Messelhausen 

Die ehemalige Synagoge in Messelhausen. Die kleine Gemeinde wurde Anfang der 1930er Jahre aufgelöst und das Gebäude verkauft. Die nach Umbau eröffnete Gastwirtschaft „Deutsches Haus“ wurde in den 1990er Jahren zum Wohnhaus umgebaut. [Aufnahme: Eva Maria Kraiss]
Die ehemalige Synagoge in Messelhausen. Die kleine Gemeinde wurde Anfang der 1930er Jahre aufgelöst und das Gebäude verkauft. Die nach Umbau eröffnete Gastwirtschaft „Deutsches Haus“ wurde in den 1990er Jahren zum Wohnhaus umgebaut. [Aufnahme: Eva Maria Kraiss]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Messelhausen befand sich seit dem 16. Jahrhundert im Besitz der zum fränkischen Ritterkanton Odenwald gehörenden Familie Zobel von Giebelstadt zu Darmstadt und (später) Messelhausen. 1803/04 und 1806 wurde das Dorf von Bayern besetzt und kam durch die Rheinbundakte, endgültig durch einen Staatsvertrag zwischen den Großherzogtümern Baden und Würzburg von 1807, an Baden.

Ende des 18. Jahrhunderts zog die Herrschaft zur Vermehrung der Einwohnerschaft von Messelhausen auch Juden in den Ort. 1783 wurde die erste jüdische Familie aufgenommen, der bis Mitte der 90er Jahre noch 4 oder 5 weitere folgten. Die Pfarrchronik sah dies als Unglück an, da bis dahin Messelhausen „von allen Religionsvermischungen rein war". Fast alle Juden erbauten oder erwarben Häuser in verschiedenen Dorfbezirken, für die sie außer dem Schutzgeld Grundzins und ritterschaftliche Schatzung zu entrichten hatten. Wegen des Mitgenusses an Weide, Wasser, Weg und Steg schlossen sie einen Vergleich mit der Gemeinde.

Die Zahl der Messelhausener Juden betrug 1825 35, stieg bis 1873 auf 86 und sank dann rasch bis 1900 auf 54 und bis 1925 auf 13. Sie belebten den Handel im Ort und gelangten meist zu Wohlhabenheit, teilweise auch zu Reichtum. In der Mehrzahl lebten sie vom Viehhandel und von Geldgeschäften. Der erste in Messelhausen aufgenommene Jude Feist betätigte sich in der Heilkunde. 1809 sind ein kleiner Kramladen mit Eil- und Spezereiwaren, ein Handel mit alten Kleidern, ein Handel mit Eilwaren und Hasenfellen und ein Trödelhandel in jüdischem Besitz. Ein zu Beginn des 19. Jahrhunderts betriebenes mittleres Bauerngut wurde bald wieder aufgegeben. Um die gleiche Zeit wurde eine jüdische Metzgerei errichtet. 1866 erbaute ein Jude das spätere Löwenwirtshaus.

1848 erhielten die Juden das Bürgerrecht. Da sie ihre Kinder in der christlichen Ortsschule unterrichten ließen, kam es zu einem 1851 durch das Innenministerium entschiedenen Streit um verschiedene Schulabgaben, welche die Juden nunmehr ebenso wie die Christen zu entrichten hatten. Der Religionsunterricht wurde anfänglich von dem in Messelhausen aufgenommenen Rabbi Lazarus Salba, der die Talmudschule zu Fürth besucht hatte, und den Eltern erteilt. Seit etwa 1830 gab es eigene jüdische Religionslehrer, die zugleich den Vorsänger- und Schächterdienst versahen. Streitfragen wurden zunächst von Lazarus Salba, später von einem Rabbi in Giebelstadt oder Grünsfeld geklärt. Seit 1827 wurde die jüdische Gemeinde Messelhausen dem Rabbinatsbezirk Wertheim zugeteilt, der seit 1886 von Mosbach aus verwaltet wurde.

Zunächst wurde der Gottesdienst im Hause des Lazarus Salba abgehalten, in dessen Keller sich auch das rituelle Bad befand; die zum Gottesdienst erforderliche Anzahl von 10 Männern über 13 Jahre erreichte man anfangs dadurch, dass man wandernde Betteljuden über den Sabbat im Ort behielt oder dass man Glaubensgenossen von Königshofen, Grünsfeld oder Edelfingen herbeiholte. 1858/59 wurde die Synagoge erbaut, in der auch die Lehrerwohnung Platz fand. Die Toten wurden auf dem jüdischen Friedhof im heute bayerischen Allersheim beigesetzt.

Als die jüdische Gemeinde 1931 bis auf zwei Familien zusammengeschrumpft war, erteilte das Staatsministerium die Genehmigung zu ihrer Auflösung. Die Synagoge wurde 1933 an einen Gastwirt in Messelhausen verkauft, der darin den Gasthof „Zum Deutschen Haus" einrichtete. Äußerlich steht der Bau heute noch unverändert.

Von den 6 Juden, die 1933 in Messelhausen wohnten, wurden 3 nach Gurs deportiert. Sie sind sämtlich umgekommen. Eine Jüdin konnte mit ihrer Familie nach den USA auswandern. Der Kaufmann Jakob Reis starb vor Beginn der Deportation. Lazarus Stein konnte als teilweise Gelähmter nicht mit nach Gurs transportiert werden wie seine dort verstorbene Frau. Er kam in das israelitische Altersheim nach Mannheim und von dort 1942 nach Theresienstadt, wo er wenige Wochen später verstarb.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Zehnter, Johann Anton, Geschichte des Ortes Messelhausen, 1901.

Ergänzung 2023:

In den 1990er-Jahren wurde das Gebäude der ehemaligen Synagoge zu einem Wohnhaus umgebaut.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Messelhausen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 407.
  • Zehnter, Johann Anton, Geschichte des Ortes Messelhausen, 1901, S. 251-260.
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