null

Der Tübinger Vertrag

 Der Tübinger Vertrag (Quelle: LABW)
Landtagsabschied (Tübinger Vertrag), Bild 2 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS A 37 U 1 a]

Im Sommer 1514 brach in weiten Teilen des Herzogtums Württemberg ein Aufstand aus, der die Herrschaftsgrundlage Herzog Ulrichs zu gefährden drohte. Anlass für die Erhebung der Untertanen war die Einführung einer neuen Verbrauchssteuer der herzoglichen Regierung auf wichtige Lebensmittel. Durch den aufwändigen Lebensstil des jungen Herzogs Ulrich war die Verschuldung des Landes sprunghaft gestiegen. Über Steuererhöhungen versuchte die Regierung der Finanzkrise zu begegnen. Gleichzeitige Maßnahmen zur Ausdehnung der landesherrlichen Gewalt über das Territorium schränkten die Autonomie der Untertanen ein und verstärkten Unruhe und Widerstand.

Herzog Ulrich von Württemberg konnte die durch den Volksaufstand des „Armen Konrad“ eskalierte Regierungskrise nur dadurch lösen, dass er den bürgerlichen Landständen in Bezug auf politische Mitsprache und auf Freiheitsrechte für alle seine Untertanen weitgehende Zugeständnisse machte. Im Tübinger Vertrag vom 8. Juli 1514 erhielt der Herzog die Unterstützung der Landstände gegen den Aufstand und erreichte die Übernahme seiner Schulden durch die Landschaft. Den Ständen wurde dafür das Recht der Steuerbewilligung, das Vetorecht bei Veräußerung von Landesteilen, Mitsprache über Krieg und Frieden, Rechtssicherheit in Strafsachen, das Recht freier Auswanderung und eine gewisse Mitwirkung bei der Gesetzgebung zugestanden.

Der Tübinger Vertrag blieb über 300 Jahre das zentrale Dokument der landständischen Verfassung Württembergs – jeder neue Landesherr musste ihn bei Herrschaftsantritt bestätigen. Im Gegensatz zum Bauernkrieg von 1524/25 und seiner brutalen Niederwerfung durch die Fürsten, führte die durch den „Armen Konrad“ 1514 ausgelöste Regierungskrise in Württemberg somit zu einer nachhaltigen Veränderung der staatlichen Ordnung des Herzogtums. Trotzdem wird der Tübinger Vertrag in der Geschichtswissenschaft unterschiedlich gewertet, denn der Vertrag sicherte zwar dauerhaft die Mitspracherechte der "selbstbewussten Ehrbarkeit", also der führenden Familienclans des Landes, gegenüber dem Herzog, schloss aber ebenso dauerhaft den "gemeinen Mann" von der politischen Mitwirkung aus. So gilt der Vertrag für die einen als württembergische „Magna Charta“, für die anderen ist er ein Paradebeispiel dafür, dass die württembergische „Ehrbarkeit“ allein im Interesse ihrer eigenen Machtstärkung handelte. (JH)

00

More Blog Entries

Suche

LEO-BW-Blog

Logo LEO-BW-Blog

Herzlich willkommen auf dem LEO-BW-Blog! Sie finden hier aktuelle Beiträge zu landeskundlichen Themen sowie Infos und Neuigkeiten rund um das Portalangebot. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu den einzelnen Posts.

Über den folgenden Link können Sie neue Blog-Beiträge als RSS-Feed abonnieren: 

https://www.leo-bw.de/web/guest/blog/rss