Tiengen mit Bonndorf, Säckingen, St. Blasien und Waldshut

Die Synagoge in Tiengen, vor 1938. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt. Das Gebäude wurde 1939 verkauft und später umgebaut. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1762]
Die Synagoge in Tiengen, vor 1938. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt. Das Gebäude wurde 1939 verkauft und später umgebaut. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1762]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

1413 kaufte der Bischof von Konstanz als Lehensherr die Stadt Tiengen von den Herren von Krenkingen zurück. 1482 verpfändete er Tiengen an die Grafen von Sulz, die die Stadt, obwohl in der Landgrafschaft Stühlingen gelegen, zum Verwaltungssitz ihrer Landgrafschaft Klettgau machten. Im 16. Jahrhundert gab der Bischof die Stadt nach wiederholten vergeblichen Versuchen, sie aus der Pfandschaft zu lösen, den Grafen von Sulz als Lehen. Nach deren Aussterben 1687 fiel Tiengen durch Heirat der Erbtochter an die Fürsten von Schwarzenberg und 1806 mit dem Klettgau an Baden.

Wahrscheinlich waren schon im 14. Jahrhundert in Tiengen Juden ansässig. Urkundlich überliefert ist ihre Anwesenheit seit 1454. In diesem Jahre nahm Ritter Wilhelm von Heudorf, der Besitzer der kleinen Herrschaft Almut im Schlüchttal, Geld bei zwei Tiengener Juden auf. Da die Juden ohne Sicherheit ihm nichts borgen wollten, zwang der Ritter die Bauern seines Dorfes Aichen, ihm Bürgschaft zu leisten, wobei er mit Stock und Block nachhalf. 1488 kündigten die Tiengener Juden ihr Geld. Da bei den Erben des Heudorfers nichts mehr zu holen war, hielten sie sich an die Bürgen, die in Tiengen Einlager halten mussten, weil sie die Zahlung verweigerten. 1494 wurde der Streit vor dem Landgericht Stühlingen durch einen Kompromiss geschlichtet.

Bei der Belagerung Tiengens durch die Schweizer im Schwabenkrieg (1499) tat sich ein jüdischer Schütze besonders hervor. Er erstach viele Angreifer und erschoss von der Mauer aus den Fähnrich und den Büchsenmeister von Freiburg im Üchtland. Nach der Einnahme und der völligen Zerstörung der Stadt ruhten die Freiburger nicht, bis ihnen der jüdische Schütze ausgeliefert wurde. Sie hängten ihn an den Füßen auf. Nachdem er 24 Stunden so gehangen hatte, habe er - so wird berichtet - nach einem Priester verlangt. Nachdem er gebeichtet hatte, schlug man ihm aus Gnade den Kopf ab. Ein zweiter Jude, Vater von zwei Töchtern, der als Geisel ausgeliefert worden war, flehte um Gnade und wurde nach seiner Taufe freigelassen.

Die Tat des mutigen Schützen war in Tiengen bald vergessen. 1544 vereinbarten die Bürger mit Graf Johann von Sulz, dass er die fünf jüdischen Familien bei nächster Gelegenheit „abschaffe". Aber der Graf hielt sich nicht an die Abmachung, sondern nahm bereits zwei Jahre später die beiden Juden Jakob und Menlin für jährlich 30 Gulden Schutzgeld auf sechs Jahre in Tiengen auf.

1559 gründeten Josef ben Naftali und Elieser ben Josef Herz in Tiengen eine hebräische Druckerei. Die Bürger benachrichtigten den Bischof von Konstanz. Dieser hielt es nicht für ratsam, sofort etwas gegen die Druckerei zu unternehmen, sondern gab Weisung, die Sache im stillen zu beobachten, denn wenn die Juden nur Bücher wegen des Broterwerbs druckten, könne er es nicht wehren. Nur wenn sie jüdische religiöse Bücher in deutscher Sprache druckten, die dem gemeinen Manne schädlich werden könnten, wolle er mit Vorwissen des Erzbischofs von Mainz die Druckerei beseitigen. Sie ging aber schon 1560 von selber wieder ein. Von den in ihrem einjährigen Bestehen hergestellten hebräischen Büchern sind noch fünf bekannt, darunter ein Gebetbuch mit kabbalistischen Erklärungen des Naphtali Treves. Einzelne Exemplare befinden sich in den Bibliotheken in Frankfurt am Main und Basel. Die Druckerei soll sich in der heutigen Priestergasse, der ehemaligen älteren Judengasse, befunden haben.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts lebten keine Juden in Tiengen, doch 1650 wurde acht jüdischen Haushaltungen - Marmel und Mauschel Lemke, die Gebrüder Jakob und Isak, Jügglin, Meyerlin und Borrach sowie eine Witwe - ein Satzbrief auf 20 Jahre ausgestellt. Das einmalige Einzugsgeld betrug 200 Gulden. Außerdem waren jährlich pro Familie 18 Gulden Schutzgeld zu entrichten.

1653 kam es zwischen den Herren von Sulz und von Stühlingen zu einem Rechtsstreit wegen des Waren- und Schutzzolles der in Tiengen ansässigen Juden. Es wurde darüber eine Vereinbarung getroffen, dass die Tiengener Juden zum Ausgleich jährlich 20 Gulden an das Rentamt Stühlingen abliefern mussten. Diese Abgabe wurde 1752 dahin abgeändert, dass neben dem Zoll für jede jüdische Haushaltung in Tiengen 3 Gulden zu zahlen waren. Wenn auch die Herrschaft wegen ihrer Einnahmen nicht auf die Juden verzichten wollte, so hätten die Bürger der Stadt sie lieber außerhalb ihrer Mauern gesehen. 1669 beschwerten sich Stadtvogt, Baumeister, Rat und die gemeine Bürgerschaft Tiengens beim Landgrafen Ludwig über das den Bürgern und der ganzen Landgrafschaft so schädliche Gebaren der Juden. Die jungen Bürger klagten „in Ermangelung der Häuser, die Metzger und Gerber in Einkaufung Mastviehs und Verkaufung des Fleisches und Lederß, das burgerliche Vieh in abferzung der Waidt und Schadenzufügung von jüdischen Pferden". Sie alle baten um Ausweisung der Juden, wenn ihr Satzbrief abgelaufen sei. Wahrscheinlich kam der Landgraf dieser Bitte nicht nach.

Die Fürsten von Schwarzenberg, seit 1687 Herren von Tiengen, waren den Juden gegenüber sehr rücksichtsvoll. Sie befreiten solche, die infolge Krankheit oder Alter in Not geraten waren, von ihren Abgaben. Gegen die Bitten der Stadt erlaubte Fürst Adam Franz von Schwarzenberg 1717 zwei Juden aus Horheim die Ansiedlung in Tiengen. Laut Schutzbrief wurde ihnen gestattet „einen Kramladen zu führen mit allerhand zulässigen Waren, als da sind: Tücher, Ziechen, Ausstattungen, Häute, Leder, ausgenommen Stahl und Eisen". Die Führung von Geschäftsbüchern wurde ihnen als Auflage erteilt. Verboten wurde die Anrufung fremder Gerichte. Kleinvieh durften sie in beliebiger Zahl schlachten, Großvieh dagegen jährlich nur fünf Stück pro Haushaltung. Das von ihnen nicht gebrauchte Fleisch durften sie den Untertanen in der Stadt und auf dem Lande verkaufen, jedoch nicht pfundweise, sondern in ganzen Gliedern und zu einem niedrigeren Preis, als das Fleisch sonst in der Metzig zu haben war. Gottesdienst durften sie „in möglichster Stille" in einem ihrer Wohnhäuser „nicht vornen, sondern hinten auswärts" halten. Sonntagshandel wurde ihnen streng verboten.

Trotz wiederholter bewegter Klagen der Tiengener Einwohner über den Schaden, den ihnen die Juden zufügten, nahm ihre Zahl langsam zu. 1717 wohnten 2 Judenfamilien in Tiengen, 1750 9 und 1810 15, von denen 9 den Namen Guggenheim und 6 den Namen Bernheim führten. Sie wohnten alle in der älteren Judengasse. Später erwarben sie vor allem Häuser in der ursprünglichen Priestergasse, so dass diese in Judengasse umbenannt wurde. Das Dritte Reich machte 1933 die Turmgasse daraus. Bis 1875 wuchs die Zahl der Juden weiter an, sank aber dann infolge der Auswanderung rasch. 1825 wohnten in Tiengen 114 Juden (11,7 Prozent von 974 Einwohnern), 1842 150, 1859 215, 1875 206, 1890 170, 1900 106, 1925 44 und im Juni 1933 46.

Die jüdische Gemeinde Tiengen gehörte zunächst zum Rabbinatsbezirk Sulzburg und seit 1827 zum Rabbinatsbezirk Gailingen. Eine eigene Synagoge besaß sie schon seit 1793 in der Fahrgasse. 1863 wurde das Gotteshaus vollständig restauriert. Um 1780 pachteten die Tiengener Juden für jährlich 4 Gulden von der Gemeinde im Keitle an der Gurtweiler Straße einen Begräbnisplatz. Von ungefähr 1830 bis 1876 bestand in Tiengen auch eine jüdische Volksschule. Das Gebäude fiel im Ersten Weltkrieg einem Brand zum Opfer.

Die Tiengener Juden trieben Kramhandel und besonders Viehhandel sowie allerlei Geldgeschäfte. 1785 wollte Joseph Guggenheim eine Schafwollspinnerei einrichten, fand aber nicht genügend Arbeitskräfte dafür. 1933 gab es an jüdischen Unternehmen nur noch zwei Textilwarengeschäfte, ein Konfektionsgeschäft, ein Schuhgeschäft und eine Lederhandlung. Zwei Juden lebten vom Viehhandel, einer vom Pferdehandel.

Wie schon mehrfach erwähnt wurde, waren in früherer Zeit die Juden bei der einheimischen Bevölkerung nie sehr beliebt. Auch noch nach der vollständigen Emanzipation klagten die Tiengener Juden bei einer Ortsbereisung am 14. Juni 1864, dass sie bei der Ausübung ihres Gottesdienstes durch Nachbarn der Synagoge und durch lärmende böse Kinder aus der ganzen Stadt in erheblicher Weise gestört würden; man säge und spalte Holz, fülle Jauchefässer ein und stelle ihnen Wagen und Karren in den Weg, um die Zugänge zur Synagoge zu sperren. 1866 wurden zwei Tiengener Handwerker angezeigt, weil sie bei lustiger Gesellschaft im Wirtshaus jüdische Zeremonien nachgemacht hatten. Nicht zuletzt der gemeinsame Einsatz zur Verteidigung des Vaterlandes im Ersten Weltkrieg, der drei jungen Tiengener Juden das Leben kostete, verminderte die Kluft zwischen Juden und Christen. Im Gemeinderat und im Bürgerausschuss saßen vor 1933 auch jüdische Mitglieder. Das bessere Einvernehmen sollte allerdings nur noch wenige Jahre währen; denn in Tiengen fand der Nationalsozialismus früh Anhänger. Mit dem Tage der Machtergreifung ging die geheime Ablehnung der Juden in offene Verfolgung über. Der wirtschaftliche Boykott wurde in aller Schärfe durchgeführt. Nach dem Vorbild mancher anderer Städte wollte 1935 auch Tiengen Juden den Zuzug, den Grunderwerb, das Besuchen der Märkte und die Benutzung von Gemeindeeinrichtungen verbieten. Wegen des Einspruches des deutschen Gemeindetages wurde dieser Entwurf zu einer Ortssatzung nicht weiter bearbeitet. Die Benachteiligung der Juden im täglichen Leben lief jedoch auf das gleiche Ziel hinaus. Vor allem die im öffentlichen Dienst Beschäftigten mussten die jüdischen Geschäfte meiden. Die Tiengener Juden veräußerten daher verhältnismäßig früh ihre Häuser und Geschäfte, um auszuwandern. 1936 wohnten nur noch 27 Juden in der Stadt. In der Kristallnacht im November 1938 demolierten Parteigenossen aus Tiengen und der Umgebung die noch vorhandenen jüdischen Geschäfte sowie die Inneneinrichtung der Synagoge. Das zertrümmerte Mobiliar wurde auf dem Viehmarktplatz verbrannt. Auch den jüdischen Friedhof zerstörten sie vollständig.

Er wurde dem Erdboden gleichgemacht und zu einem Sportplatz umgestaltet. 6 Juden wurden bei dem Pogrom verhaftet und in das KZ Dachau eingeliefert, wo sie einige Wochen festgehalten wurden. Julius Guggenheim und der Religionslehrer Heiman Rabbinowicz kehrten nicht mehr von dort zurück. Als Auswanderungsland wählten etwa 30 Juden die Schweiz und Frankreich. Zuletzt befanden sich 5 jüdische Frauen in der Stadt, die am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert wurden. Von ihnen konnte Sofie Schwarz befreit werden, Sabine Bernheim starb in Gurs, die übrigen 3 sind verschollen und wahrscheinlich in einem Vernichtungslager im Osten umgekommen. 5 nach Frankreich ausgewanderte Tiengener Juden gerieten ein zweites Mal in die Hände ihrer Verfolger und fanden in Auschwitz den Tod.

Die Synagogenruine erwarb ein Glasermeister, der auf dem Grundstück ein Wohnhaus und eine Werkstätte errichtete. Der zerstörte Friedhof wurde nach dem Krieg wiederhergestellt. Auf einem einzigen Gedenkstein stehen die Namen aller dort begrabenen Toten. Sämtliche alten Grabsteine sind verschwunden.

Der jüdischen Gemeinde Tiengen waren im Laufe der Zeit verschiedene Filialgemeinden angegliedert worden. 1866-1897 waren die Juden von Konstanz Filiale von Tiengen. Zeitweilig gehörten die wenigen Juden von Bonndorf (1875 2, 1900 4, 1910 5) zu Tiengen. Die 1933 dort ansässigen 3 Juden wanderten bis 1940 aus.

Die ersten Juden in der ehemals vorderösterreichischen Stadt Säckingen sollen den Verfolgungen der Pestjahre 1348/49 zum Opfer gefallen sein. Im 14. und 15. Jahrhundert traten vereinzelt Juden in der Stadt auf, ohne dass sie besondere Bedeutung erlangten. Auch sie dürften spätestens 1517 ausgewiesen worden sein. Erst nach 1862 erlangten die Juden erneut das Recht zur Niederlassung. 1875 waren 6 von ihnen in Säckingen wohnhaft, 1900 17 und 1925 4. Sie waren seit 1895 der Gemeinde Tiengen als Filiale angegliedert. Von den 6 Glaubensjuden, die 1933 in Säckingen wohnten, wanderten bis 1940 3 in die Schweiz aus. Die übrigen zogen in andere deutsche Städte.

In St. Blasien durften sich bis ins 19. Jahrhundert keine Juden niederlassen. Nur der Handel im Gebiet der Abtei war den in der benachbarten fürstenbergischen Landgrafschaft Stühlingen bis zu ihrer Vertreibung 1743 wohnenden Juden erlaubt. Nach den Emanzipationsgesetzen von 1862 finden wir erstmals sesshafte Juden im Kurort. 1875 waren es 8, 1900 20, die seit 1895 der jüdischen Gemeinde Tiengen als Filiale angegliedert waren. Bis 1925 ging die Zahl auf 7 zurück. 1933 waren 13 Glaubensjuden in St. Blasien polizeilich gemeldet, von denen aber einige nur vorübergehend anwesende Kurgäste waren. Gustav Grumbach führte ein Kaufhaus, Ferdinand Odenheimer ein Feinkostgeschäft, während Alexander Mendelsohn ein Fotogeschäft betrieb. In St. Blasien selbst wurden keine Juden von Maßnahmen der NSDAP erfasst, sieht man vom 1. April 1933 ab, an dem die Schaufenster der jüdischen Geschäfte mit Hakenkreuzen beschmiert wurden. 7 Juden wanderten bis 1938 aus, 1 überlebte das Dritte Reich in Baden-Baden.

In der vorderösterreichischen Stadt Waldshut, die 1806 an Baden fiel, wurde die erste Judenniederlassung in den Verfolgungen der Pest 1348/49 vernichtet.

Später ließen sich vereinzelt Juden dort nieder, die aber 1517 vertrieben wurden. Die Stadt verbot 1553 bei Strafe von 20 Hellern ihren Bürgern den Handel mit Juden. Wer Geld bei Juden entlieh und ertappt wurde, verlor das Bürgerrecht. Erst nach den Emanzipationsgesetzen von 1862 ließen sich erneut Juden in Waldshut nieder. Die jüdische Gemeinde, die 1875 5, 1900 22, 1925 30 und 1933 24 Seelen zählte, gehörte seit 1895 als Filiale zu Tiengen.

Ein Herrenkonfektions-, ein Schuh- und ein Tuchgeschäft wurden 1933 von Juden betrieben. Sie hatten seit 1933 unter dem Boykott zu leiden. Im Zusammenhang mit den Ereignissen der Kristallnacht wurden zwei jüdische Bürger vorübergehend nach Dachau ins KZ verbracht.
Zwischen 1933 und 1940 wanderten 18 Waldshuter Juden aus. Die meisten fanden in den USA und in der nahen Schweiz eine neue Heimat. Ein Jude aus Waldshut starb 1937 im Friedrichsheim in Gailingen, ein weiterer verzog ins Rheinland. Die letzten beiden Jüdinnen, die Geschwister Aufrichtig, wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, Jenny Aufrichtig starb 1949 in Frankreich, Klara ist verschollen und für tot erklärt.

Auf Waldshuter Gemarkung, dem schweizerischen Ort Koblenz gegenüber, liegt eine heute durch einen Schilfgürtel mit dem deutschen Rheinufer verwachsene Insel. 1603 verpachtete die Stadt Waldshut diese Insel den Juden der Grafschaft Baden im Aargau, die vor allem in Lengnau und Endingen wohnten, als Begräbnisplatz. Sie zahlten ursprünglich jährlich 4 Gulden Pachtzins dafür. Die Pachtverträge von 1689, 1709 und 1747 sind noch erhalten. Da der Rhein im Laufe der Jahre Teile des „Judenäule" fortspülte, durften die Schweizer Juden 1750 einen Friedhof auf dem Festland bei Lengnau anlegen. Der Inselfriedhof wurde seitdem nicht mehr weiter belegt. 1813 kauften die Juden von Lengnau und Endingen die Insel, die nach wasserbautechnischen Maßnahmen allmählich verlandete. Durch die Pläne zur Rheinregulierung war die denkmalspflegerische Umgestaltung des uralten Friedhofs nicht möglich. 1954/55 wurden deshalb die Toten aus über 80 Gräbern exhumiert und die Grabsteine, soweit sie nicht vom Rhein weggespült oder sonst fortgebracht waren, geborgen. Die sterblichen Überreste wurden anschließend auf dem Endinger Friedhof beigesetzt. Dort wurden auch die halbwegs erhaltenen Grabsteine neu aufgestellt. Der älteste stammt von 1674.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Brandeck, Hans, Geschichte der Stadt Tiengen, 1936. 
  • Guggenheim-Grünberg, Florence, Der Friedhof auf der Judeninsel im Rhein bei Koblenz. Beiträge zur Geschichte und Volkskunde der Juden in der Schweiz 5, 1956. 
  • Voellner, Heinz, Die alte Klettgauhauptstadt Tiengen, Entwicklung und Gestalt, in: Badische Heimat 33, 1953.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Tiengen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

Tiengen

  • Der Judenfriedhof Endingen-Lengnau, 2 Bände, 1993.
  • Gegen das Vergessen. Stolpersteine in Tiengen und Waldshut für die Opfer des Nationalsozialismus 1933-1945, hg. von Freundeskreis Jüdisches Leben in Tiengen, 2013.
  • Germania Judaica, Bd.3, 2. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1995, S. 1459-1460.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Kaiser, Gebhard, Hausierer - Händler - Unternehmer. Jüdische Geschäfte und Gewerbe in Waldshut-Tiengen bis 1940, hg. vonFreundeskreis Jüdisches Leben Waldshut-Tiengen 2018.
  • Petri, Dieter, Die Tiengener Juden und die Waldshuter Juden. Schriften des Arbeitskreises für Regionalgeschichte e.V., 1984.
  • Schulze, Ulrich Werner, Früheres jüdisches Leben in Bonndorf. Erinnerungen an den Handelsmann Jakob Guggenheim und das Schicksal seiner Familie, Leipzig 2018/19.
  • Sutter, K., Der Judenfriedhof bei Waldshut, in: Badische Heimat 3 (1982), S. 439-443.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 354-358.

Bonndorf

  • Schulze, Ulrich Werner, Früheres jüdisches Leben in Bonndorf. Erinnerungen an den Handelsmann Jakob Guggenheim und das Schicksal seiner Familie, Leipzig 2018/19.
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