Das Kindersanatorium Dr. Huber in Bad Dürrheim

von Johanna Weiler

Das Kindersanatorium Dr. Huber in Bad Dürrheim war eine gemeinnützige Stiftung. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass sich zu diesem Kindersanatorium im Staatsarchiv Freiburg eine fast 600 Seiten dicke Akte erhalten hat. Gemeinnützige Stiftungen bedurften nämlich einer Genehmigung und weiteren Beaufsichtigung durch das Regierungspräsidium. In diesem Fall war das Regierungspräsidium Südbaden zuständig.

Die Akte gibt zunächst Aufschluss über die Umstände der Stiftungsgründung nach dem Tod der Stifterin Dr. Maria Huber 1964. Sie hatte das Kindersanatorium 1949 von ihrer Mutter übernommen. Die Familie Huber war eine Bad Dürrheimer Ärztedynastie. So befand sich das Kindersanatorium in der Huberstraße, die zu Ehren des Vaters der Stifterin benannt wurde. Maria Huber verfügte, dass die Einrichtung nach ihrem Tod von einer Stiftung betrieben werden sollte. Diese wurde im Laufe des Jahres 1965 gegründet. Die Verwaltung der Stiftung erfolgte durch einen Verwaltungsrat, über dessen Zusammensetzung Maria Huber selbst entschieden hatte. Als Vorsitzender wurde Karl Brachat ernannt, ein Oberschulrat und Mitglied des Landtages. Neben zwei Geistlichen und einem Finanzexperten gehörte auch Georg Huber dem Verwaltungsrat an. Er war der Bruder der Stifterin und fungierte gleichzeitig als ärztlicher Leiter des Sanatoriums. Die Praxisräume, die zum Heim gehörten, wurden an ihn vermietet.

Der Verwaltungsrat bestellte als Geschäftsführerin Rosel Schmitz. Sie war eine ausgebildete Kindergärtnerin, die ihre Wohnung im Sanatorium bezog.

Die Akte enthält für jedes Jahr mindestens ein Protokoll des Verwaltungsrats sowie einen Haushaltsplan und eine Jahresendrechnung. Die Stifterin war davon ausgegangen, dass sich das Heim selbst tragen würde und sogar in der Lage sei, Gewinn zu erwirtschaften. Die Verschickungsheime hatten in der Regel feste Vertragspartner, denen sie ein vereinbartes Kontingent an Plätzen zusicherten und dafür bestimmte Tagessätze erhielten. Trotz dieser Vertragspartner gestaltete sich die wirtschaftliche Lage von Jahr zu Jahr schwieriger. Ein entscheidender Aspekt waren dabei sicherlich die immer weiter steigenden Personal- und Lebenshaltungskosten. Dies lässt sich anhand der Haushaltspläne sehr gut nachvollziehen. Auf der Einnahmenseite wurde versucht, dies durch eine stetige Erhöhung der Tagessätze für die aufgenommenen Kinder wieder auszugleichen. Dabei wurde zwischen sogenannten „Sozialkindern“ und „Privatkindern“ unterschieden, also solchen, die von Sozialversicherungsträgern verschickt wurden und solche, bei denen die Eltern die Kosten selbst trugen. Im Jahr 1964 betrug der Anteil an „Privatkindern“ noch etwa ein Drittel der aufgenommenen Kinder. Im Jahr 1974 war nicht einmal jedes zehnte Kind ein „Privatkind“. Die Abhängigkeit von den Vertragspartnern war also deutlich gestiegen. Um die laufenden Kosten zu decken, wurden die Tagessätze für „Sozialkinder“ in diesem Zeitraum von 9 auf 21 DM und die der „Privatkinder“ von 15 auf 25 DM erhöht. Gleichzeitig fand jedoch keine einzige Mietanpassung bei den an Dr. Huber vermieteten Praxisräumen statt. Es ist davon auszugehen, dass hier eine Vorteilsnahme seitens eines Mitglieds des Verwaltungsrates stattfand.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Entwicklung der Belegungszahlen in diesem Zeitraum. In den ersten Jahren, also 1965 und 1966, ging man noch von einer „günstigen Entwicklung der Frequenz“ aus und konnte sich darauf verlassen, dass beispielsweise der Caritasverband Konstanz immer wieder Kinder zuwies. Als weitere Vertragspartner werden im weiteren Verlauf noch die Bundesversicherungsanstalt und die Landesversicherungsanstalten Baden sowie Württemberg genannt. Erste Probleme werden im Verwaltungsratsprotokoll vom Februar 1970 dokumentiert, wenn es heißt: „Die ersten 3-4 Monate im Jahr sind immer als sehr schwache Monate gekennzeichnet. Diese sogenannte ruhige Zeit bringt auch bei großen Anstrengungen keine bessere Frequenz.“ Die Lage spitzte sich in den Folgejahren noch weiter zu, da die Verschickung von Kindern durch verschiedene Träger ausblieb. Ein Grund wird dafür auch genannt: So zögen viele Eltern einen Verschickungsaufenthalt für ihre Kinder nur noch in Erwägung, wenn dies innerhalb der Ferienzeit geschehen könne. Die schulischen Anforderungen seien gestiegen. Für die ganzjährig auf Vollbelegung angewiesenen Heime war das ein bedeutendes Problem.

Im November 1974 beantragte schließlich der Verwaltungsrat die Auflösung der Stiftung. Das Gremium sah die Stiftung nicht mehr in der Lage, ihren Stiftungszweck zu erfüllen. Rosel Schmitz, die Geschäftsführerin, war kurz zuvor unerwartet verstorben. Es machte sich zudem in Bad Dürrheim bemerkbar, dass sich das Kinderverschickungsgeschäft dem Ende zuneigte. Es werden im Schriftverkehr fünf weitere Bad Dürrheimer Heime genannt, die zuvor wegen mangelnder Rentabilität hätten schließen müssen. Im Falle des Kindersanatoriums Dr. Huber kam noch ein weiterer Punkt hinzu: Das Gebäude war stark sanierungsbedürftig. Die Zustände waren offenbar derart untragbar, dass manche Eltern ihre privat angemeldeten Kinder nach der Besichtigung des Hauses sofort wieder mit nach Hause nahmen. Es wird aus der Akte deutlich, welches Gefälle zwischen den sog. „Privatkindern“ und „Sozialkindern“ bestand: Bei Letzteren hatten die Eltern keine Chance, die Gegebenheiten vor Ort selbst in Augenschein zu nehmen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit der Wunsch der Einrichtungen, dass die Eltern möglichst fernblieben, auch verhindern sollte, dass konkrete bauliche und hygienische Mängel ersichtlich wurden.

Die Stiftung wurde schließlich am 25. März 1975 aufgelöst. Das Regierungspräsidium hatte vorgeschlagen, das restliche Stiftungsvermögen – unter anderem das fast 3.000 m² große Grundstück samt Immobilien „in bester Ortslage von Bad Dürrheim“ – zu kapitalisieren und die Erträge weiterhin für den Stiftungszweck einzusetzen. Also beispielsweise zur Unterstützung kranker Kinder, denen aufgrund einer Erwerbslosigkeit der Eltern keine Kur durch die Krankenkasse finanziert werden konnte. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Verwaltungsrat und die beauftragte Kanzlei ab. Sie argumentierten, dass Maria Huber mit ihrem Testament auch ihre Geschwister und deren Nachkommen versorgt wissen wollte. Das Stiftungsvermögen ging schließlich an die Erbengemeinschaft – zu der auch zwei Mitglieder des Verwaltungsrates gehörten.

Quelle

StAF F30/1 Nr. 5006

Zitierhinweis: Johanna Weiler, Das Kindersanatorium Dr. Huber in Bad Dürrheim, in: Heimkindheiten, URL: […], Stand: 21.02.2024.