Sennfeld

Die ehemalige Synagoge in Sennfeld. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Nach Verkauf an die Gemeinde Sennfeld wurde das Gebäude von verschiedenen Religionsgemeinschaften und Vereinen genutzt, heute Kulturzentrum mit Museum und Gedenkstätte. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]
Die ehemalige Synagoge in Sennfeld. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Nach Verkauf an die Gemeinde Sennfeld wurde das Gebäude von verschiedenen Religionsgemeinschaften und Vereinen genutzt, heute Kulturzentrum mit Museum und Gedenkstätte. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das Dorf Sennfeld gehörte zum Ritterkanton Odenwald und war eine Besitzung der Familien von Adelsheim und Rüdt von Collenberg-Bödigheim. 1806 fiel es an Baden.

Seit dem 17. Jahrhundert lebten in Sennfeld Juden. Ihre Zahl betrug 1825 96, 1875 121, 1900 114 (10,6 Prozent von 1.075 Einwohnern), 1925 72 und 1933 56. Im Ersten Weltkrieg sind Moritz Arthur Langnas, Hermann und Max Levi sowie Israel Thalheimer gefallen.

1827 wurde die jüdische Gemeinde Sennfeld dem Rabbinatsbezirk Merchingen zugeteilt. 1836 erbaute sie eine eigene Synagoge. Der jüdische Friedhof in Sennfeld stammt ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert. Zuvor beerdigten die Israeliten von Sennfeld ihre Toten auf dem Verbandsfriedhof in Bödigheim. Seit 1903 waren ihnen die Juden von Korb angeschlossen, als die dortige Gemeinde aufgelöst worden war.

Mit den christlichen Ortsbewohnern standen die Sennfelder Juden in gutem Einvernehmen. In der Hauptsache ernährten sie sich von Viehhandel und Landwirtschaft. Ihre wirtschaftliche Stellung war wie die der Ortsbewohner in der Regel bescheiden. In etwas besseren Verhältnissen lebte der Viehhändler und Grundstücksmakler Adolf Neuberger. Seine Gattin Julie galt bei den Einwohnern als angesehene vornehme Frau. Ein bedeutenderes Unternehmen war ferner die Viehhandels- und Getreidekommissionsfirma Isaak Levi oHG, die als Getreideaufkäuferin für die Firma Jakob Hirsch Söhne GmbH in Mannheim arbeitete. Fünf Juden waren als Vieh- und Pferdehändler tätig. Das einzige jüdische Gemischtwarengeschäft hatte Melanie Oppenheimer inne.

Nach der Machtergreifung Hitlers ließen die Geschäfte der jüdischen Viehhändler infolge der Gewaltandrohungen immer mehr nach. Manche mussten ihr Leben durch den Verkauf von Grundstücken fristen. Andere waren auf die jüdischen Fürsorgeeinrichtungen angewiesen, vor allem auf die Unterstützung durch den Armenverein. Er wurde bis kurz vor 1933 von dem langjährigen Gemeinderat Karl Reiß geleitet.

1936 stellten Adolf Neuberger, Salomon Neuberger und lsak Thalheimer ihre landwirtschaftlichen Anwesen, die außer den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden ungefähr 110 preußische Morgen Ackerland und Wiesen umfassten, dem jüdischen Wohlfahrtsbund in Karlsruhe als landwirtschaftliches Lehrgut für jüdische Jungen und Mädchen zur Verfügung. In der kurzen Zeit von knapp zwei Jahren wurden hier etwa 56 Jugendliche aus allen Teilen Deutschlands, die vorwiegend der zionistischen Bewegung angehörten, mit Genehmigung der NSDAP vor ihrer Auswanderung nach Palästina praktisch und theoretisch in die Landwirtschaft eingeführt. Außerdem erhielten die Lehrgangsteilnehmer Unterricht in Hebräisch, Soziologie, Geschichte, jüdischer Gegenwartskunde, Literatur und Naturwissenschaft.

Dem Bürgermeister war das Lehrgut von Anfang an ein Dorn im Auge. In der Kristallnacht wurden daher nicht nur die ortsansässigen Juden, sondern auch die jüdischen landwirtschaftlichen Lehrlinge auf dem Hof des Adolf Neuberger von auswärtigen SA-Leuten verprügelt. Dem 75jährigen Josef Levi wurde dabei ein Schultergelenk ausgerenkt, so dass er ins Krankenhaus nach Adelsheim eingeliefert werden musste. Das Innere der Synagoge wurde bei dieser Aktion von den fanatischen Parteigenossen vollständig demoliert. 1936 hatte man noch feierlich das hundertjährige Bestehen des Gebäudes begangen.

Von den ortsansässigen Juden sind nach 1933 noch 6 in Sennfeld gestorben, 29 sind nach den USA (14), nach Palästina (6), Argentinien (4) und in andere Länder ausgewandert. Am 22. Oktober 1940 wurden 21 jüdische Einwohner nach Gurs deportiert. Von ihnen sind mindestens 11 in Auschwitz ermordet worden, 4 starben in Lagern in Südfrankreich und nur 3 konnten fliehen. Das Schicksal von 3 Deportierten ist nicht bekannt. In Sennfeld blieb nach 1940 nur eine in sogenannter Mischehe verheiratete Jüdin zurück. 1944 wurde auch sie nach Theresienstadt deportiert, kehrte im Juni 1945 nach Sennfeld zurück und starb 1946 in Karlsruhe an den Folgen des Lageraufenthalts.

Die äußerlich unveränderte ehemalige Synagoge an der Hauptstraße ist heute im Besitz der Gemeinde Sennfeld. 1962/63 wurde sie vollständig renoviert und diente seither als Kulturzentrum. Der Friedhof im Gewann Berglesrain mit seinen etwa 60 Grabsteinen wurde nach Kriegsende würdig wiederhergestellt.

 

Ergänzung 2023:

Seit 2001 findet das Gebäude Verwendung als Heimatmuseum und Gedenkstätte. 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Sennfeld, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Landauer, Rudolf/Lochmann, Reinhart, Spuren jüdischen Lebens im Neckar-Odenwald-Kreis, hg. von Landratsamt NOK, Buchen 2008.
  • Lochmann, Reinhart, Geschichte der jüdischen Gemeinde Sennfeld.
  • Lochmann, Reinhart, Dokumentation des jüdischen Friedhofs Sennfeld.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 349-351.
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