Amtsdruckschriften

Von Peter Exner

Im Namen des Volkes: Dekret zur Auflösung der beiden Kammern der badischen Ständeversammlung, (Quelle. Badisches Regierungsblatt Nr. 31 (2.) vom 18.5.1849, S. 295)
Im Namen des Volkes: Dekret zur Auflösung der beiden Kammern der badischen Ständeversammlung, (Quelle. Badisches Regierungsblatt Nr. 31 (2.) vom 18.5.1849, S. 295)

Definition der Quellengattung

Amtsdruckschriften sind formelle Bekanntgaben amtlicher Einrichtungen in schriftlicher Form. Sie liegen als Texte zumeist in Papierform vor und dienen vor allem der Information, Meinungsbildung und Bekanntgabe von Herrschaftsentscheidungen. Amtsdruckschriften – auch Amtsdrucksachen oder amtliche Veröffentlichungen – sind demnach Publikationen, die von einem öffentlich-rechtlichen Herausgeber veranlasst oder verlegt werden oder in dessen Auftrag schriftlich verbreitet werden. Entscheidend für den Status einer Amtsdruckschrift ist neben der formellen Schriftlichkeit der Veröffentlichung der öffentlich-rechtliche Status des Herausgebers, kurz gesagt: ausschlaggebend ist die Herkunft, nicht der Inhalt der Publikation. Die englischen Bezeichnungen lauten „official publications“ oder „government informations“.[1]

Historische Entwicklung

Institutionen, die Amtsdruckschriften publizieren, können Behörden und Dienststellen des Landes Baden-Württemberg und seiner Vorgängerterritorien, der unter der Aufsicht des Landes und seiner Vorgängerterritorien stehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, einschließlich der Landkreise und Gemeinden oder Gemeindeverbänden, oder der Amtskirchen und anderen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sein,[2] deren verschiedenartige Handlungsformen sie dokumentieren.[3] Amtsdruckschriften sind „ganz sicher Teil des dokumentarischen Niederschlags“ der herausgebenden Institution „und damit Bestandteil des im jeweiligen Bereich anfallenden Registratur- bzw. Archivguts“.[4]

Treten öffentlich-rechtliche Stellen als Herausgeber dieser Druckerzeugnisse in Erscheinung, zählen diese eindeutig zu den Amtsdruckschriften. Stammen diese Publikationen hingegen aus dem privatrechtlichen Bereich, werden sie als „graue Literatur“ bezeichnet.[5] Typisiert man Druckschriften formal nach Umfang und Verarbeitung, Periodizität und Vertriebswegen, sind Amtsdruckschriften als Mehrblattdrucke, häufig als mit einer Bindung und einem Einband versehene Bücher, anzusehen, die regelmäßig und auf einem verlagsgebundenen Vertriebsweg erscheinen.[6]

Verfassungsurkunde des Königreichs Württemberg vom 25. September 1819 - Die ihm von Uns zugedachte Verfassung, (Vorlage: Königlich-Württembergisches Staats- und Regierungsblatt Nr. 65 v. 27.9.1819, S. 633)
Verfassungsurkunde des Königreichs Württemberg vom 25. September 1819 - Die ihm von Uns zugedachte Verfassung, (Vorlage: Königlich-Württembergisches Staats- und Regierungsblatt Nr. 65 v. 27.9.1819, S. 633)

Als früheste Amtsdrucksachen sind von Staats wegen publizierte Streitschriften und Verordnungsdrucke anzusehen. Sie sind untrennbar mit der Erfindung des Buchdrucks in der Mitte des 15. Jahrhunderts verbunden, die als Medienrevolution einen Publikationsschub nach sich zog. Aus Zusammenstellungen von Verordnungstexten gingen im 19. Jahrhundert die periodisch erscheinenden Gesetz- und Verordnungsblätter hervor. Die Intensivierung staatlichen Handelns machte eine Bekanntmachung staatlicher Gesetze und Verordnungen erforderlich, die seit dem 19. Jahrhundert eine maßgebliche Dichte erreichte, um mit amtlichen Publikationen alle Untertanen und Teile des Herrschaftsgebiets zu erreichen. Im Laufe des 19., teils zu Beginn des 20. Jahrhunderts differenzierten sich die Amtsdrucksachen auf oberster staatlicher Ebene weiter aus. Neben die Gesetz- und Verordnungsblätter traten Staatsanzeiger ergänzt; zudem gaben einzelne Behörden wie Ministerien eigene, ressortbezogene Amts- und Anzeigeblätter heraus. Darüber hinaus wurden auf diese Weise auch Parlamentsverhandlungen und -drucksachen, Haushaltspläne und Jahresberichte, Geschäfts- und Adresskalender, Dienstvorschriften, Hof- und Staatshandbücher, Fahrpläne, Telefonbücher, Vorlesungsverzeichnisse, Programme der Staatstheater sowie statistische und andere informatorische Publikationen sowohl von staatlicher als auch von kommunaler oder kirchlicher Seite verbreitet.[7]

Der folgende Überblick konzentriert sich auf die Amtsdruckschriften des 19. und des 20. Jahrhunderts und beschränkt sich auf die badischen und württembergischen bzw. die baden-württembergischen Publikationen in Form von Gesetz- und Verordnungsblättern sowie Staatsanzeigern. Parallel zur Erhebung zum Großherzogtum und Königreich von Napoleons Gnaden orientierten sich deren Verwaltungen an der hierarchisch-bürokratischen „Rationalität des neuen Frankreich“.[8] In Baden erschien das oberste Publikationsorgan 1803 als Kur-Badisches Regierungsblatt, das im August 1806 mit der Nr. 17 eingestellt wurde. Ihm folgte das Regierungsblatt des Großherzogthums Baden als Nummer 18/1806, das 1808 als Regierungsblatt für das Großherzogthum Baden sowie von 1809 bis 1816 als Großherzoglich Badisches Regierungsblatt publiziert wurde. Zum Jahresbeginn 1817 erfolgte die Umbenennung in Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungsblatt, mit dem Jahreswechsel 1844/45 kehrte man wieder zum alten Namen zurück, der bis 1868 Bestand hatte. Von 1869 bis zum Ende der Monarchie wurde die Amtsdruckschrift als Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogthum Baden, seit 1906 als Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogtum Baden herausgegeben. Von der Nummer 64/1918 wandten sich die badische vorläufige Volksregierung und die demokratischen Regierungen des republikanischen Freistaats Baden im Badischen Gesetz- und Verordnungsblatt an die Bürgerinnen und Bürger, das auch in der NS-Diktatur seinen Namen weiterbehielt. Die militärische Besatzung des Südwestens zog eine territoriale und fachliche Zersplitterung der amtlichen Druckschriften auf der obersten staatlichen Ebene nach sich. Im französischen Besatzungsgebiet erschien von 1946 bis zur Nr. 20 des Jahres 1947 das Amtsblatt der Landesverwaltung Baden, von der Nr. 21 bis zur Nr. 27 das Regierungsblatt der Landesregierung Baden und von der Nr. 28 an das Badische Gesetz- und Verordnungsblatt, das mit der Gründung des Südweststaats 1952 mit der Nr. 14 eingestellt wurde. In der US-amerikanischen Besatzungszone wurde 1946 zunächst das Amtsblatt der Landesverwaltung Baden herausgegeben, das mit Nr. 9 im selben Jahr in das Amtsblatt des Landesbezirks Badens umbenannt wurde und bis zur Gründung Baden-Württembergs erschien. Parallel dazu kam von 1946 an bis zur Nr. 7 im April 1952 das Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden heraus, und die US-amerikanische Militärregierung veröffentliche ihr Regierungsblatt für das Land Württemberg-Baden von 1946 bis zur Nr. 15 1949.

In Württemberg rief die Intensivierung staatlichen Handels zu Beginn des 19. Jahrhunderts ebenso neue amtliche Druckschriften hervor, die alle erlassenen Gesetze, Verordnungen und Vorschriften bekannt machten. Die Sammlung der Königlich-Württembergischen General-Reskripte und Verordnungen vom Jahr 1806 stellte zunächst eine Bestandsaufnahme für das junge Königreich dar. Ihr folgte 1807 das Königlich-Württembergische Staats- und Regierungsblatt, das 1820 mit Nr. 74 letztmals erschien. Es wurde abgelöst vom Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, das bis zum Thronverzicht König Wilhelms II. vom 30.11.1918 und damit bis zur Nr. 21 des Jahres 1918 fortdauerte. Ihm schloss sich das Regierungsblatt für Württemberg mit Nr. 22 im Jahr 1918 an, das bis zum Ende des 2. Weltkriegs veröffentlicht wurde.

An die Stelle der Regierungsblätter der Länder Baden und Württemberg-Baden trat ab 1952 der Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, der auf den Staatsanzeiger für Württemberg-Baden folgte, der von 1947 bis zur Nr. 31 vom 23. April 1952 gedruckt wurde. Frühere Staatsanzeiger waren in Baden die Karlsruher Zeitung, die vom 2. Januar 1784 bis 30. Dezember 1933 zu lesen war – mit Ausnahme von 1811 bis einschließlich 1816 – und in Württemberg der Staatsanzeiger für Württemberg, der vom 1. Januar 1850 bis 31. Dezember 1934 informierte. Seit der Gründung des Südweststaats erscheint der baden-württembergische Staatsanzeiger, der in seiner ersten Ausgabe am 30. April 1952 noch den Titel Staatsanzeiger für das südwestdeutsche Bundesland trug. Dies gilt in gleicher Weise für das Gesetzblatt für Baden-Württemberg. Auch dies kam am 28. April 1952 erstmals unter dem Titel Gesetzblatt für das südwestdeutsche Bundesland heraus. Mit der Gründung des Südweststaats wurde auch das Gemeinsame Amtsblatt des Landes Baden-Württemberg veröffentlicht.

Aufbau und Inhalt

Da amtliche Druckschriften die gesamte Bandbreite staatlichen und kulturellen Handelns widerspiegeln, bilden sie die vollständige Vielfalt gesellschaftlichen Lebens ab. Inhaltlich können Amtsdruckschriften ausschließlich amtliche Bekanntgaben verbreiten, sie können aber auch nicht-amtliche Inhalte wie Kulturinformationen abdrucken, geschichtliche oder fachliche Teile enthalten oder ganz aus ihnen bestehen. Damit dokumentieren Amtsdruckschriften das breit gefächerte Spektrum staatlichen Handelns auf allen Gebieten des politisch-sozialen und kulturellen Lebens.[9]

Mit der steigenden Aufgabenlast des modernen (Wohlfahrts-)Staates im 19. und 20. Jahrhundert wuchs auch das Spektrum der Verfügungen, Verordnungen und Mitteilungen, ebenso der politischen Nachrichten, Aufsätze und landeskundlich-kulturellen Betrachtungen der amtlichen Druckschriften. Einen formal-typischen oder gar einheitlichen Aufbau eines Gesetzes- und Verordnungsblatts oder eines Staats- und Regierungsblatts beispielsweise gibt es nicht. Zwar lassen sich inhaltlich vergleichbare Muster durch verwandte Aufgabenstellungen erkennen, anders geartete staatliche Traditionen führten gleichwohl zu je unterschiedlichen Gefügen der amtlichen Publikationen.

Die Staats- und Regierungsblätter des 19. und 20. Jahrhunderts behandelten eine Vielzahl von Rechtsvorschriften und Bekanntmachungen, die sich in folgende Hauptgruppen unterteilen lassen: Staatsaufbau, Recht, Inneres, Kultus, Wirtschaft, Arbeit und Wohlfahrtsfürsorge, Finanzen, Verkehr. Jede dieser Hauptgruppen ließ sich wiederum in mehrere Untergruppen untergliedern: Die Hauptgruppe Recht zum Beispiel teilte sich in die thematischen Blöcke Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Urheberrecht und gewerblicher Rechtsschutz, Gerichtsverfassung, Zivilprozessrecht, Strafwesen und -vollzug sowie Freiwillige Gerichtsbarkeit; die Hauptgruppe Inneres schlüsselte sich auf in Allgemeines Verwaltungsrecht, Ordnungs- und Sicherheitspolizei, Bau- und Feuerpolizei, Kommunalverwaltung, Gesundheits- und Veterinärwesen, Öffentliche Gewässer sowie Elektrizität, die Hauptgruppe Kultus in Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Kunst, Denkmalschutz, Religionsgemeinschaften und die Hauptgruppe Wirtschaft in Allgemeine Wirtschaftsmaßnahmen, Maße und Gewichte, Geld-, Bank- und Sparkassenwesen, Gewerbe und Handel, Ernährung und Landwirtschaft sowie Forst- und Jagdwesen. Vereinheitlichungstendenzen waren durch den stärker unitarischen Zug der Weimarer Republik spürbar, griffen grundlegend aber mit den nationalsozialistischen Gleichschaltungen nach 1933.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Quellenkritisch ist zu beachten, dass amtliche Druckschriften keinen umfassenden und alleingültigen Blick auf das Gemeinwesen bieten. Vielmehr stellen sie eine Art Selbstauskunft aus der Binnensicht der publizierenden amtlichen Institutionen dar. Gleichwohl kommt amtlichen Druckschriften wie den Staatsanzeigern oder den Gesetz- und Verordnungsblättern als offiziellen amtlichen Druckschriften auf oberster staatlicher Ebene ein wesentlicher Sekundärwert zu. Sie tragen als Selbstpublikation von Herrschaftseinrichtungen wesentlich zum Verständnis der übrigen Überlieferung staatlicher wie nichtstaatlicher Provenienz bei. Da sie das breite Spektrum staatlichen und kulturellen Handelns abbilden, stellen sie eine Fundgrube für die historische Forschung dar.[10] Als historische Quelle besitzen sie einen hohen Informationsgehalt, der oft über den ursprünglichen Primärwert hinausweist. So bergen scheinbar trockene Mitteilungen über administrative Reformen aufschlussreiche Hinweise auf gesellschaftliche Integrations- oder Desintegrationsprozesse in einem Gemeinwesen.[11] Der Umstand, dass Archive und Bibliotheken eigene Sammlungen dieser Veröffentlichungen von Gesetzen, Verordnungen und Mitteilungen angelegt haben, verdeutlicht den Quellenwert der amtlichen Publikationen.[12]

Hinweise zur Benutzung

Amtliche Druckschriften sind uneingeschränkt nutzbar. Ihre Nutzung unterliegt keinen Sperrfristen oder anderen Einschränkungen. Amtsdrucksachen sind oft im Selbstverlag und damit außerhalb des Buchhandels erschienen.[13] Sie wurden oft als eigene Sammlung in die Dienstbüchereien der Archive integriert oder eigens in eine (Amts-)Druckschriftenabteilung aufgenommen. Häufiger jedoch werden diese Druckerzeugnisse aufgrund ihrer formalen Nähe zu Bibliotheksgut und dort in speziellen Sammlungen vorgehalten. In beiden Fällen wird eine Vollständigkeit der Publikationen angestrebt.[14]

Vielfach sind amtliche Druckschriften auf diesem Weg online verfügbar. So bietet die Badische Landesbibliothek Karlsruhe unter anderem die digitalisierten badischen Gesetz- und Verordnungsblätter zwischen 1803 und 1952 sowie die digitalisierten Amtsblätter diverser Ministerien und des Chefs der Zivilverwaltung im Elsass zur Einsichtnahme im Netz an.[15]Online verfügbar sind dort auch Adressbücher,[16] die Jahrgänge von 1768 bis 1927 des Hof- und Staats-Handbuch Baden,[17] eines amtlichen Behördenkalenders, sowie statistische Periodika.[18]

Anmerkungen

[1] Maier, Publikationen; Jobst, Druckschriften; Maier/Mayer, Amtsdruckschriften.
[2] Sammelrichtlinien der DNB.
[3] Maier, Publikationen, S. 1.
[4] Franz, Einführung, S. 51f.
[5] Zimmermann, Drucksachen.
[6] Jobst, Druckschriften.
[7] Franz, Einführung, S. 52f.; Jobst, Druckschriften.
[8] Sammelrichtlinien der DNB.
[9] Sammelrichtlinien der DNB.
[10] Maier, Publikationen, S. 1; 23.
[11] Exner, Eingliederung.
[12] Auch wenn das Landesarchiv Baden-Württemberg keine separaten Sammlungen von Amtsdruckschriften verwahrt, gibt es Bestände, die inhaltlich in enger Beziehung zu Amtsdruckschriften stehen. Es handelt sich hierbei in erster Linie um die Ministerialbestände oder die Landtagsüberlieferung. Für Baden sind es folgende GLA Bestände: 230; 231; 231a; 233; 234; 235; 236; 236-1. Für Württemberg sind es die Bestände E und EA im HStA Stuttgart.
[13] Maier, Publikationen, S. 4; Zimmermann, Drucksachen.
[14] Amtsdrucksachen / Amtliche Druckschriften; Maier, Publikationen, S. 5-7; Franz, Einführung, S. 52.
[15] https://digital.blb-karlsruhe.de/Drucke/topic/view/1084557 (12.4.2017).
[16] https://digital.blb-karlsruhe.de/Drucke/topic/view/95144 (12.4.2017).
[17] https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/Drucke/periodical/titleinfo/1784270 (12.4.2017).
[18] https://digital.blb-karlsruhe.de/Drucke/topic/view/1415762 (12.4.2017).

Literatur

Zitierhinweis:  Peter Exner, Amtsdruckschriften, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 28.06.2017.

 

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