Binau

Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Reichenbucher Str. 7 auf der Badischen Gemarkungskarte (1892-1898). Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge beschädigt. Das Haus blieb in umgebauter Form erhalten. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 175]
Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Reichenbucher Str. 7 auf der Badischen Gemarkungskarte (1892-1898). Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge beschädigt. Das Haus blieb in umgebauter Form erhalten. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 175]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das dem Ritterkanton Kraichgau inkorporierte Dorf Binau gehörte bis 1448 den Herren von Heimstatt und anschließend beinahe 200 Jahre den Herren von Bödigheim. Nach mehrfachem Besitzwechsel im 17. und 18. Jahrhundert erwarb es 1767 Graf Andreas von Riancour: Seine Tochter brachte den Besitz 1795 dem Grafen Klemens von Waldkirch in die Ehe ein. 1806 fiel es an Baden.

Die Entstehung der jüdischen Gemeinde in Binau, die seit 1827 zum Rabbinats­bezirk Mosbach gehörte, geht vermutlich in das 17. Jahrhundert zurück. Die Zahl der Juden war im Verhältnis zu den christlichen Einwohnern vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ziemlich hoch. 1825 zählte das Dorf 113 (34,8 Prozent von 325 Einwohnern), 1875 87 (21,1 Prozent von 412), 1900 57, 1925 27 (6,9 Prozent von 389) und 1933 20 Israeliten.

Die Synagoge wurde um 1790, die jüdische Volksschule vor 1835 erbaut. Der jüdische Friedhof befindet sich außerhalb der Ortschaft auf einer Anhöhe etwa 100 Meter hinter dem christlichen Friedhof. Wahrscheinlich wurde er im 18. Jahr­hundert angelegt.

1933 waren von den Juden in Binau 6 Viehhändler; Moritz Jesselsohn betrieb mit seinem Sohn Eugen zugleich eine Metzgerei. Samuel Eisemann war Inhaber eines Manufakturwarengeschäfts. Das Verhältnis zu den christlichen Mitbürgern war bis 1933 gut, verschlechterte sich aber dann zunehmend. Nachdem 1936 den Juden der Viehhandel verboten worden war, mussten sie von ihren Ersparnissen leben. Einige fanden christliche Arbeitgeber. Die Familien Moritz Jesselsohn und Wilhelm Kaufmann sowie Joseph Eisemann suchten sich in den USA eine neue Existenz. 6 Juden verzogen an einen anderen Wohnort in Deutschland. In Binau starb 1938 der Gemeindevorsteher Heinrich Würzburger. In der Kristallnacht wurde die Synagoge von auswärtigen SA-Leuten beschädigt. Fünf Männer wurden für mehrere Wochen nach Dachau ins KZ verbracht.

Die letzten 7 Binauer Juden wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert.

Von ihnen starben 1942 Albert Kaufmann im Lager Recebedou, Lina Edheimer im Hospital in Pau, der letzte Gemeindevorsteher Karl Kaufmann in Gurs. Seine Frau Rosa überlebte den Krieg in französischen Lagern und wanderte dann nach den USA aus. Adolf Edheimer, Fanny und Samuel Eisemann kamen im August 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz.

Die ehemalige Synagoge dient heute als Postagentur und Wohnung. Nur der Friedhof erinnert an die untergegangene jüdische Gemeinde.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Binau, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

 

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Die Binauer Juden, in: Binau, Kleinod am Neckar, hg. von Ernst Brauch, Binau 1969, S. 181-188.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Rullmann, Harald, Binau und seine Menschen in alten Aufnahmen, Horb am Neckar 2002.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 271-272.
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