Stein am Kocher

Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Grabenstraße auf der Badischen Gemarkungskarte (1906-1907). Das Gebäude wurde 1935 von der jüdischen Gemeinde verkauft und im Zweiten Weltkrieg zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1797]
Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Grabenstraße auf der Badischen Gemarkungskarte (1906-1907). Das Gebäude wurde 1935 von der jüdischen Gemeinde verkauft und im Zweiten Weltkrieg zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1797]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Stein am Kocher gehörte bis 1803 zum Erzbistum Mainz; 1803-1806 war der Ort im Besitz des Grafen von Leiningen-Heidesheim und fiel 1806 an Baden. In Stein lebten Juden seit dem Dreißigjährigen Krieg. 1825 betrug ihre Zahl 93, 1875 48, 1900 15, 1925 12 und 1933 10. Die jüdische Gemeinde, die seit 1827 zum Rabbinatsbezirk Mosbach gehörte, besaß eine eigene Synagoge und einen eigenen Friedhof. Am 8. November 1937 wurde sie durch Beschluss des Badischen Staatsministeriums aufgelöst, da sie nur noch vier Mitglieder zählte.

Zu Ausschreitungen gegen die Juden kam es während des Dritten Reiches in Stein nicht. Um 1933 betrieben die Brüder Abraham und Hermann Zwang ein Viehhandelsgeschäft. Abraham Zwang kam 1937 im Zusammenhang mit einem Viehhandelsgeschäft in das KZ Dachau, später nach Buchenwald. 1938 wurde er mit der Auflage der sofortigen Auswanderung entlassen. Er ging nach den USA. Hermann Zwang starb nach längerem Leiden 1940 im Krankenhaus in Mannheim. Von den Kindern der beiden Brüder wanderten vier schon um 1935 nach England und den USA aus. Selma Zwang war in Mannheim in Stellung und wurde von dort aus nach Gurs deportiert. Ilse Zwang war in Stuttgart be­schäftigt, wo sie 1941 heiratete. 1942 wurde sie mit ihrem Ehemann von Haigerloch nach Izbica deportiert und dort wahrscheinlich umgebracht.

In Stein lebten zuletzt nur noch die beiden Frauen Hedwig und Flora Zwang, die sich bei Bauern ihr Brot verdienten. Am 22. Oktober 1940 wurden sie von der Arbeit auf dem Kartoffelfeld weggeholt und nach Gurs deportiert. Hedwig Zwang gelang die Auswanderung zu ihrem Ehemann nach den USA, während ihre Schwägerin den Weg in die Gaskammern von Auschwitz antreten musste. Heute erinnert in Stein nur noch der kleine jüdische Friedhof außerhalb des Dorfes an der Straße nach Kreßbach an die jüdische Gemeinde. Er wurde in den letzten Kriegstagen durch Artilleriebeschuss schwer beschädigt. Die Synagoge wurde bereits 1935 auf Abbruch verkauft. 

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Stein am Kocher, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986,1986. S. 224-228.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Jung, Norbert, Spurensuche S – die Juden von Stein, 1985.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 503.
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