Meckesheim 

Die ehemalige Synagoge in Meckesheim, Ende 1983. Die kleine Gemeinde wurde 1937 aufgelöst und das Haus verkauft. Das Gebäude dient seitdem als Wohnhaus. Auf dem Bild sind die beiden Eingänge erkennbar, vermutlich zum Betsaal und zur Empore für die Frauen. [Quelle: Alemannia Judaica, Foto: Joachim Hahn]
Die ehemalige Synagoge in Meckesheim, Ende 1983. Die kleine Gemeinde wurde 1937 aufgelöst und das Haus verkauft. Das Gebäude dient seitdem als Wohnhaus. Auf dem Bild sind die beiden Eingänge erkennbar, vermutlich zum Betsaal und zur Empore für die Frauen. [Quelle: Alemannia Judaica, Foto: Joachim Hahn]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das vormals kurpfälzische Dorf Meckesheim fiel 1803 an das Großherzogtum Baden. Um 1700 zog als erster Jude Moses Marx aus Dilsberg nach Meckesheim; er handelte mit Textilien und Früchten. Bald darauf erhielt auch sein Bruder Götz und wenig später dessen Sohn Maier Schutzrecht. Die Familie war begütert; Moses hatte ein eigenes Haus, größeres Kapitalvermögen und auswärtigen Grundbesitz. 1744 zahlten die inzwischen durch Heirat der Tochter des Götz auf drei angewachsenen jüdischen Haushalte 540 Gulden für die Erneuerung der Judenschaftskonzession durch Kurfürst Karl Theodor. Bis 1809 stieg die Zahl der Judenhaushaltungen durch die Aufnahme weiterer volljähriger Angehöriger der Familie Götz auf sieben an, wie aus der Liste zu entnehmen ist, die anlässlich der Annahme von Familiennamen in diesem Jahr erstellt wurde. Der jüdische Religionslehrer dieser Jahre stammte aus Polen. Für seine Dolmetscherdienste bei der russischen Einquartierung von 1813 erhielt er 8 Gulden von der Gemeinde. 1825 lebten in Meckesheim 40 Juden, 1843 52. Als Meckesheim nach der Jahrhundertmitte Eisenbahnknotenpunkt wurde, stieg die Zahl der Juden bis 1875 auf 63 an und fiel dann bis 1900 auf 48, bis 1925 auf 25 und bis 1933 schließlich auf 17 ab.

Eintrag für Salomon Eisenmann, geboren am 15. Februar 1818, im Standesbuch 1810-1869 der israelitischen Gemeinde Meckesheim. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 390 Nr. 1837, Bild 10]
Eintrag für Salomon Eisenmann, geboren am 15. Februar 1818, im Standesbuch 1810-1869 der israelitischen Gemeinde Meckesheim. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 390 Nr. 1837, Bild 10]

Bei der Einteilung der jüdischen Gemeinden von 1827 wurde Meckesheim anscheinend übersehen. Später zählte die jüdische Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Heidelberg. Ursprünglich wurde der Gottesdienst in einem Privathaus abgehalten. Aus der Zeit um 1700 stammte eine Thorarolle, die sich noch 1937 in der Synagoge befand. Diese wurde nach 1830 in der Leopoldstraße errichtet. Die Verstorbenen wurden ursprünglich auf dem Verbandsfriedhof in Wiesloch beigesetzt. Erst 1896 wurde ein eigener Friedhof hinter dem christlichen angelegt. Bis1935 wurden auf ihm 12 Verstorbene beigesetzt.

Zwischen 1850 und 1870 hielten viele auswärtige jüdische Ehepaare in Meckesheim Hochzeit. Die Gründe dafür sind wohl in der günstigen Verkehrslage und mehr noch in der gut geführten jüdischen Wirtschaft „Zur Krone" zu suchen. Im 20. Jahrhundert besaß die kleine Landgemeinde keinen eigenen Religionslehrer mehr, sondern wurde von Neidenstein aus mitversorgt. Durch Beschluss des Badischen Staatsministeriums vom 12. Oktober 1937 wurde sie aufgelöst und die wenigen Juden der Nachbargemeinde Neidenstein zugeteilt. Die Synagoge wurde wenige Wochen später verkauft.

Die Meckesheimer Juden lebten in geordneten Verhältnissen und konnten sich von jeher eines guten Rufes erfreuen. Zwischen ihnen und der christlichen Ortsbevölkerung herrschte Einvernehmen und gegenseitiges Vertrauen. Turnverein, Feuerwehr und Gesangverein hatten jüdische Mitglieder. Die Juden trieben Handel mit Landesprodukten, Textilien, Leder, Eisenwaren und Vieh. Um 1933 gab es eine Landesproduktenhandlung, ein Manufakturwarengeschäft und eine Gemischtwarenhandlung, die von Juden geführt wurden.

Von antisemitischen Ausschreitungen während des Dritten Reiches ist aus Meckesheim nichts bekannt. Der im ganzen Lande ausgeübte wirtschaftliche Boykott veranlasste auch hier die Juden, ihre Geschäfte zu schließen und auszuwandern; je 4 suchten in Holland und Brasilien, je 1 in Palästina und den USA eine neue Heimat.

In der Kristallnacht im November 1938 kam es zu keiner Judenaktion, da die Synagoge bereits verkauft war und keine 10 Juden mehr im Dorfe wohnten. Die letzten 4 jüdischen Einwohner wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. 1 von ihnen starb in Südfrankreich, 2 wurden in Auschwitz und 1 in Lublin-Maidanek ermordet. 3 weitere ehemalige Meckesheimer Juden sind in Gurs verschollen, 1 in Izbica und 3 in Deutschland verstorben. In Holland wurden 2 ausgewanderte Meckesheimer Juden von der Gestapo verhaftet und über das KZ Westerbork in das Todeslager Auschwitz abtransportiert.

Die ehemalige Synagoge dient heute als Wohnhaus und Schreinerwerkstätte.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Zimmermann, Friedrich, Ortsgeschichte des Kraichgaudorfes Meckesheim im Elsenztal, 1937.
  • Ders.: Die Juden in Meckesheim, Masch, 1936/37.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Meckesheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

 

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Wolber, Edith, Jüdisches Leben in Meckesheim bis 1940. Die vergessene Geschichte eines Kraichgaudorfes, Ubstadt-Weiher.
  • Zimmermann, Friedrich, Ortsgeschichte des Kraichgaudorfes Meckesheim im Elsenztal, 1937.
  • Zimmermann, Friedrich, Die Juden in Meckesheim, Maschinenschriftlich 1936/37.
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