Heidelsheim

Der Bereich der bis heute so genannten Judengasse, vom Markplatz bis zum Mitte des 19. Jh. abgebrochenen Judentors, auf der Badischen Gemarkungskarte (1877-1880). [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 701]
Der Bereich der bis heute so genannten Judengasse, vom Markplatz bis zum Mitte des 19. Jh. abgebrochenen Judentors, auf der Badischen Gemarkungskarte (1877-1880). [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 701]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Die ehemalige freie Reichsstadt Heidelsheim geriet nach mehrfacher Verpfändung 1463 unter pfälzische Hoheit und fiel mit der Kurpfalz 1803 an Baden.

1526 wurde der jüdische Arzt Salomon von Wimpfen durch den Kurfürsten von der Pfalz in Heidelsheim in den Schutz aufgenommen. Diesem ersten Juden folgten weitere, die 1551 das Recht erhielten, Geld auf Zins auszuleihen. Sie wohnten in der Judengasse, an deren Ende das Judentor stand. Zum baulichen Unterhalt dieses Stadttores mussten sie Beiträge leisten. In den Kriegsläufen am Ende des 17. Jahrhunderts verließen die Juden den Ort, kehrten aber bald nach 1689 zurück. 1722 waren es 4, 1760 8, 1790 17 und um 1800 bereits 21 Familien mit 89 Seelen. Sie trieben vor allem Handel mit Vieh, Landesprodukten und Tuchwaren. Später besaßen sie auch Ladengeschäfte und Gerbereibetriebe.

Ihren zahlenmäßigen Höhepunkt erreichte die jüdische Gemeinde 1849. Damals wohnten 192 Juden in Heidelsheim. Sie besaßen seit 1856 eine Synagoge und ein rituelles Bad. Eine jüdische Schule soll sich in der Zehntgasse befunden haben. Von 1860-1876 diente ein Haus an der Bruchsaler Straße als Schulgebäude; später wurde dort nur noch jüdischer Religionsunterricht erteilt. Die Toten wurden auf dem Friedhof in Obergrombach beigesetzt.

Lageplan zur Vergrößerung der Synagoge in Heidelsheim, 1833(?) Das Gebäude wurde nach dem Zweiten Weltkrieg umgebaut und später für Wohnzwecke genutzt. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 344 3419]
Lageplan zur Vergrößerung der Synagoge in Heidelsheim, 1833(?) Das Gebäude wurde nach dem Zweiten Weltkrieg umgebaut und später für Wohnzwecke genutzt. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 344 3419]

In Spannungszeiten kam es in Heidelsheim zu kleineren Ausschreitungen gegen die Juden, so in den Jahren 1817, 1830, 1833 und 1846. Am Fastnachtsmontag 1848 erlebte die Stadt einen „Judensturm", der nur durch den Einsatz von Dragonern aus Bruchsal erstickt werden konnte. Die Wohnungen der Juden wurden demoliert und geplündert. Die gehetzten und misshandelten Mitbürger fanden Unterschlupf bei ihnen wohlgesinnten christlichen Einwohnern.

Seitdem nahm die Zahl der Juden in Heidelsheim ständig ab. Nach dem befreienden Gesetz von 1862 wanderten sie in die größeren Städte ab, vor allem nach Bruchsal, Mannheim und Frankfurt am Main. 1875 lebten noch 158 Juden in Heidelsheim, 1887 141, 1895 66, 1900 38, 1910 18, 1925 9 und 1933 nur noch 6. Damit war ein selbständiges jüdisches Gemeindeleben unmöglich geworden. Die wenigen verbliebenen Juden wurden der Gemeinde Bruchsal als Filiale angegliedert. Dort befand sich seit 1827 der Sitz des für Heidelsheim zuständigen Rabbiners.

Pläne mit Entwürfen zur Vergrößerung der Synagoge in Heidelheim, 1833(?) Das Gebäude wurde nach dem Zweiten Weltkrieg umgebaut und später für Wohnzwecke genutzt. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 344 3419]
Pläne mit Entwürfen zur Vergrößerung der Synagoge in Heidelheim, 1833(?) Das Gebäude wurde nach dem Zweiten Weltkrieg umgebaut und später für Wohnzwecke genutzt. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 344 3419]

Der Viehhändler Emanuel Maier wurde 1940 nach Gurs deportiert und starb ein Jahr später in Perpignan. Seine Frau und seine Enkelin, die nach 1933 zu den Großeltern gezogen waren, starben 1942 in Izbica. Emilie Bodenheimer wanderte 1939 nach den USA aus. Die anderen drei jüdischen Einwohner starben hochbetagt in der Heimat.

Die in der Nähe des Marktplatzes gelegene ehemalige Synagoge wurde umgebaut und dient heute als Kochschule. Nichts erinnert mehr an die frühere Verwendung.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Härdle, Otto, Heidelsheim. Geschichte und Bild der ehemaligen Reichsstadt, 1960.

Ergänzung 2023:

Heute wird die ehemalige Synagoge als Wohngebäude verwendet. Eine Plakette erinnert an die Geschichte des Gebäudes.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Heidelsheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • „Die Carlebachs“. Eine Familiengeschichte – Eine Rabbinerdynastie aus Lübeck, Film, Regie: Hanno Brühl, 1994.
  • Festschrift zum 40jährigen Amtsjubiläum des Herrn Rabbiners Dr. Salomon Carlebach in Lübeck, hg. Moritz Stern, 1910.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Maisch, Steffen, Das jüdische Schulwesen in Heidelsheim im 19. Jahrhundert, in: Badische Heimat Heft 2(2002).
  • Schneider, Albrecht, Großvater Salomon, der Rabbi von Lübeck. Erinnerungen von Chaim Cohn und Felix F. Carlebach, Lübeck 1905.
  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Karlsruhe 1990.
  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden in Bruchsal (Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal, Bd. 23), 2007.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986.
  • Zeittafel der Heidelsheimer Geschichte, in: Festschrift zu den 5.Heidelsheimer Heimattagen vom 7.-9. Juli 1979.
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