Billigheim

Die Synagoge in Billigheim, vor 1938. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 beschädigt, ab den 1950er Jahren als Wohnhaus genutzt, um 1990 abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 124]
Die Synagoge in Billigheim, vor 1938. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 beschädigt, ab den 1950er Jahren als Wohnhaus genutzt, um 1990 abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 124]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Billigheim gehörte bis 1803 zu Kur-Mainz, dann zum Fürstentum Leiningen und fiel mit diesem 1806 an Baden.

Die ersten Juden ließen sich nach dem Dreißigjährigen Krieg nieder. 1722 wohnten bereits 10, 1743 11 Judenfamilien in Billigheim. 1825 waren es 85, 1844 96, 1875 69, 1900 44, seit 1925 27 Juden. Im Ersten Weltkrieg verlor die jüdische Gemeinde Sally Salomon Schwarz und Leo Lazarus Weil im Felde.

1827 wurde Billigheim dem Rabbinatsbezirk Mosbach zugewiesen. Damals dürfte die Synagoge in der Hauptstraße 35 bereits bestanden haben. Um 1835 wurde eine jüdische Volksschule errichtet. Der zuständige Friedhof lag auf der Gemarkung Neudenau.

1933 lebten zwei Juden vom Viehhandel; Hermann Wertheimer besaß ein Textilgeschäft. Einen kleineren Textilhandel betrieben Klara Strauß und Salomon Woll. Abraham Bendheim war Hausierer. Bei der christlichen Bevölkerung waren die jüdischen Mitbürger allgemein beliebt. Deshalb wirkte sich auch der national­ sozialistische Boykott bis 1938 kaum aus. In der Kristallnacht im November 1938 demolierten SA-Leute die Inneneinrichtung der Synagoge, sowie Fenster und Türen im Haus des Kaufmanns Wertheimer. Der im Erdgeschoß der Synagoge wohnende christliche Schneidermeister konnte durch seine Weigerung, die Wohnung zu räumen, die Inbrandsetzung des Gebäudes verhindern. Nach 1938 war eine selbständige Berufstätigkeit nicht mehr möglich. Soweit die Juden nicht fortzogen oder auswanderten, fanden sie in Fabriken oder in der Landwirtschaft Arbeit.

Am 22. Oktober 1940 wurden die letzten 10 jüdischen Einwohner aus Billigheim nach Gurs deportiert. Abraham Bendheim starb 1941 im Lager Rivesaltes, Malchen Strauß und Salomon Woll wurden 1942, die Eheleute Adolf und Emilie Siegel 1944 nach Auschwitz abtransportiert, wo sie vermutlich bald nach ihrer Ankunft ermordet wurden. Das Schicksal der übrigen 5 Deportierten ist nicht geklärt.

Thekla Woll war am 15. Oktober 1940, wenige Tage vor der Massendeportation, ins Krankenhaus nach Mannheim eingeliefert worden. Sie soll später nach Gurs und von dort aus mit ihrem Ehemann nach Auschwitz gekommen sein. Frau Johanna Bendheim kam 1940 nach Nordrach, später nach Frankfurt am Main und wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie kurz nach der Ankunft starb. Regina Schlössinger wurde von Neckarzimmern aus nach Gurs deportiert. Sie starb 1943 im Lager Noe.

Heute leben in Billigheim keine Juden mehr. Die ehemalige Synagoge wurde 1952 von der Jewish Restitution Successor Organization in New York verkauft. Sie dient heute als Wohnhaus.

Ergänzung 2023:

Die ehemalige Synagoge diente bis etwa 1990 als Wohnhaus und wurde 1990 abgerissen.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Billigheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

 

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Landauer, Rudolf/Lochmann, Reinhart, Spuren jüdischen Lebens im Neckar-Odenwald-Kreis, hg. von Landratsamt NOK, Buchen 2008.
  • Metzger, Gabi, "...und gedenken der Vergangenheit...". Die Billigheimer Synagoge, in: Unser Land, Obrigheim 1987, S. 159-160.
  • Runow, Martin, „Die Stiftung eines Capitals von Anschel Goldenberger von Billigheim zur Errichtung eines Rabbinats zu Mosbach betr.“, in: Der Odenwald 44 (1997), S. 60-68.
  • Sparacio, Felicia, Erinnerung an jüdisches Leben in Billigheim - drei Konjunkturen, Oktober 2012, URL: https://docplayer.org/45763267-Erinnerung-an-juedisches-leben-in-billigheim-drei-konjunkturen.html (aufgerufen am 15.12.2022).
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 269-271.
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