Rheinbischofsheim

Die Synagoge in Rheinbischofsheim, vor 1938. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt, das Gebäude um 1950 abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1506]
Die Synagoge in Rheinbischofsheim, vor 1938. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt, das Gebäude um 1950 abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1506]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Rheinbischofsheim war eines der 26 Dörfer der Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Graf Johann Reinhard II. (1625-1666) verlegte nach dem Dreißigjährigen Krieg seine Residenz nach Rheinbischofsheim. Mit dem Aussterben des Hauses Hanau-Lichtenberg kam die Grafschaft 1736 an Hessen-Darmstadt. Karoline Luise von Hessen-Darmstadt brachte sie ihrem Gemahl, Markgraf Karl Friedrich von Baden, in die Ehe ein.

Seit der Verlegung der Residenz nach Rheinbischofsheim waren dort Juden ansässig. Die Grafen gestatteten ihren Juden offene Kramläden zu führen, sehr zum Verdruss der Straßburger Kaufmannschaft, die 1717 die Schließung der Läden forderte. Den Juden sollte auch jeder Handel außer dem mit Lumpen und Vieh sowie Kreditgeschäfte verboten werden. Der Conseil, die französische Verwaltungsstelle des Elsass, erließ darauf ein den Erwerb der Juden einengendes Verbot, das aber der Graf von Hanau nicht anerkannte.

1790 gab es in Rheinbischofsheim 9 Schutzjuden. 1825 zählte der Ort 102 Juden, 1875 155, 1900 95, 1925 69 und 1933 noch 57.

Die jüdische Gemeinde Rheinbischofsheim gehörte seit 1827 zum Rabbinatsbezirk Bühl. Die Synagoge wurde im 19. Jahrhundert errichtet. Bis zur Anlage des gemeinsamen Friedhofs in Freistett begrub man die verstorbenen Juden aus Rheinbischofsheim in Kuppenheim. 1899 war ein jüdischer Krankenverein gegründet worden, der 1933 31 Mitglieder zählte. Am 17. Juni 1935 wurden die jüdischen Gemeinden Rheinbischofsheim und Freistett vereinigt.

Im Gemeinderat und in den verschiedensten Vereinen waren bis 1933 die Juden vertreten. Drei Söhne hatte die jüdische Gemeinde im Ersten Weltkrieg verloren. 1933 befand sich die Edelbranntweinbrennerei Liebmann und Simon Kahn in jüdischer Hand, ferner vier Textilgeschäfte, eine Eisenhandlung, eine Mehl- und Getreidehandlung sowie eine Seegarnspinnerei. Dr. Paul Kahn war Rechtsanwalt. Drei Juden ernährten sich durch Viehhandel.
In der Kristallnacht wurde die Synagoge demoliert und die jüdischen Männer nach Dachau verbracht. Gustav Bloch starb an den Folgen der dort erlittenen Misshandlungen am Neujahrstag 1939 im Krankenhaus Offenburg.

Durch Auswanderung konnten sich bis 1940 39 Juden aus Rheinbischofsheim dem Zugriff der Gestapo entziehen. 2 starben in der Heimat, bevor am 22. Oktober 1940 8 jüdische Bürger den Weg nach Gurs antreten mussten. Keiner von den nach Südfrankreich Verschleppten überlebte. Von den 5 jüdischen Einwohnern, die bis 1940 weggezogen waren, wurden 4 ebenfalls nach Gurs gebracht, während 1 vorher starb; von diesen konnte nur 1 sich nach den USA retten, wo er schon 1943 starb. Die Schicksale der restlichen Juden aus Rheinbischofsheim können nicht mehr geklärt werden, da alle Unterlagen darüber im Kriege vernichtet wurden.

Die ehemalige Synagoge wurde 1948 wegen Baufälligkeit abgebrochen.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Rheinbischofsheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Als in Deutschland die Synagogen brannten. Eine Dokumentation zu den Ereignissen in der „Reichskristallnacht“ in den Gemeinden des Hanauerlandes, hg. von Friedrich Peter, 2. Aufl. 1989.
  • Hirschberg, Gerd, Von Rheinau über Gurs nach Auschwitz. Stationen der Vernichtung der jüdischen Gemeinden Neufreistett und Rheinbischofsheim, in: Ortenau 80 (2000), S. 237-250.
  • Hirschberg, Gerd, Die Geschichte der jüdischen Gemeinden Neufreistett und Rheinbischofsheim. Ein Erinnerungs- und Materialbuch, Freistett 2015.
  • Honold, Nikolaus, Der Rheinbischofsheimer Judenstein. Der Begräbnisplatz des Löw Simson von Bischofsheim, in: Die Ortenau 75 (1985), S. 360-363.
  • Lauppe, Ludwig, Burg, Stadt und Gericht Lichtenau. Eine heimatgeschichtliche Rückschau, Hemsbach 1984, S. 160-164.
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