Worblingen

Situationsplan für das Wohn- und Ökonomiegebäude des Herz Guggenheim in Worblingen, Baugesuch in den Ortsakten von Worblingen (1879-1908). [Quelle: Landesarchiv BW, StAF B 715/1 Nr. 1239]
Situationsplan für das Wohn- und Ökonomiegebäude des Herz Guggenheim in Worblingen, Baugesuch in den Ortsakten von Worblingen (1879-1908). [Quelle: Landesarchiv BW, StAF B 715/1 Nr. 1239]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das Dorf Worblingen war zusammen mit der gleichnamigen, zum Ritterkanton Hegau gehörenden Herrschaft 1603 im Besitze der Herren von Danketschweil. Von diesen gelangte sie 1696 an die Grafen von Thurn und Taxis. Danach wurde die Herrschaft durch die Hegau-Ritterschaft eingezogen und 1706 an die Frei­herren von Liebenfels veräußert. 1806 kam Worblingen durch Staatsvertrag zwi­schen Baden und Württemberg an Baden.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg ließen sich in Worblingen, vielleicht um die gleiche Zeit wie in Gailingen und Randegg - 1655 oder 1657 -, Juden nieder. Wahrscheinlich waren sie aus dem Thurgau zugewandert. 1666 zählte man 3 jü­dische Familien, 1675 5 und 1696 6. 1675 beantragte die Ortsgemeinde beim Oberamt Nellenburg, man möge die Juden zu den Abgaben beiziehen. 1685 verbot die Stadt Stockach dem Juden Judas Joseph aus Worblingen den Handel mit ihren Bürgern. Um 1770 führte der Jude Jakob Weil mit zwei Knechten Zucker, Kaffee und andere Waren bis in die Baar und in das Kinzigtal. 1775 lieh die Judenschaft einem Lämle Guggenheim 50 Gulden. Fünf Jahre später wurde sie als vermögens­los bezeichnet. 1780 gab es in Worblingen drei jüdische Familien, 1782 sechs. 1816 betrug die Zahl der Juden 46, 1825 63 und stieg bis 1857 auf 139 an, schrumpfte jedoch bis 1875 auf 95, bis 1900 auf 8 zusammen; 1908 zog der letzte Jude, 1910 die letzte Jüdin aus Worblingen fort.

In der Hauptsache trieben die Worblinger Juden Viehhandel. Als 1845 der Jude Weil von Randegg die Worblinger Grundherrschaft erworben hatte, kauften Worblinger Juden einen großen Teil der Liegenschaften, darunter auch das Schloss, in das ein Krämerladen eingebaut und die schon ältere, bis 1862 betriebene Wirtschaft zum „Blumenkranz" verlegt wurde. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstand in Worblingen eine jüdische Volksschule.

Bei den Kämpfen um die Gleichstellung der Juden in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts trat die Worblinger jüdische Gemeinde besonders aktiv in Erscheinung. Sie gehörte 1863 auch zu den Gemeinden, die gegen die Benachteili­gung der badischen Juden im Staatsvertrag zwischen Baden und der Schweiz heftig protestierten. Infolge der raschen Abnahme seit etwa 1860 durch Abwanderung nach Konstanz, Freiburg und in die Schweiz wurde die seit 1827 zum Synagogen­bezirk Gailingen gehörende Gemeinde 1902 aufgelöst; die noch vorhandenen drei Mitglieder wurden der Gemeinde Konstanz zugeteilt.

Nachdem bereits 1775 ein Jude erlaubt hatte, dass in seinem Hause Singener Straße 180 Schule abgehalten wurde, richtete man um 1808 in diesem Gebäude eine Synagoge ein. 1906 wurde das Anwesen auf Abbruch verkauft; an seiner Stelle steht heute ein Wohnhaus, in das der alte Synagogentürsturz eingebaut wurde. 1857, zur Zeit ihres größten Umfanges, erwarb die jüdische Gemeinde ein Gelände im Burgstall zur Anlage eines eigenen Friedhofs, nachdem bis dahin die Toten auf dem Verbandsfriedhof in Gailingen bestattet worden waren. Nur er erinnert noch an die Juden von Worblingen.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Zinsmayer, Emil und Wieland, Karl, Worblingen, Geschichte eines ehemaligen Ritterdorfes des Kanton Hegau, 1952.

Ergänzung 2023

Das Wohnhaus, in das der alte Synagogentürsturz eingebaut worden war, ist heute nicht mehr erhalten.

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Worblingen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Bamberger, Naftali Bar-Giora, Der jüdische Friedhof in Gailingen, 1994.
  • Graf, Ottokar/Timm, Hermann, Jüdische Vergangenheit in Worblingen, in: Berichte des Museumsvereins Worblingen.
  • Streit, Gertrud, Geschichte des Dorfes Rielasingen, (Hegau-Bibliothek, Bd. 82), 1993.
  • Timm, Hermann, „Ein verdienter Mitbürger aus Worblingen“.
  • Zinsmayer, Emil/Wieland, Karl, Worblingen. Geschichte eines ehemaligen Ritterdorfes des Kantons Hegau, 1952.
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