Grombach mit Ehrstädt

Bereich um den Standort der Synagoge, heute Ortsstraße 63, auf der Badischen Gemarkungskarte (1878-1880). Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt, die Ruine in den 1960er Jahren abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 595]
Bereich um den Standort der Synagoge, heute Ortsstraße 63, auf der Badischen Gemarkungskarte (1878-1880). Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt, die Ruine in den 1960er Jahren abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 595]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das dem Ritterkanton Kraichgau inkorporierte Dorf Grombach war seit 1498 mit kurzer Unterbrechung im Besitze der Familie von Venningen. 1806 fiel es an Baden.

Juden lebten in Grombach seit dem 18. Jahrhundert. Seit 1827 gehörte die israelitische Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Sinsheim. Sie besaß eine eigene Synagoge in der Hauptstraße. Für die Bestattung der Toten wurde der jüdische Friedhof in Waibstadt mitbenützt. Die Zahl der Juden betrug 1825 48, 1875 41, 1900 44, 1925 28 und 1933 20. Wegen Rückgang der Seelenzahl wurde die Gemeinde durch Beschluss des Staatsministeriums vom 12. Oktober 1937 aufgelöst.

Von jeher waren die Juden von Grombach hauptsächlich mit Vieh- und Getreidehandel beschäftigt. 1933 waren Emanuel und Lehmann Kirchheimer Getreidehändler. Der Vorbeter Isak Federgrün handelte mit Kurzwaren. Julius Strauß hatte einen kleinen Lebensmittelladen, und Siegfried Kirchheimer verdiente sein Brot als Bürstenmacher.

Die Bevölkerung von Grombach war nie judenfeindlich eingestellt und gab auch nach 1933 den Verkehr mit den ansässigen Juden nicht auf. In der Kristallnacht im November 1938 kam ein auswärtiger SA-Trupp, der die Synagoge und das Geschäft des Julius Strauß zerstörte. Da sich keine Verdienstmöglichkeit mehr bot, verließ die Hälfte der Juden Grombach. Vier starben nach 1933 noch zu Hause. Die übrigen lebten nach 1938 von einer Rente oder wurden von ihren christlichen Mitbürgern trotz Verbots mit Lebensmitteln unterstützt. Die Familie Federgrün, die polnischer Abstammung war, erhielt zwar 1939 Aufenthaltsverbot für das ganze Reichsgebiet und die Aufforderung, innerhalb von drei Monaten das Reichsgebiet zu verlassen; doch wurde die Frist bis zur Deportation nach Gurs von der Ortspolizeibehörde immer wieder verlängert. Am 22. Oktober 1940 holten SA-Leute die letzten 6 Juden aus ihren Wohnungen zum Abtransport nach Gurs. Von ihnen überlebten 3 den Krieg in Altersheimen und Hospitälern Südfrankreichs lsak Federgrün starb im Lager Gurs. Nach wiederholtem Lagerwechsel in Südfrankreich wurde seine damals schon 65jährige Ehefrau Regina 1944 von Vernet/Frankreich über das KZ Ravensbrück in das Vernichtungslager Auschwitz verschickt. Dort wurde sie am 27. Januar 1945 von den Russen befreit. Nach beschwerlicher Fußwanderung über Berlin kehrte die Entkräftete im August 1945 in ihr Heimatdorf Grombach zurück. 1946 wanderte sie nach Palästina aus, wo sie 1960 starb.

Heute leben in Grombach keine Juden mehr. Das Synagogengrundstück erwarb die politische Gemeinde, die vor einigen Jahren darauf ein neues Rathaus erbaute. In der Kapelle von Schloss Neuhaus bei Ehrstädt wird ein Stein mit hebräischer Inschrift aufbewahrt, der sich über dem Eingang der zerstörten Synagoge befunden hat.

Im Verzeichnis sämtlicher Juden, die 1548 in der Pfalz wohnten, wird auch ein Moses aus dem benachbarten Ehrstädt genannt. Der Ort gehörte als Besitz der Herren von Degenfeld bis zum Anfall an Baden zum Schwäbischen Ritterkreis. 1825 zählte die Gemeinde, die 1827 dem Rabbinatsbezirk Sinsheim zugeteilt wurde, 61 Seelen, so dass man eine eigene Synagoge erbaute. Aber die Zahl der Juden ging ständig zurück, wie auch die Zahl der Dorfbewohner überhaupt. 1875 waren es noch 18 Juden, 1900 8 und 1910 noch 4. Aus diesem Grunde wurde die Gemeinde 1912 aufgelöst, die wenigen noch vorhandenen Mitglieder der benachbarten Gemeinde Grombach zugewiesen. Die Synagoge wurde im gleichen Jahr an eine Privatperson verkauft. 1933 lebte kein Jude mehr in Ehrstädt.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Grombach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

Grombach

  • Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 80-83.
  • Appenzeller, Hans, Geschichte der jüdischen Gemeinde Grombach, in: Bad Rappenauer Heimatbote. Heimatgeschichtliche Beilage des Mitteilungsblattes, Jg. 7, 1995, S. 33-40.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 293-294.

Ehrstädt

  • Hub, Friedrich, Ehrstädt und Schloss Neuhaus. Geschichte eines Kraichgaudorfes, Ehrstädt/ Neckarbischofsheim 1967, S. 496-497.
  • Löwenstein, Leopold, Geschichte der Juden in der Kurpfalz, 1895.
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