Adelsheim

Die ehemalige Synagoge in Adelsheim, um 1962. Das Haus wurde in den 1970er Jahren abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1]
Die ehemalige Synagoge in Adelsheim, um 1962. Das Haus wurde in den 1970er Jahren abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Die Stadt Adelsheim war bis zu ihrem Anfall an Baden 1806 im Besitz der zum Ritterkanton Odenwald gehörenden Herren von Adelsheim. Kaiser Ludwig der Bayer verlieh 1338 den „vesten Mannen Beringer und Boppen von Adolzheimb" das Recht, vier sesshafte Juden mit ihrem Gesinde zu halten. Diese Zahl von Judenfamilien wurde bis 1806 eingehalten. 1825 lebten 41, 1875 61, 1900 58, 1925 27 und 1933 35 Juden in Adelsheim.

Um 1690 musste jeder Adelsheimer Schutzjude ein jährliches Schutzgeld von 10 Gulden entrichten, am Ende des 18. Jahrhunderts dagegen 21 Gulden 2 Kreuzer. Außerdem musste von jedem geschächteten Stück Vieh die sogenannte Stichzunge an die Ortsherrschaft abgeliefert werden. Für die Erlaubnis, Gottesdienst halten zu dürfen, verlangten die Freiherren jährlich 4 Gulden „Schulgeld“. Nach mündlicher Überlieferung soll im zweiten Stock des von Melchior Keller 1418 in der Torgasse erbauten, 1952 abgerissenen Hauses jüdischer Gottesdienst gehalten worden sein. Später befand sich die „Judenschule“, wie der landläufige Ausdruck für Synagoge lautete, in einem längst abgerissenen Gebäude im Hof des Oberschlosses. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Bau der Synagoge in der Tanzbergstraße im Jahre 1889 waren Synagoge und Bad in der „Seestadt“ untergebracht, im heutigen Haus Turmgasse 27. Einige Jahre zuvor legten die drei jüdischen Gemeinden Adelsheim, Sennfeld und Korb einen gemeinsamen Friedhof auf Sennfelder Gemarkung an. Bis dahin war der Bezirksfriedhof Bödigheim mitbenutzt worden. Seit 1827 gehörte Adelsheim zum Rabbinatsbezirk Merchingen. 1921 wurden die Juden der aufgelösten Gemeinde Sindolsheim vorübergehend der Gemeinde Adelsheim angeschlossen.

1809 nahmen die Juden der gesetzlichen Vorschrift folgend Familiennamen an, und zwar Alexander, May, Bieringer, Billigheimer und Hahn. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben jüdische Einwohner eine Branntweinbrennerei, ein Manufakturwarengeschäft, eine Wollhandlung, eine Metzgerei mit Viehhandlung und die Gastwirtschaft „Zur Rose“. Dem Rosenwirt Machul Alexander wurden bei den Unruhen im März 1848 die Fenster eingeschlagen. Man nahm an, seine Frau habe der freiherrlichen Familie zur Flucht verholfen. Die Vermutung, dass diese Hilfe und nicht Antisemitismus der Beweggrund für die Ausschreitungen war, wird dadurch erhärtet, dass sich unter den Aufrührern, die am gleichen Tag auch in das Schloss der Grundherrschaft eindrangen, um die Urkunden zu vernichten, der Judenlehrer Haas aus dem benachbarten Sennfeld befand. Das Verhältnis zu den christlichen Mitbürgern war bis zum Dritten Reich gut. An allen Festlichkeiten der Stadtgemeinde beteiligten sich auch die Juden. Ebenso leisteten sie Beiträge für die Bedürfnisse der christlichen Konfessionen, so bei der Renovierung der evangelischen Kirche in Adelsheim und der katholischen Kapelle im benachbarten Hergenstadt. Ständig waren zwei Mitglieder der jüdischen Gemeinde Vertreter im Bürgerausschuss.

Vor dem Ersten Weltkrieg wollte die Rothschild'sche Stiftung auf dem Ecken­berg eine Lungenheilanstalt für Leichterkrankte und Erholungsbedürftige aller Konfessionen unter jüdischer Leitung errichten. Wegen großer Widerstände von verschiedener Seite wurde das Vorhaben aufgegeben, das bereits dafür erworbene Grundstück wieder verkauft und dafür die Anstalt in Nordrach erweitert.

Wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt hatte die Schuhfabrik der Gebrüder Bieringer, die etwa 50 Personen beschäftigte. Die Firma wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg nach Nürnberg verlegt. Moses Bieringer besaß bis 1938 in Adelsheim ein Schuhgeschäft. Außerdem betrieben 1933 Heinrich Goldschmidt ein Manufakturwarengeschäft, Adolf Schorsch einen Großhandel mit Landesprodukten, Futtermitteln und Kohlen, Max Alexander einen Kleinhandel mit Fetten und Olen, Adolf Rosenfeld ein Viehhandelsgeschäft und der Buchbinder Josef Kahn neben seinem Handwerksbetrieb gleichzeitig ein Schreibwarengeschäft. Abgesehen von Josef Kahn, der frühzeitig mit seiner Familie nach Palästina auswanderte, konnten alle ihre Geschäfte bis 1938 behaupten, da der Boykott im wesentlichen nur von den nationalsozialistischen Wortführern, nicht aber von der übrigen Bevölkerung beachtet wurde.

Der Tag des Boykottaufrufs, der 1. April 1933, verlief ohne Zwischenfall. Am Abend hielt der von der Partei eingesetzte Bürgermeister vor dem Gasthaus „Zur Krone“ eine Hetzrede gegen die Juden. In der Folge handhabte er das Schächtverbot streng; an Samstagen ließ er in den öffentlichen Anlagen die Ruhebänke entfernen, damit sie von den jüdischen Einwohnern nicht benützt werden konnten. Er stellte auch die Leute auf offener Straße zur Rede, die in jüdischen Geschäften weiterhin einkauften.

Der Ortsgruppenführer marschierte bisweilen mit seiner Abteilung durch die Hauptstraße der Stadt mit dem Lied: „Wenn's Judenblut vom Messer fließt...“. Diese Parole wurde in die Tat umgesetzt, als der Judenvorsteher Adolf Schorsch bei hellem Tage überfallen und durch Messerstiche ernsthaft verletzt wurde. Als 1935 David Keller starb, verweigerte man die Benutzung des Leichenwagens zur Beerdigung. Diese Umtriebe bewogen weitere Familien mit insgesamt 20 Personen zur Auswanderung. 1937 wanderte die Familie Bloch nach Palästina und die Familie Saly Rosenfeld nach den USA aus. Die Kinder der vier zurückbleibenden Familien wurden ebenfalls ins Ausland geschickt. Von den Auswanderern kehrte nur das Ehepaar Kahn nach dem Kriege nach Deutschland zurück. In der Kristallnacht wurde die Inneneinrichtung der Synagoge vollständig zerstört, die Gesetzesrollen öffentlich verbrannt. Im Herbst 1939 verbot der Ortsgruppenleiter den noch anwesenden Juden das Verlassen ihrer Wohnungen. Nur in der Zeit von 14 bis 16 Uhr durfte eine Person Einkäufe machen. Auf Beschwerde des Oberrats der Israeliten Badens beim Landrat in Buchen veranlasste die Kreisleitung die Zurücknahme des Verbots.

Am 22. Oktober 1940 wurden die letzten 8 Adelsheimer Juden nach Gurs deportiert, die Eheleute Max und Berta Alexander, Heinrich und Ernestine Goldschmidt, Adolf und Katharina Rosenfeld sowie Adolf und Bona Schorsch. Nur Adolf Schorsch gelang es, 1941 von Gurs aus nach den USA auszuwandern, nachdem seine Ehefrau im Lager gestorben war. Die Eheleute Goldschmidt und Max Alexander starben in den Lagern Recebedou und Nexon. Berta Alexander, der Schwerkriegsbeschädigte Adolf Rosenfeld und seine Ehefrau Katharina wurden im August 1942 über Drancy nach Auschwitz deportiert, wo sie den Tod fanden. Max Fleischmann und sein Sohn Gerd wurden von Lörrach aus nach Gurs deportiert und sind ebenfalls in einem Vernichtungslager im Osten umgekommen. Seiner Frau und dem Sohn Hans war es noch gelungen, von Lörrach aus nach der Schweiz bzw. nach England zu entkommen.

Das entweihte Synagogengebäude in Adelsheim kaufte 1939 die Stadt. Heute dient es der Landwirtschaftlichen Einkaufsgenossenschaft als Milchsammelstelle.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Ders., Alte Adelsheimer Bürgerhäuser, ebd. Nr. 11.
  • Ders., Bauernaufruhr, ebd., 1924, Nr. 4-7.
  • Graef, Gottlieb, Die Adelsheimer Schutzjuden, in: Fränk. Blätter 2, 1919, Nr. 5.
  • Weiß, E., Adelsheim im Wandel der Zeiten, in: Zwischen Neckar und Main 11, 1927.

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Adelsheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Germania Judaica, Bd. 2, 1. Halbband, hg. von Zvi Avneri, Tübingen 1968, S. 3.
  • Graef, Gottlieb, Die Geschichte der Adelsheimer Juden, in: Heimatbilder aus der Geschichte der Stadt Adelsheim, 1939, S. 175ff.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Scholz, Rüdiger, Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Adelsheim, in: Unser Land. 1993, S. 158-163.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 216-217.
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