Eberbach

Die Synagoge in Eberbach, vor 1938. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 323]
Die Synagoge in Eberbach, vor 1938. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 323]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Nach 1235 wurde die im Lehensbesitz König Heinrichs befindliche Stadt Eberbach für das Reich eingezogen. Wiederholte Verpfändungen entfremdeten die Stadt dem Reich immer mehr und brachten sie unter die tatsächliche Herrschaft der Kurfürsten von der Pfalz, unter denen sie Centgerichtsort wurde. 1803 fiel Eberbach an das neu gebildete Fürstentum Leiningen, 1806 an Baden.

Die israelitische Gemeinde Eberbach war nie groß, erfreute sich jedoch eines hohen Alters. Ihre Anfänge dürften bis ins 13. Jahrhundert zurückgehen. Bei der Judenverfolgung im Jahre 1349 wurde die Gemeinde zwar vernichtet, aber schon um 1380 waren wieder Juden in Eberbach ansässig. Die nächste Kunde stammt vom Jahre 1683. Damals wohnte nur der Schutzjude Moyses in der Stadt, der Handel treiben durfte und gegen eine Abgabe von der Stadt Wasser und Weide erhielt. Grundbesitz hatte er nicht. Im 18. Jahrhundert waren jeweils nur eine oder zwei Judenfamilien in Eberbach ansässig. Anfang des 19. Jahrhunderts waren es drei, 1860 sechs Familien. Die Seelenzahl betrug 1825 21, 1861 35, 1875 57, 1900 138 (rund 2,3 Prozent der Bevölkerung), 1925 72, 1933 39 und im April 1938 25.

Kurz nach 1860 kaufte die israelitische Gemeinde das Haus des Bierbrauers Carl Schmitt im „Binnetsloch" am Neckar und richtete darin einen Betsaal ein. Die Kosten wurden durch eine Kollekte bei sämtlichen Gemeinden des Mittel- und Unterrheinkreises, einen Zuschuss der Stadt und eine Spende des Bankhauses Rothschild aufgebracht. Wegen des Anwachsens der Gemeinde um die Jahrhundertwende wurde 1912/13 kurz vor der Neckarbrücke in der Brückenstraße eine richtige Synagoge erbaut, die am 19. September 1913 eingeweiht wurde.

Schon im 19. Jahrhundert legte die israelitische Gemeinde auf einer Anhöhe hinter dem christlichen Friedhof einen eigenen Gottesacker an. Seit 1827 gehörte Eberbach zum Rabbinatsbezirk Mosbach.

1933 gab es in Eberbach eine jüdische Kolonialwaren- und Landesproduktenhandlung, ein Schuhgeschäft, eine Eisenhandlung, ein Kurzwarengeschäft, ein Manufakturwarengeschäft und eine koschere Metzgerei.

Die Ausschreitungen gegen die Juden begannen mit dem Boykott 1933. Simon Leibowitsch wurde als KPD-Funktionär verhaftet und im Lager Heuberg so sehr misshandelt, dass er am 9. September 1933 dort starb. Am 11. November 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt und die Schaufenster der jüdischen Geschäfte eingeschlagen. Die israelitische Gemeinde musste die Kosten für die Beseitigung der Ruine aufbringen. 6 Männer kamen vorübergehend in das KZ Dachau. Zwischen 1933 und 1940 starben noch 5 Juden in Eberbach. 15 Personen wanderten nach den USA und nach Argentinien aus. Von den beiden jüdischen Frauen, die in sogenannter Mischehe verheiratet waren, überlebte eine den Krieg in Freiburg i. B., während die andere bis zu ihrem Tode in Eberbach wohnhaft blieb.

Am 22. Oktober 1940 wurden aus Eberbach 17 Juden nach Gurs deportiert. Von ihnen starben 4 im Lager, 3 wanderten nach den USA aus, und mindestens 3 kamen in Auschwitz ums Leben. 7 Schicksale sind noch immer ungeklärt. Wahrscheinlich sind auch diese Verschollenen in einem Vernichtungslager umgebracht worden.

In Eberbach lebt heute kein Jude mehr. Über die Stelle, an der einst die Synagoge stand, führt heute eine verkehrsreiche Durchgangsstraße.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Kilian, Oskar, Bevölkerungsaufbau und wirtschaftliche Lage Eberbachs im Jahre 1683, in: Eberbacher Gemeindeblatt 57, 1958. 
  • Weiß, John Gustav, Geschichte der Stadt Eberbach, 1927. 
  • Wirth, Hermann, Geschichte und Beschreibung der Stadt Eberbach am Neckar, 1864.

Ergänzung 2023:

Heute befindet sich am ehemaligen Standort der Synagoge ein kleiner, von Straßen eingeschlossener Platz, auf dem der jüdischen Gemeinde ein Denkmal errichtet wurde.  
 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Eberbach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Cser, Andreas/Vetter, Roland/Joho, Helmut, Geschichte der Stadt Eberbach am Neckar, Bd. 2: Geschichte der Stadt Eberbach am Neckar vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Sigmaringen 1992.
  • Eberbacher Geschichtsblatt (1983), S. 185-186.
  • Göhrig, Rolf, Geschenk des Himmels. Die Lebensgeschichte des Hans Berger, Hamburg 2017.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Joho, Helmut, Gedenkstein an die jüdische Synagoge, in: Eberbacher Geschichtsblatt 79 (1980), S. 95-97.
  • Joho, Helmut, Gesetzestafel der Eberbacher Synagoge gefunden, in: Eberbacher Geschichtsblatt 78 (1979), S. 148-149.
  • Joho, Helmut, „Vergiß nie - auch für mich ist Eberbach stets meine Heimat gewesen“. (Salomon David bei seinem Abschied von Eberbach im Jahre 1937). Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Eberbach, in: Eberbacher Geschichtsblatt (1989), S. 7-82.
  • Twiehaus, Christiane, Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien, (Schriften der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg), Heidelberg 2012, S. 42-45.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 213-214.
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