Arbeitswelt - Einsatz von Fabrikpflegerinnen in Hohenzollern

Florian Brückner, Universität Stuttgart

Fabrikpflegerinnen zur Verbesserung der Situation von Frauen an ihren Arbeitsplätzen, (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Ho 278 T 1 Nr. 12, Bild 2)
Fabrikpflegerinnen zur Verbesserung der Situation von Frauen an ihren Arbeitsplätzen, (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Ho 278 T 1 Nr. 12, Bild 2)

Kontext

Der Erste Weltkrieg förderte die Frauenerwerbstätigkeit. Mit der Einberufung der Männer zum Wehrdienst übernahmen die an der ‚Heimatfront‘ gebliebenen Frauen kriegswichtige Aufgaben in all jenen wirtschaftlichen Bereichen, die zuvor von Männern besetzt worden waren. In den ersten zwei Kriegsjahren verlief diese Neubesetzung der Arbeitsplätze provisorisch und unstrukturiert. Sowohl die Verantwortlichen des Kriegsamtes – einer 1916 ins Leben gerufenen staatlichen Behörde für Kriegswirtschaft – als auch jene des preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe sahen aufgrund des 1917 noch immer nicht absehbaren Endes des Weltkrieges die Notwendigkeit, die in den Fabriken und Betrieben beschäftigten Frauen längerfristig in ihrer Arbeitsausübung zu unterstützen, ja überhaupt die Arbeitswelt an die spezifisch weiblichen Bedürfnisse anzupassen. Hierzu zählte insbesondere die Idee, mithilfe sogenannter Fabrikpflegerinnen den Arbeiterinnen staatlicher und privater Betriebe Vertrauens- und Aufsichtspersonen an die Seite zu stellen.

Quelle

Während die Geschichtsforschung die Veränderung der Arbeits- und Lebenswelten vor allem in deutschen Großstädten gut erforscht hat, sind die Veränderungen in kleineren Kommunen mit unter 5.000 Einwohnern, wie sie für Hohenzollern charakteristisch waren, noch weitestgehend unbekannt. Gerade diese Arbeitswelten, die insbesondere von der Landwirtschaft und kleingewerblicher Produktion – in Hohenzollern insbesondere der Textilproduktion – abhängig waren, wurden vom Abzug der männlichen Arbeitskräfte hart getroffen. Der Ersatz der Arbeitskräfte in den Betrieben gehörte im Regierungsbezirk zu den existenziellen Aufgaben im wirtschaftlichen Bereich.

Die vorliegende Akte enthält den diesbezüglichen Schriftverkehr inklusive der zugehörigen Denkschriften, die in Hohenzollern zur Einführung von Fabrikpflegerinnen führten, und weiteren Überlegungen zur Verbesserung der Situation von Frauen an ihren Arbeitsplätzen. 1917 forderte das königliche Kriegsamt die unteren Regierungsebenen und Bezirke dazu auf, fortan sogenannte Fabrikpflegerinnen in den gewerblichen Betrieben einzustellen. Sie sollten Vertrauenspersonen für die arbeitenden Frauen und Mädchen darstellen, und zwar nicht nur in ihrem Arbeitsumfeld, sondern ebenfalls in privaten Lebensbereichen, wie jene der Ernährung oder der Kinderversorgung. Die Vielzahl der mit Frauen besetzten Arbeitsstellen schien eine solche Einführung im dritten Kriegsjahr notwendig zu machen, weil Frauen nun auch an solchen Arbeitsplätzen eingesetzt wurden, die, wie die Rüstungsindustrie, traditionell als Männerdomäne gegolten hatten. Gerade hier ergab sich das Problem, dass neu eingesetzte Frauen weiterhin unter der Aufsicht männlichen Personals standen. Ein solches hierarchisches Verhältnis zwischen arbeitenden Frauen und sie beaufsichtigenden Männern hatte oftmals ein problematisches, von geschlechtsspezifischen Spannungen geprägtes Arbeitsklima zur Folge. Diese Konflikte sollten mithilfe des neu entwickelten Fabrikpflegerinnenprogramms entschärft bzw. gelöst werden.

Dabei stellte die Einführung von Fabrikpflegerinnen keine grundstürzende Neuerung für Frauen im Arbeitsleben dar. Bisher waren die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen dem ja bereits zu Kriegsbeginn 1914 entstehenden Problem mit dem Einsatz sogenannter Gewerbeinspektionsassistentinnen begegnet. Diese waren allerdings nicht zu einem festen personellen Bestandteil der Fabriken geworden und konnten aufgrund ihrer, in erster Linie auf Gewerbekontrollen abgestellten Funktion ebenso wenig auf die Bedürfnisse der ständig wachsenden weiblichen Belegschaft eingehen. Der Staat bzw. die auf kommunaler Ebene agierenden Regierungen sollten in diese Entwicklung nicht als staatliche Obrigkeit eingreifen; Handel und Wirtschaft sollte es selbst überlassen bleiben, Fabrikpflegerinnen einzustellen.

Ziel und Zweck des Einsatzes von Fabrikpflegerinnen, so hielt der Erlass des Ministeriums für Handel und Gewerbe fest, war es, den verrohenden Einfluss, „den die Fabrikarbeit auf die weibliche Jugend ausübe“, zu mildern. Denn „wenn in den Fabriken die weibliche Aufsicht anstelle der männlichen träte“, womit vor allem der Einsatz „gebildete[r] Frauen“ gemeint war, erhoffte man sich, die weibliche Jugend zu schützen. Diese „Vertrauensdamen“ sollten zwischen den Arbeiterinnen vermitteln und helfen, soziale Gegensätze zu entschärfen. Darüber hinaus hatten sie ebenfalls Aufsichts- und Kontrollfunktionen im Betrieb zu übernehmen, um die Ordnung in den Produktionsstätten aufrechtzuerhalten. Ferner zeichneten sie sich in ihrer übergreifenden, die Arbeitsintegration fördernden Funktion, wie die Inbetriebnahme und Instandhaltung von Umkleide-, Wasch- und Badeeinrichtungen, verantwortlich. Als Mediatoren sozialer und arbeitsrechtlicher Konflikte sollten sie Beschwerden an die Chefetage kommunizieren und zur Entschärfung arbeitsbedingter Probleme beitragen, „und zwar nicht als die Vorgesetzte, sondern als die wohlwollende, strenge gerechte Beraterin.“

Zwar ist zum spezifischen Einsatz von Fabrikpflegerinnen im Regierungsbezirk nichts Genaueres bekannt; ein Blick auf die, trotz der Kriegsjahre jedoch prosperierende Wirtschaft im Agrar- und Textilbereich legt jedoch den Schluss nahe, dass die Neubesetzung der Arbeitsplätze der Männer durch die Frauen in den Hohenzollerischen Landen half, diese vergleichsweise positive Wirtschaftslage zu begünstigen. Problematischer stellte sich hier vielmehr im politischen Übergangsprozess 1917-23 die Heimkehr der Veteranen dar, die auf die Übernahme ihrer alten Arbeitsplätze pochten und Frauen aus ihren Positionen verdrängten.

GND-Verknüpfung: Arbeitswelt [4002805-7]

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Erhöhter Schutz für Frauen