Das Kindererholungsheim in Zell-Mambach im Wiesental

von Sarah Trinler

Die Bergklause „Maria Frieden“ in Mambach wurde von den 50er- bis in die 90er-Jahre als sogenanntes Kindererholungsheim geführt. Für Kinder – meist aus dem Ruhrgebiet –, die zu dick oder zu dünn gewesen sein sollen, die Asthma, Neurodermitis oder ähnliches hatten, bestand die Möglichkeit, sie in den Schwarzwald zur Erholung zu schicken. In der Bergklause herrschte ein strenges Regiment, weit weg von der Familie war der „Kuraufenthalt“ für viele Kinder traumatisch.

Die Bergklause in Mambach – sie liegt im Dreiländereck, rund 30 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt – wurde von Pfarrer Eugen Thoma 1947 als Heim für Kriegswaisen errichtet. Aus dem Flüchtlingsheim wurde wenige Jahre später ein Kindererholungsheim mit 60 bis 80 Betten. Pfarrer Thoma leitete das Heim bis zu seinem Tod im Jahre 1980. Bis Anfang der 90er-Jahre wurden Kinder für einen mehrwöchigen Aufenthalt in die Bergklause geschickt.

Vor Ort stößt die Recherche zu weiteren Informationen über das ehemalige Kinderheim schnell an ihre Grenzen. Im Ortsarchiv Mambach gibt es nur dürftige Informationen, im Archiv des Landkreises Lörrach ist nichts zu finden, die örtliche Kirchengemeinde gibt an, keine Unterlagen dazu zu haben, und mögliche Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geben wenig oder gar keine Auskunft.

Nicht nur ein Großteil der Kinder war damals aus Nordrhein-Westfalen gekommen, auch viele Erzieherinnen der Bergklause stammten von dort. Einige von den damals jungen Frauen leben noch heute in Zell im Wiesental – sie hatten hier ihre späteren Ehemänner gefunden. In der Gemeinde ist noch heute bekannt, wer damals als Erzieherin im Kinderheim gearbeitet hatte. Ausfindig gemacht sind die Personen also schnell – sprechen möchten nur die wenigsten. „In unserer Zeit war das halt ein bisschen streng“, sagt eine ehemalige Erzieherin, die nicht namentlich genannt werden möchte. Mehr ins Detail gehen möchte sie nicht. „Die Zeit liegt hinter mir. Es war keine schöne Zeit, wir sind alle von der Heimleitung ausgenutzt worden.“ Die Erzieherinnen lebten nach eigenen Angaben zusammen in einem Zimmer unter dem Dach, zum Essen hätten sie das gleiche wie die Kinder bekommen.

Vom Essen in der Bergklause berichten auch ehemalige Verschickungskinder, die über den Verein „Aufarbeitung Kinderverschickungen Baden-Württemberg“ ausfindig gemacht werden konnten. Eine dicke Haferschleimsuppe wurde den Kindern täglich vorgesetzt. Der Teller musste leer sein, vorher durfte nicht aufgestanden werden. Behandlungen oder ähnliches gab es nicht. Einmal in der Woche wurden die Kinder gewogen, und einmal in der Woche wurden Briefe an die Eltern geschrieben. Solche mit negativem Inhalt wurden nicht abgeschickt und mussten neu geschrieben werden. Die Erzieherinnen waren sehr streng, die Kinder mussten sie mit „Tante“ ansprechen. Nachts herrschte strikte Bettruhe, die Toilette durfte nicht aufgesucht werden. Wer nicht schlief oder ins Bett gemacht hatte, musste zur Strafe nur in Unterwäsche bekleidet barfuß auf den Flur stehen.

Anfang der 90er-Jahre endete dann die Kinderverschickung in der Bergklause. Von 1994 bis 2011 gehörte das Gebäude dem Orden der Pallottiner und wurde als geistliches Zentrum genutzt. 2011 ist das Haus in private Hände übergegangen. Die jetzigen Besitzer sind offen für die Aufarbeitung der Geschichte der Bergklause und gewährten ehemaligen Verschickungskindern Einblicke. Ansonsten wird das Anwesen etwa für Yoga-Seminare genutzt.

Zur Autorin: Sarah Trinler ist seit 2019 Redakteurin bei der Badische Zeitung. Zuvor hat sie unter anderem als Freie Journalistin für verschiedene Medien im Landkreis Lörrach gearbeitet.

Literatur

  • Kiefer, Peter, Damit Frieden bleibt im ganzen Tal. Dokumentation über die Geschichte der Kapelle Maria Frieden, Zell im Wiesental 2021.
  • Döbele, Hubert, Bergkapelle wurde „Tankstelle“ für geistiges Leben, in: Badische Zeitung vom 27. Mai 2011.
  • Hänel, Berthold, Maria Frieden – ein ständiges Mahnmal, in: Die Markgrafschaft, Heft 11/1962, S. 2.
  • Landesarchiv Baden-Württemberg, Verzeichnis der Kinderkurheime in Baden-Württemberg (1949 - ca. 1980). Erste Fassung zur öffentlichen Kommentierung, Stuttgart 2022.

Zitierhinweis: Sarah Trinler, Das Kindererholungsheim in Zell-Mambach im Wiesental, in: Heimkindheiten, URL: […], Stand: 21.02.2024.