigung der „Privilegierten“ vor, die in die I. Kammer versetzt werden sollten. Das Zentrum aber versagte seine Zustimmung, da die neuen ritterschaftlichen Abgeordneten das katholische Übergewicht in der I. Kammer beseitigt hätten.

Bei den Landtagswahlen von 1900 konnte die Volkspartei ihre Position weitgehend halten. 1901 verabschiedete der Landtag wie von Haussmann gewünscht die Einführung der progressiven Einkommenssteuer und 1906 wurde auch das Verfassungsreformprojekt wieder aufgenommen. Nachdem die katholische Mehrheit der I. Kammer es abgelehnt hatte, Laien in die Schulaufsicht aufzunehmen, wandte sich die öffentliche Stimmung allgemein gegen die Zentrumspartei, so dass nun eine Mehrheit in der Kammer für die Verfassungsreform zu Stande kam.

Das verfassungsändernde Gesetz von 1906 entsprach weitgehend den Vorstellungen Haussmanns; denn die II. Kammer wurde zum Volkshaus, das nun aus 69 in den Oberämtern und den sechs „guten Städten“ des Landes gewählten Abgeordneten bestand. Außerdem wählte die Stadt Stuttgart sechs Abgeordnete, siebzehn weitere kamen über zwei Landeslisten und wurden nach dem Verhältniswahlrecht ermittelt, worin Württemberg als erstes Land voranging. Mit weitergehenden Forderungen konnte sich Haussmann nicht durchsetzen und scheiterte auch mit dem Vorhaben, das württembergische Gesetz vom 1. Juli 1849 durchzusetzen, das die Schaffung einer Verfassunggebenden Landesversammlung und damit das Einkammersystem gebracht hätte. Tatsächlich waren die Rechte der I. Kammer als konservatives Gegengewicht zur II. Kammer hinsichtlich des Haushaltsrechts sogar gestärkt worden. Ein Erfolg Haussmanns war jedoch die Durchsetzung der Gemeindereform; die Schultheißen auf Lebenszeit fielen weg.

Ein Jahr nach Verabschiedung der Verfassungsreform forderte Haussmann erstmals im Landtag den Übergang zum parlamentarischen System. Die Minister sollten von der II. Kammer kontrolliert werden, was jedoch weder bei der Regierung noch den anderen Parteien auf Resonanz stieß. Seine Wahl 1890 in den Reichstag zwang Haussmann zu einer längeren Einarbeitung. Als einer der 10 Abgeordneten der Württembergischen Volkspartei war er Hospitant der Deutsch-Freisinnigen Partei. Als diese sich 1893 über die Frage des Wehretats in die Freisinnige Vereinigung und die Freisinnige Volkspartei spaltete, schloss sich Haussmann letzterer an. Ab 1895 gehörte er zu deren parlamentarischen Spitzenrepräsentanten.

Im Mai 1895 legte die Reichsregierung unter Chlodwig Fürst von Hohenlohe (1819–1901) die sogenannte „Umsturzvorlage“ vor, eine Novelle des Strafgesetzes, die politische Vergehen schärfer ahnden wollte: der Versuch einer Neuauflage der Sozialistengesetze. Haussmann als Redner der liberalen Fraktionen sprach dagegen, ein solches Ausnahmegesetz treibe „schlimme Blüten staatlichen Fehlverhaltens“ (zit. nach F. Henning, Die Haussmanns, 1988, S. 92) wie vor 1890. Mit dieser Rede gelang es den Liberalen, die Ablehnung der Vorlage durchzusetzen.

Haussmann ist auch zusammen mit seinem Freund Friedrich Payer als Gegner der damals forcierten Heeres- und Marinerüstung aufgetreten. Er warnte vor einer Rüstungsspirale, die mit der ersten Flottenvorlage 1898 einsetze. Das Ziel der Abgeordneten der Volkspartei war ein internationaler Ausgleich, wobei der Gedanke der Schiedsgerichtsbarkeit und eines Friedens- und Völkerbundes im Mittelpunkt stand. Die kaiserliche Rüstungspolitik lehnte Haussmann auch mit Blick auf das von der Volkspartei vertretene Kleingewerbe ab, das kaum Vorteile aus der Aufrüstung zog. Steuermittel des unteren Mittelstandes flossen nur ab, dieser Bevölkerungsteil fehlte durch die langen Militärdienstzeiten im Erwerbsleben.

Besonders die Daily Telegraph Affäre 1908 machte liberale Grundsätze deutlich. Haussmann zielte auf Stärkung der Rechte des Reichstages und Parlamentarisierung des konstitutionellen Systems. Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) hatte dem englischen Blatt ein Interview gegeben, in dem er sich als einziger Freund der Engländer in Deutschland bezeichnet hatte. Nach seiner Darstellung hätten die Briten ihren Sieg im Burenkrieg nur Plänen des deutschen Generalstabs zu verdanken gehabt, den er gelenkt habe. Es sei auch das Verdienst des Reiches, wenn weder Frankreich noch Russland eingegriffen hätten. Großbritannien und Deutschland seien jetzt aufgefordert, als Vertreter der germanischen Rasse gegen Japan vorzugehen, eine weitere Brüskierung Großbritanniens, das gerade ein Bündnis mit Japan geschlossen hatte!

Der Kaiser hatte sein Interview Reichskanzler Bernhard von Bülow (1949–1929) zur Durchsicht übergeben. Bülow hatte es jedoch nur durch einen subalternen Beamten des Auswärtigen Amtes überprüfen lassen, was verzögert letztlich zu Bülows Entlassung Mitte 1909 führte.

Haussmann unterzog derweilen die gesamte Entscheidungsstruktur im kaiserlichen Deutschland einer grundsätzlichen Kritik vor dem Reichstag. Er forderte, dass auch bei Privatgesprächen des Kaisers immer Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes anwesend sein mussten, genauso wie die Reichsregierung regelmäßig im Bundesratsausschuss für Auswärtige Angelegenheiten über ihre Handlungen Rechenschaft geben müsse. Haussmann ging noch weiter und forderte eine dem Parlament verantwortliche Reichsregierung. Dem Reichskanzler müsse das Zivil- und das Militärkabinett des Kaisers unterstellt werden. Der Übergang zum parlamentarischen System sei zu vollziehen, der Kanzler müsse nicht nur vom Vertrauen des Kaisers, sondern der Reichstagsmehrheit getragen sein. Das Interpellationsrecht des Reichstages und sein Einfluss auf die auswärtige Politik müssten stärker werden.

Aufmerksam berichtete die Presse über Haussmanns Rede. Die „Frankfurter Zeitung“ sprach sogar von einer oratorischen Meisterleistung wie seit Jahren im Reichstag nicht mehr vernommen. Politisch aber war die Wirkung bis auf Verbesserungen im Interpellationsrecht nur gering.

Parteipolitisch bemühte sich Haussmann seit 1903, die drei linksliberalen Gruppierungen zu vereinen. Er organisierte 1906 eine Konferenz in Frankfurt, auf der Repräsentanten aller drei Richtungen zusammenkamen und über eine Zusammenarbeit im Reichstag berieten. Auf Haussmanns Initiative kam es 1906 und 1907 zu Wahlkampfabsprachen in Württemberg bei den Landtags- und Reichstagswahlen. Ab 1907 bildeten die drei linksliberalen Parteien in Berlin eine Fraktionsgemeinschaft. Zwei Jahre später wurde ein Viererausschuss gebildet. Haussmann erstrebte auch die Gründung einer „Fortschrittlichen Volkspartei“, die 1910 als linksliberale Sammlungspartei auftreten und ein verbindendes Element zwischen reformorientiertem Bürgertum und Sozialdemokratie sein sollte. Zumindest von Fall zu Fall seien Wahlkampfbündnisse mit der SPD anzustreben. Dafür nutzte er auch seine persönlichen Kontakte zu Sozialdemokraten wie Ludwig Frank und Wilhelm Keil.

Haussmann war auch Mitbegründer der literarisch-politischen Zeitschrift „März“, worin er regelmäßig über innenpolitische Themen schrieb und die außenpolitische Lage des Reiches analysierte. Zu den Herausgebern der Zeitschrift gehörte Ludwig Thoma (1867–1921), den die Brüder Haussmann schon im Spätherbst 1902 kennengelernt hatten. Bald wurde die Bekanntschaft intensiver. Thoma übertrug Haussmann eine Generalvollmacht, ihn vor Gericht zu vertreten; denn er bedurfte 1905 des juristischen Beistands: Im Simplicissimus hatte er ein satirisches Gedicht über eine Konferenz deutscher Sittlichkeitsvereine in Köln publiziert, was ihm eine Beleidigungsklage eintrug. Trotz Einsatzes seines Anwalts Haussmann wurde der Schriftsteller in zwei Instanzen zu sechs Wochen Haft und einer Geldstrafe von 600 RM verurteilt. Während Thoma in Stadelheim in Haft saß, verfasste er das Lustspiel „Moral“ und schuf Haussmann mit der Figur des Justizrats Dr. Hauser „ein bleibendes literarisches Denkmal“ (F. Henning, 1988, S. 103).

Durch Vermittlung von Schweizer Parlamentariern kam es 1913 zu einem Treffen mit französischen Abgeordneten in Bern. Haussmann war das prominenteste Mitglied der deutschen Delegation, der auch Mitglieder der Zentrumsfraktion und Sozialdemokraten angehörten. Auf dieser Berner Versammlung wurde vereinbart, in Frankreich und Deutschland Parlamentarierausschüsse zu gründen, die das Gespräch weiter pflegen sollten. Ein weiteres deutsch-französisches Parlamentariertreffen in Anwesenheit Haussmanns wurde zu Pfingsten 1914 in Basel veranstaltet. Dabei entwickelte sich eine gute Bekanntschaft, ja Freundschaft, zwischen Haussmann und dem französischen Sozialisten Jean Jaures (1859–1914), dessen Ermordung Ende Juli 1914 Haussmann tief erschütterte. Für das Jahr 1915 hatten die deutsch-französischen Parlamentarier weitere Konferenzen in Lyon und München vorgesehen, zu denen es wegen des I. Weltkrieges nicht mehr kam.

Mit Kenntnis von Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg (1856–1921) reiste Haussmann seit September 1914 regelmäßig in die Schweiz und in die Niederlande, um Kontakte zu neutralen, aber auch zu englischen und französischen Parlamentariern zu pflegen. Zugleich versuchte er, den Reichskanzler von Annexionsforderungen abzuhalten.

Nach dem für das Reich erfolgreichen Feldzug gegen Rumänien Ende 1916 drängte Haussmann die Reichsregierung, aus der Position der Stärke he raus ein Friedensangebot abzugeben, musste aber enttäuscht erleben, wie dies abgelehnt wurde. Im Sommer 1917 gehörte Haussmann neben Matthias Erzberger zu den Initiatoren der Friedensresolution des Reichstages, die sich zu einem Frieden ohne Annexionen und Kontributionen bekannte, wurde aber wieder enttäuscht: die neue Reichsleitung verhandelte nur eine verwässerte Form der Resolution.

Auch nach dem Scheitern der Friedensresolution setzte Haussmann die Gespräche mit neutralen, englischen und amerikanischen Partnern fort. So konnte er im Frühjahr 1918 auch in Großbritannien lancieren, eine Mehrheit der deutschen Reichstagsabgeordneten sei bereit, mit den Abgeordneten des englischen Unterhauses über einen Ausgleichsfrieden zu verhandeln. Der britische Premier untersagte den Abgeordneten aber derartige Verhandlungen. Zur ablehnenden Haltung der Entente trugen auch völlig überzogene Kriegszielforderungen bei, die die Reichsregierung beim Friedensschluss in Brest-Litowsk gegenüber Russland vertreten hatte. Seiner Frau gegenüber meinte er dazu, ein Ausgleichsfrieden sei möglich gewesen, hätten sich andere auch nur ähnlich intensiv um Frieden bemüht wie er. Am Ende aber blieb Haussmann wieder nur Enttäuschung über die Haltung der Regierung von Georg Graf Hertling (1843–1919).

Die von Haussmann immer wieder propagierte Parlamentarisierung Württembergs wie des Reiches kam um 1917/18 kaum voran, auch wenn es im November 1917 bei der Bildung der Regierung von Graf Hertling gelungen war, Haussmanns Freund Payer zum Vizekanzler zu machen. Vorstöße im württembergischen Landtag, die Regierung vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit abhängig zu machen, blieben bis Kriegsende erfolglos.

Zur Parlamentarisierung des Reiches sollte es erst angesichts der sich abzeichnenden Niederlage im Oktober 1918 kommen. Schon ein Jahr zuvor hatte Haussmann für eine Ernennung Max von Badens zum Reichskanzler plädiert. Als diese im Oktober 1918 vollzogen wurde, übernahm Haussmann das Amt eines Staatssekretärs ohne Geschäftsbereich und in dieser Funktion kam ihm die Aufgabe zu, den Notenwechsel mit dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson (1856–1924) zu führen. Drei Wochen als Staatssekretär waren indes viel zu kurz, um eine nachhaltige Wirkung zu entfalten. Die Regierung des Prinzen Max, so Haussmann, krankte vor allem daran, dass sie in kürzester Zeit zu viel auf einmal hätte lösen müssen: den Übergang zum parlamentarischen System im Inneren wie den Abschluss eines Friedensvertrages mit dem Ausland. Haussmann hätte ihr mehr Gestaltungsraum zugetraut, wäre die Regierung bereits im März 1918 ernannt worden.

Am Ende sollte Haussmann mit Gustav Noske (1868–1946) die revoltierenden Matrosen in Kiel beruhigen. Das war aussichtslos. Mit dem Rücktritt von Prinz Max schied auch Haussmann aus der Reichsregierung aus, das Angebot Friedrich Eberts, Regierungsmitglied zu bleiben, lehnte er ab.

Haussmann zog sich nach der Kapitulation erst einmal nach Stuttgart zurück, wo er im Dezember 1918 zu den Gründern der Deutschen Demokratischen Partei gehörte. Unter seinem Vorsitz fanden in der württembergischen DDP führende Vertreter des links- und nationalliberalen Lagers zusammen. Die DDP arbeitete auf Reichs- wie auf Landesebene mit Zentrum und SPD als Weimarer Koalition zusammen. 1919 kam Haussmann in die Weimarer Nationalversammlung, die ihn zum Vizepräsidenten wählte und zum Vorsitzenden des Verfassungsausschusses. In dieser Funktion war es seiner zielorientierten Sitzungsleitung zu verdanken, dass die neue Verfassung mit 181 Absätzen in nur 140 Ausschusssitzungen verabschiedet wurde. Auch der Name Weimarer Verfassung geht auf Haussmanns Anregung zurück. Er wurde einer ihrer ersten Kommentatoren.

In Weimar ist Haussmann als scharfer Gegner des Versailler Friedensvertrages hervorgetreten, der seiner Überzeugung nach „einen Vernichtungswillen, der gleichzeitig erschreckt und aufpeitscht“ (zit. nach F. Henning, 1988, S. 141) enthielt. Die These von der alleinigen Kriegsschuld des Reiches wie die Höhe der Reparationsforderungen waren für ihn unannehmbar. Darum schloss er sich der von Max von Baden protegierten „Heidelberger Vereinigung für eine Politik des Rechts“ an. Diese wollte möglichst viele bekannte Persönlichkeiten sammeln, um vor der Weltöffentlichkeit gegen das Versailler Vertragswerk zu protestieren. Haussmann erreichte, dass die DDP-Reichstagsfraktion mit großer Mehrheit den Friedensvertrag ablehnte.

In den drei folgenden Jahren hat Haussmann die Kabinette Philipp Scheidemann (1865–1939), Gustav Bauer (1870–1944) und Hermann Müller unterstützt, bei der Verabschiedung der Finanzreform Matthias Erzbergers genauso wie im Vorgehen gegen den Kapp-Putsch. Nachdem die SPD wegen ihrer Niederlage 1920 aus der Regierung ausgeschieden war, machte sich Haussmann für die Bildung der bürgerlichen Minderheitskabinette unter Konstantin Fehrenbach und Josef Wirt stark. Jedoch traf das Londoner Ultimatum 1921 wiederum auf seine Ablehnung. Genauso wünschte er im Oktober 1921 den Rückzug der DDP aus dem Kabinett Wirth, womit er gegen die Teilung Oberschlesiens protestieren wollte.

Im württembergischen Landtag kam dem erfahrenen Juristen die Aufgabe zu, die Bestimmungen der neuen Landesverfassung mit der Weimarer in Einklang zu bringen. Unverändert förderte er auch Belange des Mittelstandes. Die Neuwahl des Stuttgarter Landtags 1920 brachte der DDP erhebliche Verluste. Dennoch konnte sich Haussmann Hoffnungen machen, als Staatspräsident an die Spitze einer bürgerlichen Landesregierung zu treten. Zu seiner Enttäuschung errang Johannes Hieber dieses Amt, worauf Haussmann als Landesvorsitzender zurücktrat.

Haussmann ist auch als Lyriker hervorgetreten. In seinen Gedichten setzte er sich mit Themen wie Liebe, Natur, Freundschaft, aber auch politischen Fragen auseinander. Seiner Feder entstammen sogar Nachdichtungen chinesischer und arabischer Gedichte. Diese Werke fanden Anerkennung bei Hermann Hesse. Haussmann hatte den in Calw gebürtigen Dichter im Zusammenhang mit der Herausgabe der Zeitschrift „März“ kennengelernt, woraus bald eine freundschaftliche Beziehung wurde, die sich in einem umfangreichen Briefwechsel niederschlug. Die Gespräche mit Hesse handelten von „China und Indien, über Hölderlin und Goethe, über Metrik und Melodik in der Dichtkunst, über Mundartliches [und] über Volkslieder“ (Hesse in: „Beobachter, Sonderausgabe vom 19.2.1922). Hesse, in einem konservativen Umfeld aufgewachsen, war eigentlich unpolitisch. Vom Demokraten Haussmann war zuhause ein eher negatives Bild gezeichnet worden. Umso mehr war er erfreut, in Haussmann nun nicht nur den „feurigen Redner“, sondern auch einen „warmherzigen, sympathischen Menschen kennenzulernen“ (ebd.).

Als Haussmann kurz nach seinem 65. Geburtstag an einer Grippe starb, würdigte Hesse in ihm den „kraftvollen Vertreter schwäbischer Art und schwäbischen Geistes“ (ebd.).

Quellen:

(Auswahl) HStA Stuttgart Q 1/2, Nachlass Conrad. Haussmann; Stadt A Stuttgart, Nachlass Julius Haussmann (mit kleinen Beständen zum Sohn Conrad. Haussmann); Der Beobachter. Ein Volksblatt aus Württemberg, 1885–1922; März. Eine Wochenschrift, 1907–1917; Deutsche Politik. Wochenschrift für deutsche Welt- und Kulturpolitik, 1916–1922; Verhandlungen der württembergischen Kammer der Abgeordneten bzw. der II. Kammer, 1889 –1918; Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung des freien Volksstaates Württemberg, 1919–1920; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, 1919–1920; Verhandlungen des Landtags des freien Volksstaates Württemberg, 1920–1922; Erich Matthias/Rudolf Morsey (Bearb.), Der Interfraktionelle Ausschuss 1917/1918, 1959; dieselben (Bearb.), Die Regierung des Prinzen Max von Baden, 1963; Reinhard Schiffers (Bearb.), Der Hauptausschuss des deutschen Reichstages 1915–1918, 4 Bde., 1981–1983.

Werke: (Auswahl) „Im Tau der Orchideen“ und andere chinesische Lieder aus 3 Jahrtausenden in deutsche Strophen gebracht, 1902; Das persönliche Regiment vor dem Tribunal. Rede im Reichstag am 11. November 1908, 1909; Die Verfassung des Deutschen Reichs (vom 11. August 1919): Verfassungsurkunde mit Inhaltsangabe, Überschriften und Sachregister, besprochen von Conrad Haussmann, 1919; Uralte Lieder aus dem Morgenland in dt. Strophen, 1920; Zusammen mit Eduard David und Johannes Giesberts, Warum brauchen wir eine Regierung der Mitte?, 3 Beiträge, 1920; Geheimbericht Nr. VII vom Februar 1917: Die Innenpolitik Deutschlands als Instrument der Außenpolitik Frankreichs, 1921; Aus Conrad Haussmanns politischer Arbeit, hgg. von seinen Freunden, 1923; Schlaglichter: Reichstagsbriefe und Aufzeichnungen von Conrad Haussmann, hgg. von Ulrich Zeller, 1924; Von Poesie und Politik: Briefwechsel 1907–1922/ Hermann Hesse; Conrad Haussmann, hgg. und kommentiert von Helga Abret, 2011.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (o. J.) S. 218, Reichstags-Handbuch, 1. Wahlperiode, 1920.

Literatur:

(Auswahl) Karl Schmidt-Buhl, Friedrich Haussmann, in: ders., Schwäbische Volksmänner, 1908, 121–146; Ludwig Thoma, Moral. Komödie in drei Akten, 1908; Rudolf Öser, Conrad Haussmann, Gedächtnisrede, 1922; Der Beobachter, Sonderausgabe vom 19.2.1922; Friedrich Payer, Von Bethmann bis Ebert, 1923; Karl Weller, Die Staatsumwälzung in Württemberg 1918 – 1920, 1930; Walter Grube, Der Stuttgarter Landtag 1457–1957, 1957; Lothar Albertin, Conrad Haussmann, in: NDB 8, 1969, 130 f.; Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 4, Strukturen und Krisen des Kaiserreichs, 1969 ff., Bd. 5, 1978; Bd. 6, 1981; Klaus Simon, Die württembergischen Demokraten, 1969; Rosemarie Menzinger, Verfassungsrevision und Demokratisierungsprozess im Königreich Württemberg, 1969; Werner Stephan, Aufstieg und Fall des Linksliberalismus 1918 – 1933, 1973; Friedrich Payer (1847–1931). Autobiographische Aufzeichnungen und Dokumente, bearb. von Günther Bradler, 1974; James Clark Hunt, The People´s Party in Württemberg and Southern Germany, 1890 –1914, 1975; Reinhold A. Franz, Das Problem der konstitutionellen Parlamentarisierung bei Conrad Haussmann und Friedrich von Payer, 1977; Dieter Langewiesche, Julius Hölder, Zur Geschichte des württembergischen und deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert, in: ZWLG 36, 1977, 151–166; Otto Gritschneder, Angeklagter Ludwig Thoma, 1978; Manfred Rauh, Die Parlamentarisierung des Deutschen Reiches, 1978; Friedrich Henning, Liberalismus und Demokratie im Königreich Württemberg, in: Paul Rothmund/Jürgen Morlok (Hgg.), Die F.D.P./DVP in Baden-Württemberg und ihre Geschichte, 1979, 59–78; Lothar Albertin/Konstanze Wegner, Linksliberalismus in der Weimarer Republik, 1980; Friedrich Henning, Zwei Repräsentanten urschwäbischer Demokratie, Friedrich und Conrad Haussmann, 1987; Friedrich Henning, Die Haussmanns: Die Rolle einer schwäbischen Familie in der deutschen Politik des 19. und 20. Jahrhunderts, 1988 (mit Auswahlbibliographie 212–217); Friedrich Henning, Conrad Haussmann 1857–1922, in: Baden-Württemberg Portraits II, 1988, 258–264; Karin Rabenstein-Kiermaier, Conrad Haussmann 1857 –1922, Leben und Werk eines schwäbischen Liberalen, 1993; Friedrich Henning, Conrad Haussmann 1857 –1922, in: Erwin Teufel (Hg.), Große Stuttgarter, 1996, 170–177; Helga Abret, „Nicht als ob ich Dich anders machen möchte“: Zum Briefwechsel zwischen Hermann Hesse und Conrad Haussmann, in: Etudes germaniques 54, 1999, 241–266; Frank Raberg (Berab.), Biogr. Handbuch der württembergischen Landtagsangeordneten, 2001, 333 (mit Bibliographie); Jürgen Frölich, Conrad Haussmann 1857 –1922, in: Reinhold Weber (Hg.) Politische Köpfe aus Südwestdeutschland, 2005, 43–53; Bernhard Mann, „Vom mühsamen Regieren“ Württemberg und Preußen 1897 im Vergleich, in: Dieter Langewiesche, Der deutsche Südwesten, 2008, 55–67; Paul Sauer, Württemberg im Kaiserreich, 2011; Helga Abret, Regional-National-Übernational: Hermann Hesse im Dialog mit dem Politiker Conrad Haussmann, in: Henriette Herwig (Hg.), Der Grenzgänger Hermann Hesse, 2013, 465–482; Peter Bohl, Die Liberalen: Friedrich Payer und Conrad Haussmann. 1847 –1931/1857 –1922, in: Konrad Krimm (Hg.), Der Wunschlose: Prinz Max von Baden und seine Welt, 2016, 186–193.

Suche
Average (0 Votes)