Strümpfelbrunn

Bereich um den Standort der Synagoge an der heutigen Kirchstraße auf der Badischen Gemarkungskarte (1901-1903). Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge geplündert und beschädigt. Einige Zeit später wurde das Gebäude verkauft und abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1832]
Bereich um den Standort der Synagoge an der heutigen Kirchstraße auf der Badischen Gemarkungskarte (1901-1903). Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge geplündert und beschädigt. Einige Zeit später wurde das Gebäude verkauft und abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1832]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Strümpfelbrunn stand unter kurpfälzischer Cent, während die vogteiliche Gerichtsbarkeit den Herren von Hirschhorn-Zwingenberg bis zu deren Aussterben im Jahre 1632 zustand. 1746 gelangte das Dorf durch Kauf an die Kurpfalz. 1803-1806 gehörte es zum Fürstentum Leiningen und fiel 1806 an Baden.

Kurfürst Karl Theodor (1742-1799) führte 1755 einen dritten Jahrmarkt in Strümpfelbrunn ein. Außerdem wurden jährlich 12 Viehmärkte gehalten, die von den Juden der Umgebung rege besucht wurden. über die Entheiligung des Sonntags durch das laute Markttreiben, besonders der Juden, wurde ständige Klage geführt. Isaak von Zwingenberg musste deswegen einmal 45 Kreuzer Strafe zahlen.

1757 wohnten in Strümpfelbach ein Jude, der wegen Armut von allen Abgaben frei war, und eine Jüdin, die als Witwe nur die Hälfte des Schutzgeldes, nämlich 15 Gulden zu zahlen hatte. Bis 1825 vermehrte sich die Zahl der Israeliten auf 60 (11,5 Prozent von 520 Einwohnern), bis 1860 auf 73. Dann ging sie wieder stetig zurück: 1875 50, 1900 41, 1925 23 und 1933 19.

Den Gottesdienst hielten die Juden bis um 1830 in einem Privathaus. Das Obergeschoß wurde 1831 zu einem Synagogenraum ausgebaut, da die Kultgemeinde ständig anwuchs. Im Erdgeschoß erhielt der Vorbeter eine Wohnung. Seit 1827 gehörte Strümpfelbrunn zum Rabbinatsbezirk Mosbach. Ihre letzte Ruhestätte fanden die Israeliten von Strümpfelbrunn auf dem jüdischen Friedhof in Hirschhorn/Hessen. Das Frauenbad wurde schon lange nicht mehr benutzt und 1937 wegen Baufälligkeit verkauft. Als die jüdische Gemeinde 1931 ihr 100jähriges Synagogenjubiläum feierte, gedachte sie auch ihrer drei jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs.

Die Israeliten in Strümpfelbrunn lebten in der Hauptsache vom Viehhandel. 1933 war Salomon Bär Viehhändler und Landwirt, Alex Monatt Viehhändler und Heinrich Israel Inhaber des Gasthauses „Zum Löwen"; auch er trieb nebenher Viehhandel. Seine Gastwirtschaft und Fremdenpension wurde von Juden und Christen aufgesucht. Aufs ganze gesehen lebten die seit Generationen hier ansässigen Israeliten mit den übrigen Bürgern in gutem Einvernehmen.

Das nationalsozialistische Regime brachte für die Juden in Strümpfelbrunn zunächst keine größeren Beeinträchtigungen, da sie keine Ladengeschäfte besaßen. Umso härter trafen sie die Gewalttaten der Kristallnacht im November 1938.

Fanatisierte Parteigenossen demolierten die Synagoge in der Kirchenstraße und verbrannten die Thorarollen. Dann tranken sie die Weinvorräte im „Löwen" leer, schlugen in der Gaststube alles kurz und klein und zündeten schließlich das ganze Wirtshaus an. Die herbeigeeilte Feuerwehr wurde am Löschen gehindert. Synagoge und „Judenwirtschaft" wurden später abgerissen. Die meist schon älteren jüdischen Männer wurden in der Kristallnacht verhaftet. Heinrich Israel floh mit seiner Frau zu seiner Tochter nach Köln und wanderte von dort nach den USA aus. Am 1. September 1939 lebten noch 16 Juden in Strümpfelbrunn, von denen 3 nach den USA und 1 nach Argentinien auswanderte; 2 zogen um und 1 starb noch hier. Die letzten 8 jüdischen Einwohner wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Im Dezember 1940 starben im Lager Gurs Salomon Bär und Josef Monatt. Julchen Bär und ihr Sohn Ferdinand, sowie Rosa Bauer und Alex Monatt mussten im August 1942 den Weg in das Vernichtungslager Auschwitz antreten. Die 1933 geborene Tochter der Rosa Bauer, die aus einem israelitischen Kinderheim in Karlsruhe nach Gurs deportiert worden ist, konnte nach den USA auswandern. Ihr Vater emigrierte nach Österreich. Im Oktober 1938 wurde er dort verhaftet und in das KZ Buchenwald eingeliefert. Nach Kriegsausbruch war er als Zwangsarbeiter in Eisenerz/Österreich eingesetzt; 1942 wurde er nach Minsk in Polen deportiert und vermutlich dort ermordet.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Braun, Ludwig, Chronik des Evangelischen Kirchspiels Strümpfelbrunn, der Pfarr uf dem Winteraw, 1897.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Strümpfelbrunn, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Scherg, Leonhard, „Das Fotoalbum von Serry Adler aus Urspringen“.
  • Schultheis, Herbert, Die Reichskristallnacht in Deutschland nach Augenzeugenberichten, (Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde Frankens, Bd. 3), Bad Neustadt a. d. Saale 1986, S. 114-115.
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