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Fotomontagen im 19. und 20. Jahrhundert

 Familienbild im Freien [Quelle: Bezirksmuseum Buchen]
Familienbild im Freien [Quelle: Bezirksmuseum Buchen, Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/]

Was macht man, wenn ein wichtiger Verwandter bei der Hochzeit nicht dabei sein kann? Ganz einfach: Man montiert ihn nachträglich ins Bild. So geschehen bei diesem Familienporträt des Buchener Fotografen Karl Weiß. Karl Weiß unterhielt über fast vier Jahrzehnte ein Fotografenatelier in Buchen, das er 1894 zusammen mit seinem Vater gegründet hatte. Weiß hatte zuvor in Karlsruhe eine Fotografenausbildung absolviert und daneben Zeichenkurse an der Kunstgewerbeschule besucht.

Das Atelier von Karl Weiß öffnete in einer Zeit, in der Versuche, Bilder durch optisch-chemische Verfahren zu fixieren, noch in den Anfängen steckten. Als erstes erfolgreich aufgenommenes und erhaltenes Foto der Welt gilt der „Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras“, den der Franzose Nicéphore Niépce 1826 auf einer asphaltbeschichteten Zinnplatte festhielt ‒ mit einer Belichtungszeit von acht Stunden. Im Jahr 1840 gelang es schließlich die Belichtungszeiten soweit zu reduzieren, dass Aufnahmen von Personen möglich wurden. In dieser Zeit entstanden auch erste kommerzielle Fotoateliers. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die Fotografie dank zahlreicher optischer, chemischer und mechanischer Innovationen rasch fort. Frederic Scott Archer verbesserte 1851 das Negativ-Positiv-Verfahren erheblich, indem er mit Kollodium überzogene Glasplatten als Schichtträger verwendete.

Archers sogenanntes „nasses Kollodiumverfahren“ war zwar umständlich ‒ die Platten mussten in feuchtem Zustand belichtet und sofort entwickelt werden ‒, doch es verdrängte in Europa schon Ende der 1850er Jahre die Daguerreotypie. Der Umgang mit Glasplattennegativen vereinfachte sich dann erheblich gegen Ende der 1870er Jahre, als die von Richard Leach Maddox erfundene Gelatine-Trockenplatte marktreif wurde. Glasplattennegative blieben bis in die 1950er Jahre hinein in Gebrauch.

 Ehepaar Hemberger aus Bödigheim (Quelle: Bezirksmuseum Buchen)
Ehepaar Hemberger aus Bödigheim [Quelle: Bezirksmuseum Buchen, Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/]

Karl Weiß Atelieraufnahmen von Vereinen, Hochzeitsgesellschaften, Familien und Einzelpersonen, dazu Außenaufnahmen in Buchen und den umgebenden Gemeinden summieren sich zu seinem Bestand von mehr als 10.000 Glasnegativen unterschiedlicher Formate. Die umfangreiche Sammlung wurde im Jahr 1979 von den Erben an das Bezirksmuseum Buchen übergeben.
Vor allem zahlreiche Aufnahmen von Brautpaaren und Hochzeitsgesellschaften haben sich im Weiß’schen Bildarchiv erhalten. Dabei handelt es sich meist um Atelieraufnahmen des Brautpaares, die sich über die Jahre nur marginal verändert haben, indem unterschiedliche Kulissenwände zum Einsatz kamen, mit deren Hilfe die Aufnahmen grob datiert werden können. Auf einen Teil der Platten hat Karl Weiß den Namen des Hochzeiters eingeritzt; so dass einige der Paare identifiziert werden können. Die meisten Bilder bleiben namenlos; die Nummerierung der Platten kann zur Identifizierung leider nicht beitragen, da das Aufnahmebuch, das Weiß geführt hat, nicht erhalten ist.

Bei Fotografie der Hochzeitsgesellschaft hat Weiß tief in die analoge Bildbearbeitungs-Trickkiste gegriffen, was zu der Zeit gar nicht unüblich war. Die Fotomanipulation ist so alt wie die Fotografie selbst. Auch die Aufnahme des Ehepaars Hemberger aus Bödigheim ist eine Fotomontage, die aus einem größeren Familienbild gefertigt ist: Karl Weiß hat die beiden Personen aus einem Papierabzug des ursprünglichen Negativs ausgeschnitten, näher aneinander gerückt, dann auf einen neutralen Hintergrund aufgeklebt und schließlich erneut fotografiert.

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