Bad Rappenau

Die ehemalige Synagoge in Bad Rappenau, um 1962. Die Gemeinde löste sich 1937 auf, das Gebäude wurde verkauft und zu einer Milchsammelstelle umgebaut, ab den 1980er Jahren Wohnhaus. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 68]
Die ehemalige Synagoge in Bad Rappenau, um 1962. Die Gemeinde löste sich 1937 auf, das Gebäude wurde verkauft und zu einer Milchsammelstelle umgebaut, ab den 1980er Jahren Wohnhaus. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 68]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Die Familie Gemmingen-Hornberg hatte Rappenau als ritterschaftliche Besit­zung des Kantons Kraichgau bis zum Anfall an Baden 1806 inne. Die erste Kunde von einem Juden in Rappenau ist aus dem Jahre 1675 überlie­fert. Er baute nach dem Dreißigjährigen Krieg ein zerstörtes Haus wieder auf und bewohnte es. Die Herrschaft sah dies nicht ungern, und da sie der Schultheiß, der bisher den Judenzoll in Höhe von drei Kreuzern von den durchziehenden Juden einzog, hintergangen hatte, betraute sie nun den Juden mit dem Einzug dieses Zolls. Die Gemeinde beklagte sich deswegen beim Lehenshof in Stuttgart gegen ihre Herrschaft, da die Juden kein Recht hätten, sich hier niederzulassen. Die Herr­schaft verteidigte sich damit, dass fast allerorten Juden die Erlaubnis zur Niederlassung erhalten hätten. Der von ihr aufgenommene Jude habe ein feines Haus gebaut, und es wäre kein Nachteil, wenn es mehr solcher Leute gäbe, welche die im Krieg abgebrannten Häuser aufbauten. Der Stuttgarter Lehenshof entschied 1676, dass die Kinder des inzwischen verstorbenen Juden bleiben durften; man er­warte aber von den Lehensinhabern, dass den Juden kein Monopol und keine Auslosung von Gütern gestattet werde und sie bei Vergehen gebührend bestraft würden.

1802 lebten bereits fünf Judenfamilien in Rappenau, und die Gemeinde wehrte sich gegen die Neuzulassung einer weiteren armen Judenfamilie. Gegen die Be­hauptung der Gemeinde, es dürfe nur eine Judenfamilie im Dorf sein, machte die Ortsherrschaft geltend, dass der Lehenshof in seinem Urteil von 1676 die Zahl der Juden nicht festgesetzt habe.

Die Aufnahme eines Juden als Schutzbürger musste noch 1855 vom Bezirksamt genehmigt werden. Dabei hatten die Juden einen Revers zu unterschreiben, dass sie keine Ansprüche auf bürgerliche Rechte und Nutzungen erheben würden. Trotz der ablehnenden Haltung der Gemeinde gegen die Juden gelang es vor 1848 einem von ihnen auf dem Prozesswege, Vollbürger zu werden. 1848 verlangte die Ge­meindeversammlung, dass er sein Bürgerrecht abtrete. Der Unwille der Bevölkerung war so groß, dass die Gemeinde zum Schutze der Juden die Nachtwache ver­stärken musste. Der Jude beugte sich dem Druck, verlangte aber 1849 nach Beendi­gung der Unruhen sein Bürgerrecht zurück und bekam es auch - gegen den Willen der Gemeinde.

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts fanden die gottesdienstlichen Versammlungen auf dem sogenannten Judenhof statt, der sich von der Babstadter Straße hinter dem „Hirsch" bis fast zum christlichen Friedhof ausdehnte. Hier stand als gemein­same Wohnung für die in Rappenau lebenden Juden und als Bethaus ein zwei­ stöckiger Bau. 1816 baten die Juden um die Erlaubnis zum Bau einer Synagoge. Die Bitte wurde vom Bezirksamt abgeschlagen, da nur sechs arme Familien in Rappenau wohnten. Nach der Errichtung der Ludwigssaline im Jahre 1823 bes­serten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Juden, und ihre Zahl nahm von 42 Juden 1825 bis 1875 auf 81 zu. 1844 erbauten sie mitten im Ort, gegenüber dem Gemeindehaus, eine Synagoge. 1881 legten sie an der Straße nach Siegelsbach, etwa 200 Meter vom Ortsende entfernt, auf einer Anhöhe einen kleinen Friedhof an. Eine eigene Schule besaßen sie nicht. Die jüdischen Kinder besuchten die evangelische Schule. Seit 1827 gehörte die Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Sins­heim. Auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs verlor sie zwei ihrer Söhne: Franz Mayer und Hermann Metzger. Wegen des Rückgangs der Mitgliederzahl (1900 46, 1925 8, 1933 10) wurde sie am 12. Oktober 1937 aufgelöst, die Syna­goge an die Milchgenossenschaft verkauft, die sie zu einer Milchsammelstelle um­baute.

1933 verdienten zwei Juden ihren Lebensunterhalt als Viehhändler, Sigmund Traub besaß ein Textilwarengeschäft. Der Kaufmann Julius Grötzinger wohnte erst seit seiner Heirat im Jahre 1929 in Rappenau. Er betrieb in Siegelsbach ein kleines Industrieunternehmen. Nach dem Tode seiner Frau wanderte er im April 1938 mit seinen drei Kindern nach den USA aus. Dorthin konnte noch im April 1940 der Viehhändler Siegfried Adler folgen.

In der Kristallnacht im November 1938 wurde das Schaufenster des einzigen jüdischen Geschäftes zertrümmert. Die letzten 5 Juden aus Bad Rappenau, alle über 70 Jahre alt, wurden am 22. Oktober 1940 nach Südfrankreich deportiert. Die Eheleute Josef und Mina Metzger sowie Sigmund Traub starben in Gurs, Sara Adler im Lager Noe. Nur Mina Traub überlebte die Strapazen und wan­derte 1946 zu ihrem Sohn nach New York aus, wo sie 1952 starb.

Heute leben keine Juden in Bad Rappenau. Nur etwa 50 Grabsteine auf dem kleinen jüdischen Friedhof erinnern an die untergegangene Gemeinde.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Noll, Karl, Geschichte von Rappenau, 1907.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Bad Rappenau, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

 

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 101-109.
  • Begleittext zur Ausstellung „Auf den Spuren jüdischen Lebens in Bad Rappenau“ - Ausstellung der Schülerinnen und Schüler der GHWRS (Grund-, Haupt- und Werkrealschule Bad Rappenau) und der Wilhelm-Hauff-Realschule Bad Rappenau im Rahmen des Ökumenischen Jugendprojektes Mahnmal zur Erinnerung an die Deportation der Badischen Juden nach Gurs am 22. Oktober 1940.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Künzel, Emil, Juden in Bad Rappenau, in: Bad Rappenauer Heimatbote. Heimatgeschichtliche Beilage des Mitteilungsblattes (10), Nr. 10 vom Dezember 1998, S. 79-84.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 258-259.
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