Efringen-Kirchen

Die Synagoge von Efringen-Kirchen, vor 1938. Die Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung beschädigt. Das Gebäude erlitt im Zweiten Weltkrieg weitere Schäden und wurde abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 345]
Die Synagoge von Efringen-Kirchen, vor 1938. Die Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung beschädigt. Das Gebäude erlitt im Zweiten Weltkrieg weitere Schäden und wurde abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 345]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Zusammen mit der Herrschaft Rötteln kam Kirchen 1503 an die Markgrafen von Baden. 1942 wurde es mit dem ebenfalls ehemals baden-durlachischen Efringen zu der neuen Gemeinde Efringen-Kirchen vereinigt.

Während im Ortsteil Efringen erst 1873 vorübergehend einer, 1925 10 Juden wohnten, gehörte Kirchen seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu den Judenschutzorten des Markgräflerlandes. 1738 werden hier erstmals fünf jüdische Familien erwähnt; vier von ihnen stammten wohl aus dem schweizerischen Dornach im Kanton Solothurn, wo zwei Jahre zuvor alle Juden ausgewiesen worden waren. Sie hatten eigene Häuser. Für das Recht, aus dem Dorfbrunnen Wasser zu schöpfen, musste jeder Schutzjude 8 Viertel Wein liefern. Wegen des Widerstandes der Ortsgemeinde gegen eine Neuzulassung blieb die Zahl der jüdischen Familien bis 1778 konstant, stieg dann aber bis 1785 auf 8 und 1790 auf 11 an. 1810 gab es in Kirchen 60, 1825 73, 1838 122, 1873 192 Juden. Damit war der Höhepunkt der jüdischen Ansiedlung erreicht. Ihr Anteil an der Bevölkerung betrug zu dieser Zeit rund 15 Prozent. Von da an sank die Zahl ständig : 1875 174, 1900 102, 1925 66. In der Mehrzahl betrieben die Kirchener Juden vor allem Viehhandel; es finden sich jedoch, wohl als Folge einer Anordnung des Direktoriums des Dreisamkreises von 1816, vorübergehend auch Handwerker wie Drehermeister, Webermeister und Seifensiedermeister. 1810 wird ein jüdischer Krämerladen erwähnt. Es gab einen jüdischen Metzger - noch 1912 der einzige Metzger in Kirchen überhaupt. Außerdem bestand in Kirchen eine jüdische Wirtschaft.

Bis zur Erbauung der ersten Synagoge im Jahre 1789 hielten die Kirchener Juden ihren Gottesdienst in dem Privathaus des Julius Bloch ab. 1831 errichteten sie ein Gotteshaus, das 1896 durchgreifend renoviert wurde. Im Synagogengebäude befand sich auch die Lehrerwohnung, während der Schulsaal für den Religionsunterricht in einem angebauten Hause untergebracht war. Die Toten wurden über ein Jahrhundert lang auf dem Verbandsfriedhof in Lörrach beigesetzt. 1865 erhielt Kirchen einen eigenen jüdischen Friedhof, doch wurden Streitigkeiten mit Lörrach wegen der Unterhaltung der dortigen Begräbnisstätte erst durch einen Vergleich von 1878 beendet.

1827 wurde die Gemeinde Kirchen dem Rabbinatsbezirk Sulzburg zugewiesen. Efringen wurde Filialgemeinde, als die Zahl der Juden dort zunahm.

1933 lebten in beiden Dörfern 68 Angehörige der jüdischen Konfession. Sie mussten den Boykott der wenigen jüdischen Geschäfte erleben. Der Arzt Dr. Baum musste seine Praxis schließen und wanderte nach den USA aus. In der Kristallnacht wurde die Inneneinrichtung der Synagoge von auswärtigen Nationalsozialisten zerstört. Die Juden wurden aus ihren Wohnungen getrieben, die Männer auf Lastwagen für einige Wochen nach Dachau ins KZ abtransportiert. Bei Kriegsausbruch wurde der Ort evakuiert. Die Juden wurden zum größten Teil nach Konstanz eingewiesen.

32 jüdischen Einwohnern gelang die Auswanderung, 26 davon nach den USA. 6 verstarben vor dem Beginn der Deportationen, 2 zogen um. Nach Gurs wurden im Oktober 1940 23 Juden aus Efringen und Kirchen deportiert. Von diesen starben 4 im Lager Gurs, 5 erlebten das Ende des Krieges, 7 wurden 1942 nach Auschwitz in den Tod geschickt, die restlichen 7 sind verschollen. 5 weitere Juden wurden 1942 nach Theresienstadt oder Auschwitz verschleppt und fanden dort den Tod.

Das entweihte Synagogengebäude wurde im Laufe des Krieges durch Beschuss schwer beschädigt. 1945 wurde die Ruine abgetragen, das Grundstück später an einen Privatmann verkauft. Der weit außerhalb des Ortes liegende Friedhof wird von der jüdischen Gemeinde Basel betreut.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Eisele, Albert/Schülin, Fritz, Efringen-Kirchen, Beiträge zur Orts-, Landschafts- und Siedlungsgeschichte, 1962.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Efringen-Kirchen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Alborino, Verena, Juden auf dem Land. Das Dorf Kirchen, in: Markgräflerland 1996/1, S.127-137.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Huettner, Axel, Die jüdische Gemeinde von Kirchen 1736-1940, 1978.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 478-481.
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